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hat das alles geschnitzt und bemalt? Dabei ist alles unversehrt. Ich glaube, der Künstler ist ein Betrüger, der mit einem Schiff über das weite Meer gefahren ist, auf einer einsamen Insel hoch im kalten Norden all diese Gewächse eingesammelt hat und sie jetzt als Kunst feilbietet. Ihr solltet ihm nicht glauben!“

      Rotam lachte kurz auf. Diese Theorie müsste er mal seiner Mutter anbieten. Dann würde sie ihn für völlig verrückt erklären. Aber dann wurde er wieder ernst.

      „Wo lebst du jetzt?“

      „Ich habe einen Platz gefunden, der für mich gut ist. Du würdest dort sterben. Lass uns gehen. Es ist alles sehr unsicher geworden. Wir haben nur wenig Zeit.“

      Rotam verließ mit seiner Begleitung die Ausstellung, lieh sich ein Taxi und fuhr zu dem Stadtteil, in dem nach Sells Angaben diese Kommission tagen sollte. Während der Fahrt versuchte er ein paar Mal, SellSterano zu beobachten, wie sie auf die Stadt reagierte, aber das Taxi beanspruchte seine ganze Aufmerksamkeit, es funktionierte nicht richtig, es stuckerte und ruckte, wenn es von einer Leitlinie zur anderen sprang, und fuhr, als ob es einen Bus mit fünfzig übergewichtigen Primesorern mitschleppen müsste. Als sie ausgestiegen waren, rochen Antrieb und Elektronik stark nach heißem Öl.

      „Rotam, ich fürchte mich, lass uns umkehren.“

      Das war wieder Sell. Oder?

      „Nein!“, fauchte er.

      Dann ein Hauch Sterano. Sie hatte wieder Boden unter den Füßen. Sie wirkte erleichtert, sah nach dem Gebäude, das sie jetzt betreten wollten, lächelte und löste sich von Rotams Hand. Sie ließ sich die Mappe geben. Sie sah sich um, und erfasste in Sekundenbruchteilen die Regeln der sich vor dem Gebäude bewegenden Artesianer, dann richtete sie ihre Aufmerksamkeit auf das Gebäude, und sah fast eine ganze Minute nur unbewegt dorthin. Rotam fürchtete schon, dass sie auffallen würde mit diesem ungewöhnlichen Verhalten. Aber plötzlich fiel die Starre von ihr ab, sie ging auf das Gebäude zu, mitten über die stark befahrene Verkehrsader, ohne dass ihr irgendetwas passiert wäre, dann stieg sie die Treppen nach oben, mit ebenmäßigen, festen Schritten, und zog damit wirklich alle Aufmerksamkeit auf sich, nur durch diese Art, die Treppe zu erobern, und ihre wirklich gerade und aufrechte Haltung. Als sie oben auf dem Absatz stand, drehte sie sich um, unwillig, weil er stehen geblieben war, und Rotam lief hinterher wie ein kleiner Schuljunge.

      Vor dem Raum, in dem die Aufnahmekommission tagte, mussten sie einen Moment warten, SteranoSell vermaß mit den Augen den Vorraum und Rotam bewunderte die Ruhe ihrer Person, die die Wartezeit dazu nutzte, mit sich selbst ins Gleichgewicht zu kommen. Schließlich wurden sie herein gebeten, Rotam trat gleich zur Seite und hoffte inständig, dass ihn niemand ansprach.

      SellSterano stellte sich vor, sie sprach die Bewerbung aus, und sie sah genau den Thraxoner an, der im Raum wichtig war, sie legte ihre Mappe auf den Tisch, und sie ließ die Prüfer blättern. Sie beantwortete Fragen nach Arbeitstechniken und Material, und Rotam fragte sich immer wieder, wer da jetzt geprüft würde, Sell oder das Gespenst Sterano.

      Dann zog aber doch einer der Prüfer ein Blatt aus der Mappe und fragte, was er denn von dieser Tupferei halten sollte. Das war die böse theoretische Frage, vor der Sell sich gefürchtet hatte. Es war eine psychologische Frage, keine wirklich fachliche, denn der Prüfer hatte ein wunderbares Bild herausgezogen, eines mit einer schwarzen Sonne in der Mitte, die einen langen spiralförmigen Schweif um sich zog, und inmitten dieses Schweifs schwebte ein einzelner dunkler Planet. Es war ein Bild in goldorange und der Schwärze des optischen Raums.

      SellSterano legte die Mappe hin, und einen Moment dachte Rotam, jetzt verlässt sie fluchtartig den Raum und redet nie wieder mit mir.

      Aber ihre verschleierten Augen blickten auf das Bild, wurden plötzlich glockenklar und wandten sich an den fragenden Prüfer. Sie nahm das Bild, und dann redete sie mit der Stimme, die nicht die von Sell war:

      „Das Bild zeigt die Nähe und die Einsamkeit. Das da, die hell umrandete Sonne, das sind meine Geschwister, ihre Antlitze sind schwarz, weil sie so weit von mir entfernt sind, und ich ihre Nähe fast nicht mehr spüre. Ein Schweif gemeinsamer Gedanken und Erinnerungen verbindet uns, egal wie weit wir voneinander getrennt sind, und alle meine Gedanken hängen an ihnen als Zentrum. Aber in diesem Schweif bin ich einsam, denn ich kann nicht mit ihnen Kontakt aufnehmen, und wenn das noch länger anhält, fürchte ich, werde ich mich in diesem Schweif verlieren, fortstrudeln in das Schwarze der Nacht.“

      „Und warum zeichnen Sie sich selbst auch schwarz?“

      „Das ist nicht die Schwärze eines Schleiers. Das ist die Leere, die ich erst noch mit einem Bild von mir auffüllen muss.“

      „Sie sehen sich selbst also noch auf der Suche?“

      „Ich suche den Platz, an dem ich mich entwickeln kann und die Helfer, die mir bei dieser Suche beistehen!“

      „Auch das noch!“, sagte der Prüfer knurrig. „Bei so was kann Ihnen niemand helfen, den Platz im Leben müssen Sie selbst finden!“ Stille trat ein, und plötzlich wurde dem Prüfer klar, dass er sich handfest im Ton vergriffen hatte, und er lenkte ein:

      „Na gut! Mir persönlich sind die, die suchen, immer noch lieber als die, die behaupten, jetzt schon ihren Platz gefunden zu haben. Die sitzen nämlich schon im Studium nur noch ihr Gesäß breit und produzieren nix Besseres als Seniorenratgeber fürs Niemandsland. Aber wenn Sie nur suchen und nicht bereit sind, den Wert Ihrer Fundstücke anzuerkennen, werden Sie schneller zum Konsumenten von Seniorenratgebern, als Ihnen lieb ist. Wollen Sie das?“

      SellSterano schüttelte mit dem Kopf. Der Prüfer blickte immer noch unschlüssig auf das Bild. SellSterano holte tief Luft und damit die Aufmerksamkeit der Gruppe wieder auf sich.

      „Ein Jüngling“, begann sie in ungewohnt melodischer Tonart, „war gefangen in einem Labyrinth. Er suchte und suchte nach dem Ausgang und konnte ihn nicht finden. So sammelte er Federn auf dem Weg und Wachs von wilden Bienen, und baute sich daraus Flügel. Er legte die Flügel an, erhob sich vom Boden und überwand das Labyrinth. Ist das Suchen nicht auch immer ein Mittel, um alten Irrwegen zu entkommen?“

      Rotam war sich nicht sicher, ob einer der Prüfer schon mal was von Wachs, Federn oder wilden Bienen gehört hatte. Aber der letzte Satz hatte offensichtlich das ganze Prüferkollektiv überzeugt, sie nickten Rotam und Sell zu, gaben Sell ein freundliches Zeugnis und dann wurden sie entlassen. Draußen neigte sich der Abend, und plötzlich sagte Rotam: „Ich glaube, da drauf müssten wir jetzt wirklich einen feiern!“

      Sie aber zwinkerte wie zum Abschied, leb wohl, ich muss zurück, aus meinem Schutzraum wird die Stille vertrieben. Aber Rotam hielt sie fest und sagte noch einmal: „Sterano!“

      Sie kam zurück.

      Rotam sah sie an, nahm ihre Arme und hielt sie fest.

      „Ich träume nachts“, sagte er leise, „davon, mit dir zu diesem Planeten zu fliegen, von dem du kommst. Ich träume davon, Blitze einzufangen und das Meer zu glätten. Mit einer einzigen Handbewegung. Ich will nicht nur träumen. Ich will es wirklich machen!“

      Das Lächeln wurde nicht heller. „Du Artesianer! Du willst dich mit dem Wind anlegen! Der Blitz wird dir den Arm verbrennen und dein Herz wird still werden. Der Wind wird Wellenberge über dir aufhäufen, und die Raubfische deine Därme ausreißen. Weißt du, wie die Geschichte von dem Jüngling ausgegangen ist?“

      Rotam schüttelte mit dem Kopf.

      „Der Jüngling fand das Fliegen so fabelhaft, dass er sich aufschwang, um die Sonne zu besuchen. Und als er ihr nah war, da ließ sie das Wachs schmelzen, und er stürzte zu Tode. Warum willst du dir das antun?“

      „Ja, ich will. Damit du mir zuhörst! Damit du weißt, dass es mir ernst ist. Auch wenn ich jetzt noch ganz weit weg bin, von dem, was ich dir einmal versprochen habe. Ich will das erreichen, das, und nicht mehr und nicht weniger. Ich will keine Sonne besuchen und ich werde mein Leben auch nicht an schmelzenden Wachs-Kleister binden. Ich bin Artesianer!“

      „Deine Worte sind wie der Quell

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