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Majestät und jetzt dies! Man muß meinen, unter die Barbaren geraten zu sein. Und ich habe diesen Kerl noch gewarnt!“

      Er zog den Geiernasigen an den Stiefeln aus dem zerborstenen Spiegel. Pater David umwickelte den Kopf des Kerls mit einer langen weißen Binde, bis er wie eine Mumie aussah, wie Carberry mißbilligend feststellte. Seit ihrer Nilreise hatte er etwas gegen Mumien. Die Mumie durfte weiter den Fußboden abhorchen.

      „Ich schlage vor“, sagte Hasard zu Don Ramón, „Sie delegieren diese letzte Aufgabe an den Zweiten Bürgermeister, der mir dafür geeigneter erscheint als dieser Señor Jimeno.“

      Der Zweite Bürgermeister sprang sofort auf, verbeugte sich vor Hasard und sagte: „Es wird mir eine Ehre sein, diese Order zu übernehmen.“

      „Ich habe nichts dagegen“, sagte Don Ramón und nickte dem Zweiten zu. „Aber beeilen Sie sich.“

      „Sehr wohl, Señor Gouverneur.“ Der Zweite Bürgermeister eilte hinaus.

      Hasard winkte den wie Salzsäulen dastehenden Lakaien zu und sagte freundlich: „Ich habe nichts dagegen, wenn Sie den ehrenwerten Señores dieser Ratsversammlung ein Gläschen Wein einschenken, zumal ich die Absicht habe, auf Ihrer aller Wohl zu trinken!“

      Die Lakaien flitzten und spielten Mundschenk. Das leise Klingen von Gläsern tönte durch den Saal und stimmte friedlich. Es gluckerte aus Kristallkaraffen, roter Wein floß in die funkelnden Gläser.

      Als alle versorgt waren, hob Hasard sein Glas und sagte: „Señores, der elfte Vers im zweiundsechzigsten Psalm lautet: ‚Verlasset euch nicht auf Unrecht und Frevel, haltet euch nicht zu solchem, das eitel ist; fällt euch Reichtum zu, so hänget das Herz nicht dran.‘ Über diese Worte sollten Sie nachdenken. Ich trinke auf Ihr Wohl!“

      Hasard trank, und sie taten ihm Bescheid. Pater David und Pater Aloysius lächelten versteckt. Die ehrenwerten Señores waren sehr verwirrt, betroffen oder gar nachdenklich.

      Es wurde geklopft, und Carberry öffnete.

      Der Stadtkommandant erschien, salutierte und meldete: „Truppe wie befohlen abmarschbereit auf der Plaza angetreten.“

      „Danke, Don Alfonso“, sagte Don Ramón zu dem knebelbärtigen Mann. Er drehte sich zu Hasard. „Möchten Sie eine Musterung vornehmen, Señor Großadmiral?“

      „Genau das“, erwiderte Hasard. „Die Señores der Ratsversammlung mögen sich nach Hause verfügen und ruhig verhalten. Der Señor Jimeno wird bei uns bleiben.“

      Damit war die Ratsversammlung aufgelöst.

       7.

      Jean Ribault, Karl von Hutten und die beiden Padres blieben bei dem Dicken und der „Mumie“ auf der Treppe vor der Residenz. Es tat sich schon allerlei – Büttel zogen Karren, beladen mit Säcken und Kisten, von der Münze zur Residenz und in den Innenhof. Andere Bedienstete schleppten Lebensmittel heran. Sonst hatten sich die Straßen bereits deutlich geleert. Die Läden vor den Fenstern waren geschlossen worden. Eine ungewohnte Stille lag über der Stadt.

      Die Truppe – an die hundert Mann oder mehr – stand mit Front zur Residenztreppe.

      Hasard ging mit Carberry und dem Stadtkommandanten langsam an der Front entlang und musterte die Männer aus harten Augen.

      Vor einem Teniente blieb er stehen und blickte ihn scharf an.

      „Name?“ fragte er.

      „Alvaro Gomez.“

      Hasard trat etwas zurück und legte die Hände auf den Rücken.

      „Der Stadtkommandant hat Sie über die Order des Gouverneurs informiert?“ fragte er.

      „Ja, wir sollen nach Sucre marschieren und dort auf weitere Order warten.“

      „Richtig, was noch?“ Hasard wippte auf den Ballen.

      „Äh – Schuß-, Hieb- und Stichwaffen sollten in der Garnison bleiben“, sagte der Teniente.

      „Und? Haben Sie noch Waffen bei sich?“

      „Ich? Nein, ich habe keine Waffen bei mir. Ich pflege Befehle zu befolgen.“

      Es war die alte Weisheit: Menschen mit unruhigen Augen, die dem festen Blick des anderen ausweichen, haben etwas zu verbergen, ein schlechtes Gewissen oder führen etwas im Schilde.

      Hasard nickte Carberry zu und sagte in der englischen Sprache: „Durchsuch ihn, Ed. Und wenn du etwas findest, dann kannst du mit ihm Schlitten fahren. Ich wette, daß er mich belogen hat.“

      „Mal sehen“, knurrte der Profos, trat auf den Teniente zu und begann ihn von oben abzutasten.

      Plötzlich fuhr seine Hand in den Koller. Als er sie zurückzog, hatte er eine kleine Pistole in der Hand. Er warf die Waffe hinter sich, geradezu lässig und gleichgültig.

      „Einer, der Befehle zu befolgen pflegt, eh?“ sagte er verächtlich. „Ein Sprücheklopfer und ein Lügenmaul, wie?“

      Der Teniente schwoll rot an. „Wie sprechen Sie denn mit mir, Sie – Sie ungehobelter Flegel? Ich bin Offizier!“

      „Ach ja? Ist das was Besonderes oder wie?“ höhnte Carberry.

      „Wenn ich meinen Degen hätte, würden Sie tanzen, Kerl!“ schnarrte der Teniente.

      „Wie wär’s denn mit den Fäusten – Offizier Lügenmaul?“ Carberry trat etwas zurück. „Komm her, zeig’s mir mal, damit deine Leute sehen, was du für ein tapferes Kerlchen bist. Schau mal, sie grinsen schon! Sie lachen über ihren aufgeblasenen Offiziersgockel!“

      Der Teniente, blind vor Wut, sprang vor und landete Vierkant im berühmten „Profos-Hammer“, der von unten gegen sein Kinn krachte, so daß er vom Boden abhob, die Flugbahn einer trägen Rakete beschrieb und wieder zur Landung auf dem Pflaster der Plaza ansetzte.

      Der Aufprall schüttelte den Teniente durch und war recht unsanft. Carberry beachtete ihn nicht weiter. Er hatte die Fäuste in die Hüften gestemmt, stand breitbeinig da und musterte aus schmalen Augen die Soldaten. Denen verging das Grinsen ziemlich schnell.

      „Freut euch nicht zu früh, ihr Rübenschweine“, warnte er. „Ihr seid auch noch dran!“

      Da und dort zwischen den Reihen klirrte plötzlich etwas zu Boden.

      „Halt!“ zischte Carberry scharf.

      Die Soldaten erstarrten.

      Hasard musterte aus eisigen Augen den Stadtkommandanten, der zusehends einschrumpfte, und fragte: „Ist es bei Ihren Offizieren üblich, die Befehle des Gouverneurs zu umgehen oder zu mißachten, Don Alfonso?“

      „Der – der Teniente Gomez war – war bestimmt eine Ausnahme“, stotterte der Stadtkommandant bleich, und die Spitzen seines Knebelbarts zitterten wie Espenlaub im Wind. „Ich – ich werde den Teniente für seine Insubordination bestrafen.“

      „Eine Ausnahme, wie?“ fragte Hasard spöttisch. „Wollen Sie mich für dumm verkaufen?“ Er zog die Pistole und richtete sie auf den Stadtkommandanten. Sein eisiger Blick flog über die Soldaten. „Vortreten, wer noch eine Waffe hat! Oder es knallt, und Sie können Ihren Stadtkommandanten zu Grabe tragen!“

      Es waren zwanzig Soldaten, die mit bleichen Gesichtern vortraten.

      „Waffen heraus und fallen lassen!“ befahl Hasard.

      Sie gehorchten. Wieder klirrte es. Zum größten Teil waren es Messer, darunter aber auch drei Pistolen.

      Der Teniente hatte sich aufgerappelt und irrte quer über die Plaza, als habe er die Richtung verloren. Carberry sah, daß er schielte. Er holte ihn sich, packte ihn hinten am Kragen und schleppte ihn zum Brunnen. Dort nahm der Teniente ein Bad. Carberry tunkte ihn kräftig hinein, bis der Teniente nicht mehr schielte, dafür aber zitterte und schlotterte.

      „Wollen

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