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hatte, der fror entsetzlich in dem kargen, schmucklosen und grauen Betonkasten.

      IX.

      Im Regierungspalast von Lerasia rauschte die nächste Meldung herein. Tarumor Tass bemühte sich, ruhig zu sprechen.

      „Nachdem sie die Markthalle am Dreieck verlassen hat, mit dem Scanner, mit dem wir sie eigentlich suchen wollten, hat sie sich an der Grenze zwischen Thraxon und Lerasia entlang bewegt. Und dann ist sie plötzlich von einem Moment auf den anderen verschwunden. Wie in Luft aufgelöst. Wir sondieren die gesamte Oberfläche von Artesa quadratzentimeterweise von Satelliten aus, aber wir haben seitdem keine Spur mehr von ihr.“ Er hatte eine halbe Stunde lang geredet, das waren seine letzten vier Sätze. Er sah aus, als ob er langsam begann, die Geduld zu verlieren, Lakolar registrierte, dass Tarumor Tass ein paar Mal mit den Zähnen geknirscht hatte und dass die Sätze aus seinem Mund mehr und mehr zu Geschützsalven wurden, die weniger gegen das fremde Wesen gerichtet waren, als gegen den großen Diktator selbst. Lakolar registrierte mit einer Mischung aus Abscheu und Widerwillen diese Änderung der Schussrichtung. Auch du, Tarumor Tass, beginnst dann, wenn du mit deinem Gegner nicht fertig wirst, mit deinen Verbündeten zu hadern. Schnell einen Schuldigen suchen! Schnell aus der Schusslinie verschwinden! Aber nicht mit mir! Die Jagd beginnt doch erst! Jetzt beginnt die wirkliche Verfolgung.

      Lakolar Annselarmo hatte einen Begriff von DEM VORFALL bekommen. Und sein Stichwort. Er spürte die Kraft alter Tage zurückkommen. Ihm war, als hätte er einen wunden Punkt bei DIESEM VORFALL entdeckt, und den durfte er jetzt nicht aus seiner Aufmerksamkeit entlassen.

      „Details, Details, mein Freund, du müssen nach den richtigen Details suchen“, hauchte er Tarumor Tass ironisch an.

      Der fauchte zurück. „Ich finde hier keine wesentlichen Details mehr!“

      „Die richtigen Details du müssen finden!“

      Tarumor Tass knirschte wieder mit den Zähnen. Er konnte es nicht ausstehen, wenn Lakolar anfing, Kindergrammatik zu zitieren. Lakolar wusste das auch. Aber er machte es immer wieder, vor allem dann, wenn Tarumor Tass kurz davor war, den ganzen Kram mit dem Einsatz von großen Waffen ganz schnell zu bereinigen. Er konnte das spitzfindige Lavieren des großen Diktators noch nie nachvollziehen. Es war eine Laune der Evolution, die sie das alles bislang hat überleben lassen.

      Lakolar grinste leise. „Nicht so schnell! Nicht gleich mit den großen Raketen! Auch wenn man Angst hat. Erst denken, dann schießen. Und beim Denken muss man die Emotionen zurück halten. Zuviel Emotionen machen den Denkprozess kaputt. Man belügt sich und merkt es nicht einmal.

      Warum“, fuhr Lakolar den Blue Frog ihn leise an, „haben Wass Mato und die Fremde miteinander geredet? Artesianisch geredet, wohlgemerkt. Und Wass Mato, der wirklich nicht so eine feinfühlige Ader hat, gibt ihr den Scanner und schickt sie fort. Ohne festes Ziel wohlgemerkt, aber irgendwohin, wo sie mit dem Scanner etwas anfangen kann.“ Lakolar richtete sich auf, obwohl er von seiner Körpergröße her nie wirklich groß sein würde.

      „Sie ist nicht dumm“, fuhr er fort. „Hast du dich schon mal mit dem Gedanken befasst, dass sie zielgerichtet vorgeht. Was hat sie zu Wass Mato gesagt: Bitte noch mal wörtlich, mein Freund!“

      „Sie sucht einen Platz!“

      „Richtig, einen ganz besonderen Platz, einen, den es dort, wo sie herkommt, nicht gibt. Jetzt verstanden, wovon ich rede?“

      Noch war es nicht so weit.

      „Du hast selbst gesagt, es gibt keine Zufälle im All. Alles ist vorbestimmt, alles hat eine Ursache. UNSER VORFALL zeigt ein großes Interesse an Energie. Die gab es so auf Boden nicht. Aber sie braucht offensichtlich besondere Energieformen. Dort müssen wir sie suchen und dort werden wir sie finden. Und dann brauchen wir jemanden, der weiter mit ihr redet. Wir brauchen Wass Mato! Holen wir Wass Mato her!“

      „Das wird nicht viel bringen, wir haben ihn gelöscht!“, knurrte Tarumor Tass.

      „Wie viel?“

      „Drei Stunden.“

      Das war etwas gewesen, was auch Lakolar Annselarmo gespürt hatte. Ein Aufschwappen von gelbem Schaum. Weit draußen, in dem Meer von weichen lindgelben Wolken war diese eine giftig leuchtend aufgeschossen und hatte ein großes Loch hinterlassen. Seltsamerweise nahm er mit seinen weitreichenden Sinnen die Fremde nicht wahr. Es war, als hätte sie sich gleich in den ersten Stunden unter seinen Schutz begeben, und nur ihre Verfolger störten das Gleichgewicht seiner Macht. Sie waren verunsichert, und auf die besondere Situation nicht wirklich vorbereitet. Sie hatten Befehl, die Zivilbevölkerung aus dem Geschehen rauszuhalten, und sie löschten ängstlich jeden Zeugen, der DEM VORFALL zu nahe kam. Schade um Wass Mato! Man konnte von ihm halten was man wollte, aber er diente dem großen Lakolar. Nur auf seine Art und Weise. Nach dieser Löschung würde er nicht mehr zu den wirklich guten Dienern seiner Regierung gehören. Es würde Jahre dauern, das hier zerschlagene Vertrauen wieder herzustellen.

      „Was ist mit dem Techniker, ist der etwa auch gelöscht?“

      „Nein. Er hat ein Verfahren wegen Vernachlässigung seiner Arbeitspflichten hinter sich. Nach Angaben des IAB ist er bereits ins Niemandsland entlassen.“

      Sie sind alle Idioten, dachte Annselarmo. So fleißig, so dienstbeflissen! So kommen wir nie an die Fremde heran. Sie muss ein Gespür für diese Dummheit haben. Warum nur, kann ich sie nicht wahr nehmen? Wir müssen dringend diese Karpi-Brüder finden. Sie sind Bezugspersonen und könnten sich dem Phänomen nähern, ohne dass es in Aggression übergeht.

      X.

      Sal Karpi und seinen Bruder Pet Karpi wurden von der Bodensicherheit an der Grenze zwischen Thraxon und dem Primesorischen Meer aufgespürt, sie hatten dort eine Hütte aufgestellt und sich ohne jeglichen Kontakt mit der Außenwelt niedergelassen. Sie hatten sogar eine provisorische Feuerstelle eingerichtet und verbrannten zwecks Wärmegewinnung vom Meer angeschwemmten und getrockneten Tang, ungeachtet der Rauchentwicklung und des Gestanks. Vor ihrer Hütte lag das umgedrehte ausgeschlachtete Oberteil einer Flugbootkarosserie, daneben Seile und Netze und ausgediente Sportpaddel. Die Feuerstelle war noch nicht richtig fertig, und das Haus hatte auch nur drei vollständige Wände. Sal und Pet Karpi trugen zerrissene Reste von Strahlungsschutzanzügen, mit denen sie eine ganze Zeit lang die Signale ihrer Cheenports hatten wegdämpfen können. Aber die Anzüge waren abgelagert gewesen und brüchig, Joa Rosenn hatte sie sicher nur als Vorlage für irgendeine Filmproduktion erworben, und jetzt versagten sie langsam ihren Dienst.

      Die Brüder hatten sich nicht beim zuständigen Ortsmeldeamt vorgestellt, sie hatten keine Anträge auf Verpflegung gestellt und müssten von Rechts wegen knapp am Verhungern sein. Sermon Larka fand sie vor, an ihrem rauchigen Feuer sitzend und rohe Fleischalgen aus den naheliegenden primesorischen Kulturanlagen bratend. Sie hatten beide rote, von der Sonne verbrannte Gesichter und es ging ihnen den Umständen entsprechend richtig gut. Seine Jäger glichen ihre Sucher mit den implantierten Cheenports der beiden Männer ab, von denen einer der Navigator der PRAMOS gewesen war und der andere ihr Planethologe.

      „Ich hätte echte Außenbordmonturen aus dem Raumhafen mitnehmen sollen!“, brummte Sal resigniert und fragte, ob er wenigstens die mühevoll abgefischten und gebratenen Algen noch aufessen dürfe. Larka verzog angewidert sein Gesicht und Sal grinste. „Ihr seid alle verwöhnt von dem Kulturfraß, den ihr jeden Tag in euch reinschaufelt. Wenn eine einzelne Bakterie vorbeigeflogen kommt, dann bringt sie euch alle um. Ich habe einen Zaubertrank bekommen, ich kann alles essen, was ich kauen kann, mich bringt nichts mehr aus dem Gleichgewicht.“

      „Da gibt es jemanden, der will das mit dem Zaubertrank genauer erklärt haben, also brechen Sie Ihre Tätigkeit hier sofort ab und folgen Sie uns!“, knurrte Sermon Larka, seinerseits ebenfalls angewidert.

      Sal hatte noch den Geruch seiner gebratenen Algen in der Jacke, als er sich mit seinem Bruder in einem völlig dunklen Raum wiederfand und die Stimme ihres Gegenübers ihm das Blut in den Adern gefrieren ließ. Der Red Spin hatte die beiden Flüchtlinge direkt zum Großen Lakolar gebracht. Der Herrscher persönlich!

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