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war durch nutzlose Arbeit, aufgezehrt durch Ängste, die mich für mich fürchten ließen, zernagt von Verzweiflung, die mich oft dazu überreden wollte, zu sterben. Nein, kein Mensch aus der Welt kennt das Entsetzen, das mir meine verhängnisvolle Phantasie schafft. Oft erhebt sie mich in alle Himmel, aber plötzlich läßt sie mich von schwindelnder Höhe auf die Erde herabstürzen. Ein kleiner Kraftaufschwung, der seltene und geheime Zeuge einer ganz besonderen Hellsichtigkeit, sagt mir zuweilen, daß ich viel vermag. Ich hülle dann die Welt in meine Gedanken ein, ich schaffe, ich bilde sie, ich verstehe sie oder glaube doch, sie zu verstehen; aber plötzlich erwache ich dann, allein, und hin in einer tiefen Nacht, ein jämmerliches Geschöpf! Ich vergesse die Helle, die ich noch eben erblickte, ich sehe keine Hilfe und vor allem kein Herz, zu dem ich flüchten kann. Dieses Elend meines seelischen Lebens wirkt auch auf mein physisches. Die Natur meines Geistes liefert mich schutzlos den Freuden des Glückes aus, so wie der furchtbaren Klarheit der Reflexion, die sie zerstört, indem sie sie analysiert. Da ich die traurige Fähigkeit mitbekommen habe, mit dem gleichen Scharfblick die Hindernisse wie auch die Erfolge zu sehen, so bin ich glücklich und unglücklich zugleich! Als ich Ihnen begegnete, da hatte ich das Gefühl von einer engelhaften Natur; ich atmete die Luft, die meiner brennenden Brust wohltat, ich hörte jene Stimme in mir, die nie täuscht und die mir ein glückliches Leben verhieß. Aber ich sch auch all die Schranken, die uns trennten, ahnte zum ersten Mal die Vorurteile der Welt, verstand sie in dem ganzen Umfang ihrer Niedrigkeit; und die Hindernisse erschreckten mich mehr, als der Anblick des Glückes mich beseligte: ich empfand sogleich die schreckliche Reaktion, durch die meine ausströmende Seele auf sich selbst zurückgeworfen wurde; das Lächeln, das Sie auf meinen Lippen hervorgerufen hatten, verwandelte sich plötzlich in bittere Verzerrung, und ich versuchte, kalt zu bleiben, während mein Blut kochte, aufgewühlt durch tausend widersprechende Gefühle. Ich hatte wieder die schmerzende Empfindung, an die ich mich durch dreiundzwanzig Jahre unterdrückter Seufzer und verratener Mitteilsamkeit noch immer nicht habe gewöhnen können. Ach, Pauline, der Blick, mit dem Sie mir das Glück verkündet haben, hat mein Lehen wieder erwärmt, hat mein Elend in Glückseligkeit verwandelt: jetzt hätte ich gern noch mehr gelitten. Meine Liebe ist plötzlich ganz groß geworden. Meine Seele war ein weites Land, dem die Wohltaten der Sonne fehlten: Ihr Blick hat auf einmal Licht daraufgeworfen. Liebe Vorsehung! Sie werden alles für mich arme Waise sein, der ich keine anderen Verwandten habe als meinen Onkel. Sie werden meine ganze Familie bedeuten, wie Sie schon jetzt mein einziger Reichtum sind und die ganze Welt für mich darstellen. Haben Sie nicht alle Schätze der Menschheit durch Ihren keuschen, wundervollen und scheuen Blick auf mich geschüttet? Ja, Sie haben mir ein unglaubliches Vertrauen, einen unglaublichen Mut gegeben. Jetzt kann ich alles wagen. Ich war mutlos nach Blois zurückgekehrt. Fünf Jahre Studium in Paris hatten mir die Welt als Gefängnis gezeigt. Ich trug Komplexe des Wissens in mir und wagte nicht, davon zu sprechen. Der Ruhm schien mir ein Blendwerk, dem sich eine wirklich große Seele nicht hingeben dürfe. Meine Ideen hätten sich nur unter dem Schutze eines Mannes ausbreiten können, der kühn genug dazu war, auf die Bretter der Presse zu steigen und mit lauter Stimme zu den Dummköpfen zu sprechen, die er verachtet. Diese Unerschrockenheit fehlte mir. Ich ging also fort, durch die Widerstände dieser Menge zerbrochen, und ich verzweifelte daran, je von ihr gehört zu werden. Ich stand zu hoch und zu tief! Ich schluckte meine Gedanken herunter wie andere ihre Demütigungen. Ich war dahin gekommen, die Wissenschaft zu verachten und ihr vorzuwerfen, daß sie nichts zum wirklichen Glück beitrage. Aber seit gestern ist alles in mir verwandelt. Um Ihretwillen erstrebe ich die Palmen des Ruhmes und alle Triumphe des Talentes. Ich will mein Haupt auf Ihre Knie legen, damit die Augen der Welt auf Ihnen ruhen, wie ich alle Idee und alle Kräfte in meine Liebe legen will. Der größte Ruhm ist ein Gut, das von keiner anderen Macht geschaffen werden kann als von der des Genies! So kann ich Ihnen also, wenn ich will, ein Lager von Lorbeer bereiten. Aber wenn die friedlichen Huldigungen der Wissenschaften nicht genug sind, so habe ich noch das Schwert und das Wort in mir, ich werde eine Laufbahn der Ehre und des Ehrgeizes durchrasen, auf der andere sich nur hinschleppen. Sagen Sie es mir nur, Pauline, ich werde alles sein, was Sie wollen, daß ich sei. Mein eiserner Wille kann alles. Ich werde geliebt! Sollte ein Mann mit diesem Bewußtsein nicht alles bezwingen können? Der kann alles, der alles will! Seien Sie der Preis des Erfolges, und morgen schon begebe ich mich in die Arena; für einen Blick wie der, den Sie mir zuwarfen, überschreite ich die tiefsten Abgründe. Sie haben mich die sagenhaften Taten der Ritter und die wundersamen Erzählungen aus ›Tausend und eine Nacht‹ begreifen gelehrt. Jetzt glaube ich an die fantastischen Forderungen der Liebe und an das Gelingen alles dessen, was Gefangene unternehmen, um ihre Freiheit zurückzuerlangen. Sie haben tausend Tugenden, die in mir schlummerten, geweckt: Geduld und Resignation, alle Kräfte des Herzens und der Seele. Ich lebe durch Sie und – köstlicher Gedanke – für Sie. Jetzt hat alles einen Sinn für mich in diesem Leben. Ich begreife alles, selbst die Nichtigkeiten des Reichtums. Ich ertappe mich dabei, Ihnen alle Perlen Indiens zu Füßen legen zu wollen; ich stelle mir vor, wie Sie unter den schönsten Blumen liegen oder auf dem weichesten Linnen, und aller Glanz der Erde scheint mir kaum Ihrer würdig, für die ich über die Akkorde und Strahlen verfügen möchte, die von den Harfen der Seraphine ertönen und von den Sternen des Himmels herniederleuchten. Armer Dichter! Meine Worte bieten Ihnen Schätze an, die ich nicht besitze, ich kann Ihnen nur mein Herz geben, in dem Sie immer herrschen werden. Dort liegt all mein Besitz! Aber liegen nicht schon Schätze in einer ewigen Dankbarkeit, in einem Lächeln, dessen Ausdruck unablässig durch ein unwandelbares Glück wechselt, in dem dauernden Bemühen meiner Liebe, die Wünsche Ihres liebenden Herzens zu erraten? Hat uns ein himmlischer Blick nicht gesagt, daß wir uns immer verstehen können? So kann ich jetzt allabendlich zu Gott beten, ein Gebet, das erfüllt ist von Ihnen: ›Mach, daß meine Pauline glücklich sei!‹ Aber werden Sie denn nicht meine Tage erfüllen, wie Sie schon mein Herz erfüllen? Mit Gott! ich kann Sie nur noch Gott anvertrauen.

      III

      Pauline, sage mir, ob ich Dir gestern in irgend etwas mißfallen habe! Laß diesen Stolz des Herzens fallen, der all die Qualen verursacht, die ein liebendes Wesen im geheimen erleidet. Zürne mir! Seit gestern liegt, ich weiß nicht was für eine unbestimmte Angst, Dir weh getan zu haben, auf meinem Herzen, das durch Dich so sanft und reich geworden war. Oft wird der leiseste Schleier, der sich zwischen zwei Seelen legt, eine erzene Mauer. In der Liehe gibt es keine leichten Vergehen. Wer das Wesen dieses schönen Gefühls begriffen hat, der muß auch alle seine Qualen empfinden, und wir müssen unablässig darüber wachen, daß wir uns nicht durch ein unbedachtes Wort verletzen. Sicher habe ich Schuld, mein teures Gut, wenn von Schuld die Rede sein muß. Ich bilde mir nicht ein, ein Frauenherz in dem ganzen Ausmaß seiner Zärtlichkeit, in der ganzen Anmut seiner Hingabe zu kennen, aber ich will immer versuchen, den Wert dessen zu erraten, was Du mir von den Geheimnissen des Daseins offenbaren willst. Sprich, antworte mir sofort! Die Traurigkeit, in die uns das Gefühl eines Unrechtes versenkt, ist furchtbar, sie umhüllt das ganze Leben und läßt an allem zweifeln. Ich habe heute Morgen am Rande des Hohlwegs gesessen, habe die Türme von Villenoix gesehen und wagte nicht, bis zu unserer Hecke zu gehen. Wenn Du wüßtest, was ich alles in meiner Seele sah! Welch traurige Gespenster an mir vorüberzogen unter diesem grauen Himmel, dessen kalter Anblick meine düstere Stimmung noch verstärkte. Ich hatte dunkle Vorahnungen. Ich hatte Furcht, daß ich Dich nicht glücklich mache. Ich muß Dir alles sagen, meine liebe Pauline. Es gibt Augenblicke, in denen der Geist, der mich belebt, sich von mir zu entfernen scheint. Ich bin wie von meiner Kraft verlassen. Alles lastet dann auf mir, jede Fiber meines Körpers stirbt ab, alle Sinne versagen, mein Blick wird verschwommen, meine Zunge erstarrt, die Phantasie erlischt, die Wünsche sterben und nur meine menschlichen Kräfte allein bestehen noch. Du könntest dann in dem ganzen Glanze Deiner Schönheit vor mir stehen, könntest Dein holdestes Lächeln und Deine zartesten Worte an mich verschwenden, es würde eine böse Macht aufstehen und mich blind machen und mir die entzückendsten Melodien in schrille Töne verwandeln. In solchen Augenblicken steigt, glaube ich, irgend ein Widerspruchsgeist in mir auf, der mich aus dem Grund des sicheren Besitzes das Nichts schauen läßt. Dieser mitleidslose Dämon mäht alle Blumen ab, spottet über die zartesten Gefühle und fragt mich: »Nun, und nachher?« Er macht das schönste Werk zunichte, indem er es mir in seinen Bestandteilen zeigt und mir den Mechanismus der Dinge enthüllt, wobei er mir deren harmonische Ergebnisse verbirgt. In jenen schrecklichen Augenblicken, in denen sich der böse Engel meines Seins bemächtigt, in denen

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