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im Schein einer winzigen Handlampe eine der glutroten Früchte aus dem Sandboden.

      Er wischte sie am Ärmel ab, widerstand der Versuchung, sie jetzt in diesem Moment so zu essen, wie Pet das getan hatte, denn er glaubte noch nicht so sehr an die Versprechen des großen Karpi-Bruders, aber irgendwann würde er es versuchen. Joa hatte im Schnelldurchlauf die Aufnahmen von Pet Karpi angesehen, sie kopiert und dafür gesorgt, dass niemand den Kopiervorgang nachvollziehen konnte. Joa Rosenn musste sich keine Monsterfiguren mehr ausdenken. Er hatte jetzt eine ganze Reihe davon auf Band. Sie waren schön und schrecklich zugleich. Wenn er diese Bilder veröffentlichen würde, wäre er morgen sein Gedächtnis los. Wenn das Material geheim blieb, würde er damit seine eigene Welt einrichten, in der Monsterjäger und Gedächtnisdiebe keinen Platz bekommen würden.

      VII.

      Das Markthaus am Dreieck lag direkt auf der Grenze zwischen vier Welten. Hier stießen die Hoheitsgebiete von Thraxon, Lerasia und Primesora zusammen und ein langer Streifen des Niemandslandes endete knapp 40 Meter innerhalb der Halle. Wass Mato war der Manager des Markthauses am Dreieck. Er war heute Morgen schlecht gelaunt aufgestanden und irgendwas sagte ihm, dass heute kein guter Tag sein würde. Aber Wass Mato hatte schon viele schlechte Tage gut hinter sich gebracht, er wollte doppelt aufmerksam sein und doppelt vorsichtig. Dann bekam auch der schlechteste Tag einen lichten Augenblick.

      In der Markthalle am Dreieck trafen sich alle, die blassen Primesorer, chaotische Individualisten von Thraxon und die aristokratischen Lerasier, die das ganze restliche Volk immer um Haupteslänge überragten, nicht weil sie besonders groß waren, sondern weil jeder von ihnen einen Besenstiel geschluckt zu haben schien. Wenn ihnen ein Krümel auf den Schuh fällt, so lästerte Wass Mato manchmal, dann brauchen sie eine Fernbedienung, um ihn abzuwischen.

      Die Niemandsleute stellten fast die Hälfte aller Marktbesucher. Sie waren chaotisch, blass, aristokratisch, je nach Herkunft, immer ohne ausreichende Geldmittel, immer etwas übergewichtig und immer irgendwie auf der Suche.

      „Das kann jedem passieren, dass er ein Niemand wird“, sagte Wass Mato seinen Kritikern, die ihn ständig bedrängten, er solle doch das ärmere Volk nach draußen abschieben. Aber irgendwie hatte Wass Mato das seltsame Gefühl, dass gerade die notorisch zahlungsunfähigen Niemandsleute Flair in die Halle brachten und unter ihren langen Mänteln Produkte hereintrugen, die es weder in Thraxon, Primesora oder Lerasia zu kaufen gab.

      Von seinem gläsernen Büro in der Dachkuppel aus überblickte Wass Mato das gesamte Hallengeschehen. Unter seinen Füßen handelten die Leute, aßen, tranken, fuhren Achterbahn und stellten sich dar. Wass Mato war der unumschränkte Herrscher des Marktes. Er sammelte entflohene Niemandskinder ein, er schlichtete Handelsstreitigkeiten, er kaufte und verkaufte Informationen und er herrschte. Wass Mato war groß wie ein Lerasier, blass wie ein Primesorer, er war 40 Kilo zu schwer und seine stofflichen Hüllen ließ er alle ausnahmslos in Thraxon nach Individualmaß herstellen.

      Wass Mato war schon vier Mal angeschossen worden, er hatte schon ein ganzes Heer Primesorer vor der Halle warten lassen, bis alle Niemandsschwarzhändler durch dunkle Tunnel entwichen waren, und wenn ihm jemand eine besondere Information zukommen ließ, dann verkaufte er die auch schon mal an Thraxonische Lokalkorrespondenten. Die Thraxonischen Korrespondenten selbst hatten keinen Zutritt zur Markthalle. Auch ihre Filmteams nicht und ihre Bildreporter und ihre Marktforscher.

      Aber gerade so eine Horde Analysten sah Wass Mato durch die Halle drängeln. Sie verhielten sich zumindest ungefähr so, als ob sie niemanden an sich vorbeilassen wollten, ehe sie nicht ihre Fragen und Vermutungen losgeworden waren. Sie waren zwei Köpfe größer als normale Artesianer und angezogen, als hätten sie ihre Oberbekleidung aus einem Kostümverleih geholt. „Raumsicherheit!“, dachte Wass Mato verblüfft und zerbiss das Koffeindragee, das er sich für den ganzen Tag heute hatte einteilen wollte.

      Der Suchtrupp unten in der Halle indes kreiste einen Bereich ein, ließ die Leute nur nach genauer Kontrolle aus dem Kreis wieder heraus, dann lösten die Mitglieder ihre Formation aus unerklärlichen Gründen wieder auf und begannen das Spiel an einem anderen Platz aufs neue. Sie waren bewaffnet. Wass Mato runzelte die Stirn.

      In das Marktgeschehen kam Bewegung. Bestimmte Leute, die seltene Ware unter ihren Mänteln mitbrachten, flüchteten verschreckt. Wass Mato sah dem Treiben des Suchtrupps zu. Drei, vier, fünf Mal bauten sie ihren Kreis. Dann hatte er genug gesehen.

      „Hol’ mir den Hirnie her, der diese Horde befehligt!“, knurrte er einen seiner Mitarbeiter an. „Mach es erst mal auf die artige Tour! Verstanden! Damit hier nicht noch mehr Unruhe reinkommt!“

      Eine halbe Stunde später standen zwei besonders steife Lerasier in seinem Büro. Sie waren steifer, als Lerasier im allgemeinen sein sollten, und ihre Arme hatten eher was von Spinnengliedern als von richtigem Fleisch und Blut.

      „Ah, die Dame und der Herr von der Lerasischen Raumfahrtsicherheit!“, Wass Mato erhob sich aus seinem Sessel und ließ seine 130 Kilo wirken.

      „Womit kann ich Ihnen helfen? Wonach suchen Sie? Vielleicht hätten Sie vorher mal bei mir anfragen sollen, bevor Sie eine solche Unruhe in den Betrieb bringen!“

      Die beiden verständigten sich mit den Augen, dann nahm die Frau eine Scanner aus ihrer Tasche, richtete ihn durch den gläsernen Fußboden auf die Menge in der Halle, tastete damit den gesamten Raum unter ihnen ab und steckte das Gerät enttäuscht wieder ein.

      „Sie haben Recht“, sagte sie. „Wir hätten Sie bitten sollen, uns dieses Büro als Hauptquartier zu überlassen. Das tun wir hiermit. Ich fordere Sie auf, uns Ihren Kommandostand als Hauptquartier zu überlassen!“

      Wass Mato bohrte mit den Augen zwei Löcher in die blassen Wangen der Lerasierin. Die Blicke von 15 anwesenden Mitarbeitern versammelten sich auf seiner Person. Trotzdem wurde hier nie etwas so heiß gegessen, wie es aus der Mikrowelle kam.

      „Tut mir leid“, sagte er. „Das ist mein Büro, und kein Kommandostand. Hier wird kein Krieg geführt. Hier drin ist nur einer weisungsberechtigt, und das bin ich. Da, wo Sie stehen, ist vielleicht Lerasia, aber da, wo mein Stuhl steht, da ist Primesora und in Primesora gilt Ihre Lerasische Befehlsgewalt einen Schabenfurz.“ Er wies mit höflicher Geste auf die drei roten Striche, die sich im Boden des Büros vereinigten, diese drei Striche markierten die Grenzen, und in einer Ecke kicherte jemand.

      „Dann werden wir kraft unserer Befehlsgewalt den gesamten Lerasischen Teil der Halle räumen lassen.“

      „Wieso nur?“, fuhr Wass Mato auf. „Warum wollen Sie unsere Arbeit ruinieren?“

      „Das wäre ein angenehmer Nebeneffekt. Wie regeln Sie das überhaupt mit der allgemeinen und der speziellen Hygiene? Ich vermute, indem Sie den zuständigen Inspektor regelmäßig mit Sen vergiften.“ Sie lächelte mehrdeutig. Dann wurde sie wieder ernst. „Nein, wir suchen jemanden.“

      Wass Mato fuhr auf: „Warum sagen Sie das nicht gleich? Wie sieht er aus, wie heißt er, wo kommt er her? In einer Stunde liefere ich Ihnen das Objekt Ihrer Begierde schlüsselfertig am Lerasischen Tor ab. Und Sie verschwinden dann! Verstanden!“

      Die Frau lächelte wehmütig.

      „Es ist offensichtlich eine Sie. Sie hat keinen Namen. Jedenfalls wissen wir noch keinen. Sie verändert ihr Aussehen schneller, als es unsere Spezialisten wahr haben wollen. Das einzige Mittel, um sie definitiv zu lokalisieren, ist dieser Scanner. Aber wenn Sie den Scanner bei sich tragen, dann lokalisiert Sie sie sofort als einen Verfolger und verdunstet im wahrsten Sinne des Wortes. Aber sie verlässt die Halle nicht. Wir haben sie von Simapi bis hierher verfolgt, und wollten sie in unbewohntes Gebiet abdrängen, aber sie lässt sich nicht abdrängen. Wir müssen sie aber isolieren und festsetzen. Wir müssen die Halle räumen. Wir sollten sofort beginnen.“

      Wass Mato maß mit den Augen die beiden langarmigen Lerasier. In ihren dunkelblauen Uniformen, in ihren harten Augen steckte die personifizierte Jagdlust. Einkreisen und festnehmen, das war das Einzige, was diese Leute offenbar konnten. Sie steckten in den Kinderschuhen und führten sich auf, als würden ihre Waffen und Uniformen sie zu erwachsenen

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