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mit fünfzehn schon alles erlebt, was andere ihr ganzes Leben nicht erleben wollen, ich hasse mich für diese Zeit und ich wünschte alles wäre anders gekommen. Mein Vater entschied sich für ein Mädcheninternat in der Schweiz. Tausende Kilometer von meiner Familie und meinen Freunden entfernt. Es war keine Strafe mehr für mich weg zu müssen, ich war einfach nur froh alles hinter mir lassen zu können, manchmal wünschte ich mir einzuschlafen und nicht wieder aufwachen zu müssen, ich hatte mein Leben aufgegeben. Ich war so voller Schmerz, Wut und Traurigkeit ich hatte alle verloren die ich liebte und die mich lieben habe ich enttäuscht und verletzt. Trotzdem lebte ich mich dort langsam ein und meine Ausbildung zur Hebamme hat mir so viel Freude bereitet, dass ich wieder zurück ins Leben fand. So verbrachte ich viele Jahre in der Schweiz. Erst mehr als zwölf Jahre später war ich nach einer gescheiterten Beziehung mit einem Arzt, der mir erfolgreich verschwieg dass er verheiratet ist, bereit wieder zurück zu kehren. Angekommen bin ich aber noch immer nicht, immer wieder das Gefühl etwas fehlt in meinem Leben.

      Nach dem Essen brauche ich ein bisschen frische Luft und spaziere die Siedlungsstraße entlang, mein Vater ließ sich nicht abwimmeln mich zu begleiten. Wir gehen wortlos die Straße hinunter. Im Novemberwind fallen die letzten Blätter von den Ahornbäumen die die Straße säumen.

      „Willst du dir vielleicht nicht doch überlegen das Studium für Pränatalmedizin anzufangen? Ich glaube das wäre wirklich etwas für dich.“

      „Du wirst deine Hoffnungen dass ich in deine Fußstapfen als Ärztin trete leider über Bord werfen müssen.“

      Ich schüttle vehement den Kopf. Er schnauft tief durch, wohlwissend das ich mir nicht viel einreden lasse und ändert das Thema.

      „Ich freue mich schon auf Weihnachten. Es wird bestimmt wieder schön wenn wir alle gemeinsam die Feiertage verbringen.“

      Daran hab ich gar nicht mehr gedacht. Wir fahren schon seit vielen Jahren gemeinsam mit Lizzy, Matt und deren Eltern gemeinsam in den Weihnachtsurlaub, das ist ein Fixpunkt im Terminkalender, mittlerweile ist natürlich auch Andy mit dabei. Ich finde das eigentlich immer ganz schön. Landhausidylle an einem romantischen See, es fühlt sich immer so altmodisch an, aber gemütlich.

      „Ja, das wird bestimmt wieder lustig und ich hoffe es schneit uns in diesem Jahr nicht wieder so ein, da,s wir eine Zwangsverlängerung wie im letzten Jahr einlegen müssen.“

      Da muss sogar mein Vater schmunzeln. Als wir zurückkommen hat Alice bereits Kaffee gemacht und es gibt frische Kekse. Sie ist wirklich eine gute Köchin, ich bin mir zwar nicht sicher, ob sie das alles nur macht um mir zu imponieren und meine Zuneigung zu gewinnen, oder ob sie es wirklich gern macht. Irgendwie kann ich meinen Vater verstehen, Alice ist eine wunderschöne, gebildete Frau. Es scheint sie hat immer alles im Griff. Ihre roten Haare sitzen stets perfekt, egal um welche Uhrzeit. Ihre Kleidung ist immer makellos und elegant, ich glaube sie schläft sogar perfekt gestylt, sie ist so stilvoll. Auch wenn es die Etikette vermutlich nicht erlaubt, kann ich es mir nicht verkneifen auf mein Handy zu schauen, aber das verhält sich ruhig, keine Anrufe.

      „Sehen wir uns nächste Woche?“, fragt mich mein Vater als ich in meinen Mantel schlüpfe.

      „Ich weiß noch nicht Dad, wir sehen uns ohnedies im Krankenhaus. Ich gebe dir Bescheid.“

      Wir verabschieden uns und gerade als ich ins Auto steigen will höre ich mein Handy piepsen.

       Max: Ich bin gut gelandet, aber leider herrscht hier das totale Chaos. Da ich nicht einschätzen kann wie die Gespräche verlaufen, wollte ich mich noch bei dir melden. Ich rufe dich an sobald es möglich ist. Ich hoffe es dauert nicht mehr lange bis ich dich sehe. Max.

      Ich schreibe gleich zurück.

       Du machst das schon. Melde dich einfach wenn du Zeit hast. Bis dann. Luisa

       Max: Melde mich so schnell ich kann .Kuss Max.

      Als ich zu Hause ankomme ist es draußen schon fast dunkel. Neben meinem Schrank am Boden stehen meine schwarzen High Heels. Ich glaube wir werden doch noch gute Freunde, meine Heels und ich, zumindest scheinen sie einen guten Eindruck hinterlassen zu haben, ich werde sie jetzt wohl öfter tragen.

      Kapitel 5

      Montag. Heute war ein richtiger Montag. Es war von Dienstbeginn bis Dienstschluss nichts so wie es sein soll. Zuerst habe ich fast verschlafen, dann gab es aus unerklärlichen Gründen kein Warmwasser und ich musste kalt duschen. Auch im Krankenhaus lief nichts so wie es sollte. Außerdem habe ich bis jetzt noch nichts von Max gehört. Ich hoffe das ist kein schlechtes Zeichen. Jetzt bin ich zu Hause und packe meine Tasche zum Schwimmtraining. Darauf hab ich zwar auch keinen Bock, aber es muss ein, die Bewegung wird mir gut tun. Ich schwimme lustlos meine Längen und habe das Gefühl nicht von der Stelle zu kommen, jedes Tempi kostet mich Kraft. Montags trainiere ich immer im Team. Ich absolviere zwar keine Wettkämpfe zum Leidwesen meines Trainers, aber dazu habe ich keine Lust, ich will mich nicht mehr mit anderen messen. Meine Mutter war in ihren jungen Jahren eine sehr begabte Leistungsschwimmerin und hat mich bereits früh mit dem Sport vertraut gemacht, mit dem Erfolg, dass ich mit zwölf Jahren Jugendmeisterin in meiner Klasse wurde. Hätte eine gute Sportlerin aus mir werden können, aber nach dem Tod meiner Mutter hat mir das nichts mehr bedeutet. Jetzt mache ich es nur mehr für mich und vielleicht ein bisschen für meine Mum.

      „So Mädels, Schluss für heute. Luisa, alles ok bei dir? Heute nicht deine Bestform…“

      Mein Trainer ist grundsätzlich nie zufrieden, aber heute muss ich ihm beipflichten, nicht meine beste Leistung, ich fühle mich nicht fit. Nach einer langen heißen Dusche ist mir noch immer kalt und ich liege schon früh im Bett. Lizzy hat Nachtdienst und Andy ist wieder unterwegs im Dienste der Telekommunikation. Immer noch keine Nachricht von Max. Ich bin eigentlich nicht der Typ der so darauf wartet, aber diesmal scheint alles anders zu sein. Ich werfe noch einmal einen Blick aufs Handy, bevor ich meine Nachtischlampe ausknipse. Nichts. Hoffentlich habe ich mich nicht komplett in ihm getäuscht und er hat inzwischen gemerkt, dass ich nicht zu ihm passe. Mist, genau das wollte ich nicht, mir ständig Gedanken machen müssen. Ich darf mich da nicht so hineinsteigern. Auch wenn ich erschöpft bin dauert es lange bis ich einschlafen kann. Ich wälze mich hin und her, aber irgendwann besiegt mich die Müdigkeit, als mich plötzlich das Läuten meines Handys aus einem Albtraum reißt. Ich bin im Traum ins Wasser gefallen und bekomme keine Luft, ich kann nicht atmen, ich habe das Gefühl gleich zu ersticken. Ich brauche ein paar Sekunden, bevor ich abheben kann.

      „Ja…“

      Ich kann kaum sprechen, mein Herz klopft mir bis zum Hals und ich bin schweißgebadet.

      „Luisa?“

      „Ja.“

      Ich atme hörbar tief durch, langsam bekomme ich wieder Luft.

      Alles in Ordnung bei dir?“

      „Ja… ich glaube schon.“

      Meine Stimme ist leise und zittrig.

      „Du klingst aber nicht als ob es dir gut geht?“

      Er hört sich sehr besorgt an, daher versuche ich ihn zu beruhigen.

      „Es geht schon wieder, ich hatte gerade einen schlimmen Traum, aber du hast mich jetzt zum Glück geweckt.“

      „Entschuldige ich wollte dich nicht wecken, aber in dem Fall war es wohl gut. Ich hatte Probleme mit dem Handy, sonst hätte ich mich schon früher gemeldet, ich dachte du bist bestimmt noch wach.“

      Ich blicke auf meinen Wecker, es ist erst kurz nach 22 Uhr.

      „Für gewöhnlich bin ich das auch, aber ich war einfach so müde.“

      Ich fühle mich so erschöpft, als hätte mich ein Panzer im Schlaf überrollt.

      „Ist wirklich alles in Ordnung Luisa? Du klingst gar nicht gut. Was hast du denn geträumt?“

      „Mach dir bitte keine Sorgen, es geht mir gut, es war einfach

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