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auszubilden drohten. Sie wurden vom Orbit aus mit mathematisch dosierten Mengen heißer Energie bestrahlt und fielen dann in sich zusammen. Hätten wir diese Strahler nicht, könnten wir nicht so leben, wie wir heute leben. Die Fremde ist der Testfall für die Stabilität unserer Lebensform. Sturm, Testfall, das sind alles zu starke Namen für sie. Sie würden sie aufwerten in den Augen seiner Verfolger. Sie sollte einen ganz einfachen, einen niederen Namen bekommen, und damit würde er sie bezwingen.

      Welches ist das kleinste, abwertende Wort in der artesianischen Sprache neben den Schimpfwörtern und den Flüchen? Die Null. Das Nichts. Nies. Nies Boden. In Anlehnung an ihre Herkunft. Viel zu gut. Namen ließen sich töten, indem man sie rückwärts buchstabierte. Nies Nedob. Zuviel N. Nies Edo. Gut so. Jetzt konnte Lakolar Annselarmo damit hantieren.

      In den gesprochenen Brief der Geschäftsleitung von KAPTOS war eine kurze Datei eingespielt, die die Menge der den Sonden entzogene Energie umriss. Damit ließ sich bereits jetzt ein größerer Satellitenstart realisieren. Lakolar Annselarmo gab einen Auftrag an die Raumsicherheit heraus, dass alle Tätigkeiten aufgelistet werden sollten, die eine solche Energiemenge benötigten. Was will sie damit? Den Einkreisungsversuchen war sie bisher geschickt ausgewichen. Bei KAPTOS war man inzwischen dazu übergegangen, das Sprungsondenlager zu räumen. Wir lassen sie nicht zur Ruhe kommen. Sie muss sich einen neuen Platz suchen. Wir bereiten einen solchen Platz vor. Es dauert nur noch einen kleinen Moment. Es dauert nur noch zehn Tage. Zehn Tage! Lasst euch Zeit, hatte Lakolar Annselarmo dem Blue Frog befohlen, lasst euch Zeit. Aber er hatte ihm nicht gesagt, weshalb, eben, weil die Fremde sich laut Aussage von Wass Mato bei den Gedanken ihrer Verfolger bediente, und schnell die Falle wahrnehmen könnte. Die Liste kam herein, die er angefordert hatte. Abschuss einer Raumstation, Zerstörung eines lebenswichtigen Kraftwerks, der Sondenstart, über den er selber schon gegrübelt hatte. Und die Möglichkeit, Subraumnachrichten zu versenden. Das könnte eine Möglichkeit sein. Lakolar Annselarmo gab den Befehl heraus, dass alle entsprechenden Objekte entsprechend zu sichern waren. Dazwischen kam die Nachricht von einem Blutbad in der Markthalle am Dreieck. Wass Mato hatte versucht, einen entlaufenen Häftling zu stellen. Es war misslungen. Wass Mato war tot und dreißig Marktbesucher ebenfalls, die in der Nähe gestanden hatten, als der ertappte Flüchtling eine Bombe zündete. Wass Mato war nicht mehr der Alte gewesen, seit ihn die Fremde berührt hatte und seit der Behandlung durch die Pharmakologen der Raumsicherheit. Sie sind alle Idioten! Lakolar hätte Wass Mato gebraucht. Einen Wass Mato mit genau der Rüpelhaftigkeit und Obrigkeitsignoranz, die auf Artesa selten geworden war. Die Markthalle am Dreieck würde jetzt endgültig in die Hände der thraxonischen Händlerkartelle fallen. Und Lakolar Annselarmo hatte nichts, womit er diesen Machtverlust verhindern konnte.

      Wenn diese Sache vorbei war, dann würde er sein Kabinett umbilden. Er musste für frisches Blut sorgen. Und er musste sich auch um seine eigene Nachfolge sorgen. Die Jagd zerrte an seinen Nerven und Lakolar fürchtete den Moment, an dem er seinen ersten Fehler machen würde, der in einer solchen Situation schnell sein letzter sein konnte. Sein letzter Fehler könnte aber auch für Artesa schnell der letzte sein. Lakolar verbot sich, an einen solchen Fall zu denken. Es gab keinen würdigen Ersatz und keine wirklich kompetente Stellvertretung für ihn. Noch nicht! Deshalb konnte er auch nicht mitten im laufenden Verfahren die beteiligten Akteure auswechseln. Er musste es noch mit den alten Leuten durchziehen. Und er wusste noch nicht, wo er wirklich gute neue herbekam. Irgendwas stimmt nicht mit unserem System.

      Hoffentlich beeilte sich der Blue Frog nicht so sehr mit seinen Aufräumarbeiten, damit wir DEN VORFALL nicht ein zweites Mal woanders einkreisen müssen.

      Und was den gesprochenen Beschwerdebrief von KAPTOS betrifft, Annselarmo hielt es für richtig, hier den Schritt nach vorn zu wagen. Die Betriebsanlagen von KAPTOS werden nach der Räumung der Lager demnächst in den Orbit verlegt, die Verarbeitung von hochenergetischem Material auf der Planetenoberfläche ist seit Jahrzehnten nicht mehr der Stand der Technik.

      Und dann begann Lakolar Annselarmo darüber nachzudenken, wie er den Erstkontakt mit dem Fremdwesen einleiten konnte. Er dachte ein paar Mal darüber nach, selbst in die erste Position zu gehen, verwarf das aber sofort. Dann suchte er in seinen Informationen nach weiteren Personen, die über ausreichende Fähigkeiten dafür verfügen könnten. Es muss eine Person sein, die sich einen Atemzug lang in die Nähe von Nies Edo begeben kann, ohne von ihr vernichtet zu werden. Ein Atemzug reicht aus, für Analyse und Schwachstellendefinition. Dann können wir entscheiden, ob wir diese Schwachstellen nutzen, um sie zu vernichten, oder ob wir ihre Fähigkeiten den unseren zuordnen können. Diese Person muss ich finden. Ich werde sie persönlich steuern und niemanden dazwischen reden lassen. Wenn ich diese nicht finde, fällt Nies Edo ohne Analyse sofort dem Vernichtungsfeldzug meiner Raumsicherheit zum Opfer. Ich weiß nicht, ob das so gut ist.

      XII.

      Das große Tor des Gefängnisses öffnete sich zischend. Draußen standen diejenigen, die dieses Tor jetzt überschreiten mussten. Zwischen den Wachtruppen stand Sameon Rauka, vor sich eine Liste mit Namen, kurzen Biografien, die alle mit einem Urteilsspruch endeten. Verurteilt wegen unsittlichen Lebenswandels, wegen Vortäuschung falscher Tatsachen, wegen Aneignung fremden Eigentums, wegen tätlicher Auseinandersetzung mit Krankheits- oder Todesfolge. Die meisten von ihnen trugen noch ihre guten Bekleidungsstücke, mit denen sie vor dem Richter gestanden hatten. Sie hätten besser stabile Arbeitsanzüge anziehen sollen. Aber es kam selten vor, dass jemand seine Erfahrung mit dem Gefängnis nach draußen trug. Die Gesellschaft wollte es so. Wer sich auf Artesa bei einem Gesetzesbruch erwischen ließ, riskierte alles. Nicht selten Gesundheit und Lebenserwartung.

      „Nicht so langsam, werte Gäste. Bleiben Sie nicht so lange im Tor stehen, Sie holen sich einen Schnupfen!“ Das war das Signal an die Wachtruppen, die Neuankömmlinge herein zu holen. Draußen stand der Bus und es gab kein Zurück. Der Blick nach vorn war für die meisten, die hierher kamen, ein Schock. Ein riesiger, unüberschaubarer Maschinensaal. Viel zu wenig Maschinen für viel zu viele Häftlinge. Hinter dem Maschinensaal öffnete sich das Gefängnis zu einer weiten trockenen Wüste. Die Wüste war am Tag unbarmherzig heiß und in der Nacht bitter kalt. Das Gefängnis lag an einem Ort, der bei der Zuteilung der Niederschläge ausgelassen wurde.

      Der Schock, der die meisten befiel, kam nicht vom Anblick des Maschinensaals, sondern von dem Geruch, den der Saal ausströmte. Sameon arbeitete hier schon seit zehn Jahren. Aber er roch ihn immer noch. Er hatte Medizin studiert und hier das Trösten gelernt.

      Eine Frau begann zu schreien. Eher wollte sie sich auf der Schwelle erschlagen lassen, ehe sie in diesen Mief reingehen würde. Jetzt begann die ganze Gruppe aufzubegehren. Das widerspricht allen Regeln der Hygiene!, beschwerte sich ein wirklich gutaussehender Alter. Das ist ein Ort, um Hautfäule zu kriegen. Sameon sah in seine Liste. Der mit den Regeln der Hygiene war ein Fall tätlicher Auseinandersetzung mit Todesfolge. Der Tageskommandant ist ein Sadist, dachte Sameon. Er ließ die Leute im Tor stehen, ließ in ihnen die Hoffnung aufkeimen, sie könnten mit ihrem Einspruch irgendetwas bewegen. Je länger sie dort standen, umso stärker würden sie sich gegen den Schritt über die Schwelle wehren. Und die Wachtruppen schreiten dann mit massiver Gewalt ein. Sameon musste anschließend denjenigen, die verletzt wurden, den nächsten Schock verpassen, denn es gab hier keinen Medikomp, keinen großen biologischen Reaktor, der gebrochene Arme wieder zusammenrechnete. Nicht einmal Blutergüsse konnten hier behandelt werden. Sameon erklärte den Betroffenen, wie lange es dauerte, bis die Hautverfärbung verschwunden war. Er schiente Knochenbrüche, und er vergab auch Schonplätze. Viel mehr konnte er nicht machen. Das war das Gefängnis. Wer es hier schaffte, jeden Tag ein oder zwei Stunden an einer Maschine etwas Sinnvolles zu tun, der bekam Essen und Wasser, wer mehr schaffte, der konnte sich waschen, und wer Punkte sammelte, der konnte Decken und Kleidungsstücke erwerben. Der Tag der Entlassung war jedem auf dem Arm eintätowiert, und über dem Tor hing eine große Uhr, die das Verstreichen der Tage, der Dekaden, der Sonnenwanderung und der Modurs anzeigte.

      Jetzt endlich schien der Torkommandant genug von dem Entsetzen in den Gesichtern gesehen zu haben. Er befahl das Räumen, und es passierte genau das, was Sameon vorausgesehen hatte, es gab ein Handgemenge, der gutaussehende Alte riss einem Wächter den Schild aus der Hand und warf ihn in die Maschinenhalle, zwei weitere stürmten zurück zu dem Bus, die Frau bekam weiße Flecke im Gesicht,

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