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Sterano auf Artesa. Heidi Büttner
Читать онлайн.Название Sterano auf Artesa
Год выпуска 0
isbn 9783738098570
Автор произведения Heidi Büttner
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
Der verließ seinen Beobachterplatz, ging hinunter zum Tor und holte aus seiner Tasche einen Packen Kautabak. Er rollte ihn und bot ihn der Frau mit den weißen Flecken im Gesicht an. „Das Zeug ist verboten“, sagte die leise.
„Wer will Sie jetzt noch bestrafen, gute Frau, Sie sind schon bestraft, Sie sind schon ganz unten. Also genießen Sie es. Für zwanzig Punkte können Sie sich unten in der Halle eine Menge Kautabak besorgen, für die müssten Sie draußen vier Tage arbeiten. Nehmen Sie, das ist gut gegen die weißen Flecken, die Sie im Gesicht haben. Los, nehmen Sie schon!“ Er drückte der Frau ein kleines Stück in die Hand und wandte sich der verkeilten Gruppe zu. „Noch jemand, der vielleicht noch nicht probiert hat? Unten in der Halle gibt es auch jemanden, der zeigt ihnen, wie man aus Fruchtmus einen feinen, rauschigen Tropfen herstellt. Das ist eine andere Welt, das Gefängnis. Hier gibt es eine Menge zu entdecken!“
Einer der verkeilten Männer nutzte den Rückenhalt, um nach Sameon zu treten.
Sameon wich aus und schüttelte nur mit dem Kopf. „Halt, halt, mein Freundchen, wenn du mal deine Finger in einer Maschine drin lässt, dann brauchst du sicher jemanden, der dann deine Hand rettet. Das bin ich. Also, lass die Füße unten. Ich könnte mich an dein Gesicht erinnern und gerade dann keine Narkotika finden. Und jetzt lasst den Blockademist. Nehmt euch was von dem Kautabak, dann riecht die neue Welt gleich viel freundlicher.“
Die zwei Männer, die zum Bus zurückgerannt waren, kamen jetzt unfreiwillig zurück, mit verdrehten Armen und verbissenen Gesichtern. Das half. Sameon verteilte langsam seinen ganzen Vorrat an Kautabak und führten die Leute sanft über die Schwelle. Über die Spielregeln unten im Maschinensaal würden sie schon rechtzeitig von den anderen Gefangenen belehrt werden. Das Klima im Saal war gar nicht so schlecht, wie es beim ersten Ansehen wirkte. Es gab Leute, die sich gegenseitig halfen, und es gab solche, die von allen respektiert wurden. Zu denen gehörte Sameon Rauka. Er konnte viel zu wenig als Arzt tun, deshalb ging er umher und versuchte, allem, was echte Arztpflichten fordern würde, vorzubeugen. Dazu gehörten Infektionskrankheiten genauso wie Streitereien. Das Tor schlug zu, Sameon stieg hoch in die Wachkammer und stellte den Torkommandanten.
„Alfo, das machst du keine zwei Mal mehr, wenn ich Dienst habe! Ich habe keinen Tabak mehr.“
„Das war auch der Sinn der Übung. Du solltest deinen restlichen Vorrat sinnvoll verwenden, bevor du ihn vielleicht draußen in irgend ein Klo schmeißen musst.“
„Das verstehe ich jetzt nicht. Ich habe noch nie ein Gramm Tabak kaputt gehen lassen!“
„Dann lies erst mal dieses kleine Briefchen!“
„Wer hat den denn mitgebracht?“
„Sie stehen draußen. Du sollst deine Angelegenheiten sortieren und morgen früh nach Simapi fliegen. Sie warten sogar so lange. Was steht denn drin in dem Brief? Du siehst aus wie die Frau vorhin am Tor.“
Sameon gab dem Kommandanten zur Antwort den Brief.
„Vorgesehen für noch nicht näher zu definierende Aufgaben. Der Zeitraum der Abordnung beginnt morgen und endet nach Erfordernis“, las der Kommandant vor. „Sameon, so stolpert man die Karrieretreppe nach oben!“, sagte er und ließ seine breite Hand auf Sameons Schulter fallen.
„Ich weiß nicht weshalb? Ich weiß nicht mal, was ich falsch gemacht habe? Ich kann hier nicht einfach weg. Ich kann nicht einfach alles liegen und stehen lassen?“
„Sameon, du hast eine Einladung vom großen Lakolar persönlich und das bedeutet, dass sich die Torwache um Ersatz für deine Arbeit kümmert. Er wird dir schon sagen, weshalb er dich jetzt woanders braucht. Wir halten dein Zimmer warm. In Ordnung! Wenn irgendwas schief geht, kannst du dir ja unter deinen Freunden unten im Saal einen Platz suchen!“
Es sollte ein Wort zur Aufmunterung sein, aber Sameon war noch zu sehr geschockt, um den Schritt über die Schwelle zu tun. Er würde bis morgen diesen Schock aushalten müssen. Besser wäre es gewesen, sie hätten ihn sofort mitgenommen.
XV.
Rotam saß mit Sell in einem Straßencafé im Zentrum von Simapi, eigentlich wollte er heute mit seiner Mutter feiern, er hatte die Zusage für sein Studium bekommen. In seiner Jackentasche lag ein Zeitplan und eine Liste von Vorbereitungslehrgängen, er wollte so viel mit ihr besprechen, in der gelösten Atmosphäre dieses Cafés, und vielleicht ein wenig von dieser Zweisamkeit und dem stillen Verständnis herstellen, das bis zu jenem verhängnisvollen Abend in der Sporthalle zwischen ihnen bestanden hatte. Rotam wollte, dass sie in Frieden in die Zukunft gingen und sich endlich wieder in die Augen schauen konnten.
Aber Clarissa hatte abgelehnt, Arbeit vorgeschützt und den Kopf geschüttelt. Nun saß er hier mit Sell, aber Sell war auch nicht der Partner, mit dem man ein so wichtiges Ereignis hätte feiern können. Sell sah ständig zur Uhr, rührte unlustig in ihrem Eis, und wenn er sie fragte, worauf sie wartete, dann schüttelte sie nur mit dem Kopf. Ich sitze gerne mit dir hier, sagte sie. Können wir nicht am Samstagabend gemeinsam zum Taisieh in die Sporthalle gehen? Rotam nickte, um ihrem Gesicht wenigstens ein kleines freundliches Funkeln abzuhaschen.
„Ich komme nie so weit wie ihr“, sagte Sell schließlich. „Ich bin einfach zu blöde, zu ängstlich, zu unsicher.“
Rotam konnte sich gar nicht vorstellen, das Sell jemals anders sein könnte. Sie war ebenso. Rotam hatte immer das Gefühl, sie an die Hand nehmen zu müssen. Das war ein gutes Gefühl. „Es muss auch Mädchen wie dich geben, Sell!“, sagte er.
„Ich bin nicht mal gut genug für die Jünger des Neuen Hauses, hat deine Mutter zu mir gesagt.“
„Sie ist immer so. Vergiss das! Vielleicht braucht man bei den Jüngern des Neuen Hauses auch andere Qualitäten!“
„Nur nicht meine.“
„Warum schaust du eigentlich andauernd auf die Uhr?“
Sell hatte wirklich panische Augen. „Ist schon gut“, sagte sie. „Lass uns in die Ausstellung des Lebenskünstlers Tripli Triers gehen, die ist heute bestimmt nicht so überfüllt.“
Rotam hatte keine Ahnung von Lebenskunst, und von Tripli Triers erst recht nicht, aber alles war besser, als das stupide Starren in halbaufgeweichtes Anemoneneis.
In der Ausstellung war es dunkel. Ein Weg aus Metallgitter führte durch Pflanzungen, die farbig angestrahlt, bunt zurückstrahlten, bei Berührung mit einem Stab dunkle Rauchwolken ausstießen und komisch rochen. Einige dieser Gewächse hatten riesige blasenförmige Früchte ausgebildet, andere wieder bewegten sich wie Algen unter Wasser, und vor den Besuchern erschien alle zwanzig Sekunden ein Hinweisschild, dass das Berühren der Pflanzungen ein Verfahren wegen Sachbeschädigung nach sich ziehen könne. Es war alles bunt, ziemlich künstlich und mit Erklärungstafeln zugepflastert. Sell dagegen wurde noch trübsinniger.
„Los, raus mit der Sprache!“, fauchte Rotam sie an, nachdem sie eine halbe Stunde lang still und wortlos durch dunkle Hallen und enge Gänge gestrichen waren. Ein paar von den Pflanzungen reagierten mit einem Ausstoß von schwarzem Dampf.
„Du kannst mir auch nicht helfen!“, jammerte Sell. „Schau dir nur diese Vollkommenheit an!“ Sie breitete die Arme aus und ihre Augen wurden feucht.
„Welche Vollkommenheit?“
„Na die Farben, das Design, die Fähigkeit, aus einem Strang aus Buchstaben etwas herzustellen, das so ungezwungen wirkt!“
Rotam hatte etwas gesehen, das viel ungezwungener war, und das auch ohne Design hundertmal kraftvoller wirkte als dieser dunkle, klebrig riechende Realitätsersatz. Er suchte im Ausstellungskatalog nach einem Notausgang.
„Vielleicht“, jammert Sell weiter, „hätten mir die Jünger des Neuen Hauses geholfen. Vielleicht hätten sie den Professoren gesagt, sie sollen nicht so theoretische Fragen