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      Sie, Sermon Larka, werden alles daran setzen, die Karpi-Brüder aufzufinden. Spätestens morgen Vormittag will ich sie zur Vernehmung hier haben.“

      Irgendwie stimmte jetzt die Aura wieder. Die drei verbliebenen Herren standen auf, und verließen im Stechschritt den Raum. Lakolar fiel auf, dass Hauke Vollams, der Direktor des IAB, noch nichts zu den Ereignissen gesagt hatte. Er war schließlich der erste Geschädigte gewesen, und eigentlich ein Spezialist für außerirdisches Leben. Aber Vollams hatte geschwiegen wie eine Schabe, die sich in einer Ritze verkriecht, um dann im unbemerkten Moment hervorzukommen und Lebensmittel zu stehlen.

      VI.

      Der Regisseur für Spezialeffekte Joa Rosenn lag in seinem Hängestuhl im Garten und konnte die Augen nicht schließen. Wir sind alle Monster, dachte er. Ich muss das am besten wissen. Wer, wenn nicht ich.

      Joa Rosenn erfand pro Dekade zwei neue und gefährliche Ungeheuer, die zur Hauptfernsehzeit von einer mutigen und klugen Verfolgercrew eingeholt, umkreist, betäubt, erschossen und vernichtet werden konnte. Joa besaß ausreichend Phantasie und Informationskanäle zu echten Monsterkennern, um auf diesem Gebiet immer neue Ideen zu produzieren, aber langsam ging ihm der Stoff aus, nachdem alle schnellen, dicken, großen und winzig kleinen Monster aus dem All, die man sich denken konnte, bereits betäubt, erschossen und vernichtet waren, und die Serie eigentlich vom Sendeplatz gehen müsste. Über seinem Kopf glitten das Orbitarium, der Raumhafen und die Energiestation hell leuchtend genau nach Flugplan abwechselnd über den Nachthimmel und alle vierzehn Minuten zog eine Puderwolke vorüber und warf einen dünnen Schatten zwischen die Wohnhäuser. Eine Reihe feuchter Wolken mit Regen hatte vor einer Stunde den Puderwolkenintervall für kurze Zeit unterbrochen, die Luft roch immer noch mild und würzig und die Sonne würde erst morgen früh wieder den Boden versengen.

      Joa Rosenn hatte allen seinen Monstern Charakter verliehen, sie mit Haut, Haaren, Flügeln und Augen versehen und sie dann an die Drehbuchschreiber weiter gegeben, in der Hoffnung, einer dieser Drehbuchschreiber würde einem davon eine Chance geben, die aktuelle Abendfolge zu überleben. Die Hoffnung war vergebens und Joa wünschte sich ein einziges echtes Monster auf die Artesa, das alle Drehbuchschreiber und Seriendarsteller das echte Fürchten lehren konnte. Aber das müsste dann ein großes, ein sehr intelligentes und vor allem cleveres Monster sein. Er selbst konnte sich nicht vorstellen, dass es für ein Wesen von außerhalb überhaupt eine Überlebenschance auf Artesa geben könnte. Wir sind geübt aufs Abschießen, das kannst du glauben!

      Und dann: Ich könnte ein paar gute Nachrichten von meinen Freunden gebrauchen. Schließlich muss ich meinen Haushalt finanzieren und dazu brauche ich eine Idee und vier bis zwölf prickelnde Monster, für die es einen Zuwachs auf meinem Konto gibt und vielleicht das Versprechen, dass Joa Rosenn irgendwann auch mal etwas einbringen könne, was fein, elegant, weniger monströs und vielleicht sogar heldenhaft sein durfte.

      Weiter kam er nicht in seinen Überlegungen. Das Orbitarium war gerade untergegangen und der Raumhafen stand noch unterm Horizont. Über dem Garten stand eines dieser zarten Wattewölkchen. In genau diesem Moment hechteten zwei dunkle Gestalten über seinen Gartenzaun, zerrten eine große dunkle Folie von einem der Obststräucher, die Joa Rosenn mühsam vor den Augen der Primesorischen Lebensmittelkontrolle bewahrte, krochen darunter und zogen die Folie glatt. Rosenn war von einem Moment zum anderen hellwach.

      „Pet, bist du das?“

      Ein Teil der Plane nickte zustimmend.

      „Und wer ist der andere?“

      „Ich bin’s, Sal!“, zischte es unter dem anderen Teil. „Psst!“

      „Was soll der Unsinn? Nett, dass ihr euch endlich hier sehen lasst! Ein halbes Jahr wart ihr mit dieser PRAMOS fort. Gibt es wenigstens was zu berichten, was dieses seltsame Versteckspiel rechtfertigt?“

      „Joa, du wirst begeistert sein!“

      „Ihr könnt ruhig rauskommen! Bei mir seid ihr immer zu Hause.“

      „Du musst uns helfen!“, zischte es unter der Plane hervor.

      „Erst wenn ich weiß, warum ihr euch unter meiner Plane verkriecht?“

      „Eine Abschirmfolie, Joa, bring uns eine Abschirmfolie, sonst ist der Besuch in fünf Minuten zu Ende und du hast nichts davon!“

      Joa Rosenn stand auf. In der Stille der Nacht wurde das Dröhnen schwerer Flugmaschinen hörbar. Der zarte Wolkenschatten würde gleich vorüber sein, der Raumflughafen mit seinen großen fernen Augen blickte dann schräg über dem Horizont und betrachtete jede Bewegung auf der Artesa. Rosenn ging zur Schuppentür, öffnete sie, und zog die beiden Besucher in den Schuppen. Dann strich er die Folie wieder ordentlich über die Sträucher. Die Beeren waren fast reif. Ein paar Tage noch, dann würde er sie pflücken, in siedendes Wasser werfen, und einzeln schlürfen, heiß und herbsüß.

      Der Schuppen war Joas Labor. Von innen mit Metallfolie ausgekleidet, strahlengeschützt und abhörsicher. Er schaltete das Licht ein und besah seine beiden Besucher.

      Sie waren braungebrannt und Joa registrierte, dass Pet rote Beerenflecke an den Fingern hatte.

      „Du hast sie doch nicht etwa roh gegessen?“, fuhr er Pet an.

      Der grinste. „Sie sind lecker! Noch ein bisschen unreif vielleicht!“

      „Du kriegst einen schweren Darminfekt, wenn du die roh isst!“

      „Das war mal! Ich kann alles essen, und wenn es frische Algen sind! Ich habe einen Zaubertrank in mir!“

      Sal nickte dazu und Joa Rosenn fiel auf, dass die beiden von innen heraus strahlten, als hätten sie pures Gold getrunken, sie hatten schwielige Hände, sonnengebleichtes Haar und das Strahlen von Filmgöttern um die Augen.

      „Aber deshalb seid ihr nicht auf der Flucht?“, fragte Joa Rosenn, der die Brüder Sal und Pet Karpi aus der Schule kannte, aus ihren Reiseberichten die Hälfte seiner Filmmonster entwickelt hatte, und den Gewinn aus diesen Erfindungen regelmäßig mit ihnen teilte.

      „Nein, es ist was schief gelaufen“, sagte Sal.

      „Es ist alles deine Schuld!“, warf Pet dazwischen.

      „Du hast keinen Mumm in den Knochen, Pet! Vergiss es! Joa, hier ist Pets Kamera. Er hat alles gefilmt. Du musst es veröffentlichen! Schnell! Das ist diesmal nicht für deine Fernsehserie. Das ist echt! Aber die Kommandantin der PRAMOS hat unsere Fracht ins Institut für Außerartesianische Biologie umgeleitet. Sie sabotiert die Ergebnisse unserer ganzen Expedition! Sie ist ein feiges Miststück! Joa, wir haben einen Himmel gesehen! Joa, du glaubst gar nicht, was für eine wunderbare Welt das war! Und wir bringen ein Stück davon mit! Eine wirklich intelligente und sehenswerte Spezies. Die sehen so aus wie wir. Aber sie können mehr! Viel mehr. Aber die da wirft es ins IAB und dort wird es nie wieder rauskommen!“ Sal schnappte nach Luft und versuchte, langsamer weiter zu reden. „Wir haben versucht, den Transport zu verhindern, und nun hängt die Raumsicherheit an unseren Fersen, wegen Befehlsverweigerung. Wir müssen erst mal abtauchen, bis sich das Ganze beruhigt hat. Hast du was zum Anziehen für uns?“

      Joa Rosenn nahm die Kamera an sich, versteckte sie in einem Schrankfach, holte zwei ausgemusterte Strahlenschutzanzüge aus einem Spind, und reichte sie den Besuchern. „Das kostet was“, sagte er.

      Pet spie in die Handflächen, verrieb die Spucke und strich sie zusammen mit braunem Sand aus dem Garten breit auf Joa Rosenns Wangen.

      „Jetzt kannst du deine Beeren auch roh essen! Lass’ es eine Stunde einziehen! Aber dann musst du unbedingt die Filme veröffentlichen! Es ist wichtig! Vergiss es nicht!“

      Die beiden Raumfahrer hatten die Overalls übergestreift, warteten noch einen Moment, bis der nächste Schatten über das Wohngebiet strich, und waren Minuten später verschwunden. Zwei Wolken später rauschte eine Fahndergruppe der Bodensicherheit von Simapi bei Joa Rosenn herein, ruinierte den gemütlichen Garten, sein Labor, das Wohnhaus und die Beerensträucher. Rosenn gab ihnen wortlos die Kamera, die er vorher ein

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