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Seewölfe Paket 23. Roy Palmer
Читать онлайн.Название Seewölfe Paket 23
Год выпуска 0
isbn 9783954397822
Автор произведения Roy Palmer
Жанр Языкознание
Серия Seewölfe - Piraten der Weltmeere
Издательство Bookwire
Hasard hatte für solche Typen einen sicheren Blick. Ganz abgesehen davon sah der Kerl verschlagen aus. Aber zur Zeit überwog die Angst, das war nicht zu verkennen. Er blickte immer wieder zu Carberry, der als grimmiger Wächter an der Tür stand, ein wüster Koloß mit der Kraft von ein paar Ochsen. Keine Frage, der Profos verschreckte die ehrenwerten Señores, insbesondere den dickbäuchigen Bürgermeister.
Don Ramón wandte sich dem Mann zu und sagte: „Sie, Don Carlos, sorgen dafür, daß im Hof der Residenz Tische aufgestellt werden – und natürlich Stühle. Die Tische sind reichlich zu decken – mit allen verfügbaren Lebensmitteln: Obst, Brot, Braten, Käse, Wurst und so weiter. Der Señor Küchenmeister, den ich zu Ihrer Verfügung befehle, möge eine kräftige Hühnersuppe kochen und im Hof bereitstellen, dazu das notwendige Geschirr und Besteck …“
„Ah, die Señores wünschen im Hof zu speisen, nicht wahr?“ unterbrach ihn der Bürgermeister und schmatzte mit den dicken Lippen.
„Irrtum“, sagte Don Ramón frostig. „Nicht die Señores werden dort speisen, sondern die Indios aus dem Berg.“
„Äh!“ Der Bürgermeister wirkte, als habe ihm jemand einen Scheuerlappen um die Ohren gehauen. „Die – die Indios?“
„Die Indios!“ brüllte der Dicke und regte sich fürchterlich auf. „Ist das so absonderlich? Sie sollen sich satt essen, bevor sie entlassen werden. Und es muß genug da sein, daß sie auch noch Lebensmittel mitnehmen können.“
Der Bürgermeister schien kurz vor einem Schlaganfall zu stehen, auch die Señores des Stadtrates wurden unruhig und begannen zu tuscheln.
Carberry rückte wuchtig ein paar Schritte vor, in seiner Rechten schlenkerte das Entermesser. Sein wilder Blick streifte die ehrenwerten Señores.
Er sagte – und seine Stimme war fast leise und zufrieden: „Ist hier einer, dem das nicht paßt? Das würde mich freuen, denn dann könnte ich einmal ausprobieren, ob dieses Messerchen scharf genug für eine Rasur ist. Ich habe es heute morgen extra für diesen Zweck noch einmal geschliffen. Aber ich werde die Rasur an der Kehle ansetzen – hier!“ Und er setzte das Messer an seine bärtige Gurgel, zog es scharf nach unten und rasierte sich mit einem einzigen sauberen Schnitt den Hals frei. Wie abgehackt sah die Stelle aus, wo er das Messer angesetzt hatte. Wenn er ein bißchen geblutet hätte, wäre die Demonstration noch fürchterlicher gewesen.
Aber sie reichte auch so. Da waren nicht wenige Señores, deren Gesichter die gewisse grünliche Verfärbung angenommen hatten. Einige hatten unwillkürlich an ihre Hälse gegriffen, als müßten sie sich überzeugen, ob die noch heil und ohne Schnitt waren. Der Bürgermeister röchelte und preßte die Hand aufs Herz.
Hasard beobachtete scharf. Carberrys Spiel mit dem Entermesser war hervorragend. Schon im Ansatz hatte er mit seiner Darstellung und Redeweise das erstickt, was wie der schwache Versuch einer Entrüstung ausgesehen hatte. Die Señores kuschten. Ein Schnitt durch den Hals – die Vorstellung davon – erstickte jegliches Aufbegehren.
Und Don Ramón? Hätte er die Situation nicht nutzen können?
Don Ramón fixierte den würgenden Bürgermeister aus kalten Augen und sagte höhnisch: „Wenn Ihnen etwas fehlt, Don Carlos, dann ist es mir nur recht, auf Ihre Mitarbeit zu verzichten und unserem Zweiten Bürgermeister Ihre Aufgaben zu übertragen.“ Er ruckte mit dem Kopf nach links, wo der Zweite Bürgermeister saß, ein Mann mit einem knochigen Gesicht, das zwar mürrisch wirkte, jetzt jedoch eine freudige Erwartung auszudrücken schien.
„Señor Gouverneur?“ fragte er ein bißchen ölig.
„Sind Sie“, sagte Don Ramón, „bereit, das Amt des offenbar kranken Bürgermeisters zu übernehmen und meine Befehle auszuführen?“
„Es ist mir eine Ehre, Señor Gouverneur“, sagte der Zweite Bürgermeister und verbeugte sich im Sitzen.
Er war kaum wieder mit dem Kopf hoch, da sprang Don Carlos, der erste, auf und schrie: „Nein! Ich bin nicht krank! Ich war schon immer dafür, die – äh – Indios im Berg besser zu verköstigen, um ihnen die schwere Arbeit zu erleichtern. Nur …“
„… nur zweigten Sie von den königlich festgesetzten Rationen ganze drei Viertel ab, kassierten sie für Ihre eigene Haushaltsführung oder verteilten sie an Ihre Günstlinge“, ergänzte Don Ramón mit einem niederträchtigen Grinsen.
Siehe da! dachte Hasard. Hier wird jetzt schmutzige Wäsche gewaschen! Und der Dicke scheint dem Bürgermeister spinnefeind zu sein. Sicher, ein Bürgermeister kann zum Provinzgouverneur aufrücken, und vielleicht hatte dieser Don Carlos das begehrte und einträgliche Amt schon lange angepeilt – zum Mißbehagen des Don Ramón.
Warf der Bürgermeister jetzt dem Dicken vor, daß dieser ihm – was die Bereicherung betraf – immer ein gutes Vorbild gewesen sei?
Nein, er zog den Schwanz ein, bangend darum, vom zweiten Bürgermeister ersetzt zu werden, und sagte mit bebender Stimme: „Ich führe Ihre Befehle selbstverständlich aus, Señor Gouverneur. Das ist mir eine Ehrenpflicht, denn ich stehe loyal zu Ihnen und zu unserer verehrten Majestät dem König!“ Und sein Kopf bewegte sich ruckartig zu der Stelle, wo er gewohnt war, den Allerkatholischsten zu sehen, der aus Alabaster melancholisch seit über zehn Jahren in den Saal blickte. Nur war dessen Büste jetzt ja weg, und der Alabasterkopf hatte einen Platz im Kamin gefunden.
„Äh!“ sagte der Bürgermeister irritiert.
Don Ramón nickte ihm zu und wedelte mit der rechten Hand.
„Dann sputen Sie sich, Don Carlos“, sagte er kalt, „und seien Sie versichert, daß ich geheime Dossiers über Sie habe, die Ihnen das Genick brechen werden, sollten Sie es wagen, meinen Befehlen zuwiderzuhandeln.“
Auch dieser Mensch wankte zur Tür, verfolgt von den Blicken der Runde. Über das Froschgesicht des Don Ramón geisterte ein verstecktes triumphierendes Grinsen.
Don Carlos’ Schritte wurden langsamer, je näher er Carberry rückte.
Der ruckelte mit dem rechten Zeigefinger und sagte: „Hol mal die Pistole raus, die du unter deinem Bauch versteckt hast, mein Dickerchen!“
Don Carlos fischte mit spitzen Fingern nach der Waffe, die vom über den Bauch hängenden Wams fast verdeckt wurde, und reichte sie mit dem Griff voran Carberry.
„Bitte sehr, Señor“, sagte er mit schon fast ersterbender Stimme. „Wirklich, ich hätte nie gewagt, damit zu schießen – äh –, und ich verabscheue auch den lauten Knall.“
„Soso“, sagte Carberry und besichtigte den Pistolengriff von beiden Seiten.
Hier war wohl derselbe Silberschmied am Werk gewesen – nur auf andere Weise, denn auf den beiden Griffschalen verlustierten sich lediglich weibliche Wesen, und dies wiederum sehr eindeutig.
Carberry blickte auf und ließ die Pistole achtlos fallen. Als sie auf den Mosaikboden klirrte, versetzte er der Waffe einen Tritt, und sie schepperte in Richtung des Kamins.
In seinen grauen Augen glitzerte Wut, als er quer durch den Saal hinüber zu Hasard schaute.
„Großmeister“, sagte er wild, „diese Ferkel und Säue kotzen mich allmählich an. Die lassen sich silberne Schweinereien in ihre Pistölchen einarbeiten, und dafür müssen die armen Kerle im Berg verrecken, sich schinden, peitschen oder von Bestien zerfleischen lassen. Das mußt du dir mal vorstellen! Dieses perverse Vieh hier sollte aufgehängt werden – oben an die Kirchturmspitze, damit es alle sehen!“
Carberry hatte die englische Sprache benutzt, und in derselben Sprache erwiderte Hasard: „Dreh jetzt nicht durch, Ed! Sie sind alle einander wert, der eine wie der andere. Aber wir sind hier wegen der Indios, nicht um Selbstjustiz zu üben. Wir sind nicht deren Richter.“
„Verstanden“, sagte Carberry mühsam und brüllte den Bürgermeister an: „Hau ab, du Strolch!“ Gleichzeitig riß er die Tür auf.
Don Carlos entfloh