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Seewölfe Paket 23. Roy Palmer
Читать онлайн.Название Seewölfe Paket 23
Год выпуска 0
isbn 9783954397822
Автор произведения Roy Palmer
Жанр Языкознание
Серия Seewölfe - Piraten der Weltmeere
Издательство Bookwire
„Wenn du jetzt losheulst, kriegst du eine geschmiert!“ drohte Carberry – und grinste freundlich. Das heißt, seine Bartlandschaft verzog sich unregelmäßig, und er zeigte sein tadelloses Gebiß, in dem vorn nur eine einzige Lücke klaffte – Erinnerung an die erste wüste Begegnung mit Philip Hasard Killigrew im Jahre des Herrn 1576.
Hasard hüstelte verhalten und warf seinem Profos einen Blick zu, der besagte, jetzt die Rolle des Wüterichs etwas zu zähmen. Dann instruierte er den Dicken, der ergeben lauschte und sich dabei in einem Schwitzbad befand. Der Schweiß, der über sein teigiges Froschgesicht perlte, zeigte es. Er mußte viel wischen.
Hinterher examinierte ihn Hasard, und da stellte sich heraus, daß der Dicke doch ein recht gutes Gedächtnis hatte.
„Sie können sich auf mich verlassen, Señor Großadmiral“, sagte er tapfer.
Dafür empfing er von Pater Aloysius ein kräftiges Schlückchen vom heiligen Wässerchen des Herrn, das der Mann aus Tirol aus verschiedenen Kräutern gebraut hatte, und auf das der Profos so scharf war. Er meinte zwar, da würden „bei dem Speckfaß“ Perlen vor die Säue geworfen, aber er konnte nicht leugnen, daß der Dicke von dem Wässerchen etwas aufgemöbelt wurde und seiner bevorstehenden „Mission“ durchaus männlich ins Auge blickte – auch wenn er einen Schluckauf hatte.
Etwa zwanzig Minuten vor Beginn der Ratsversammlung brachen Hasard, Jean Ribault, Karl von Hutten und Carberry auf und begleiteten den ehrenwerten Gouverneur zu seiner Residenz. Pater Aloysius und Pater David, beide in ihren Kutten als Dominikaner erkenntlich, flankierten den Dicken, ihn freundlich stützend, um ihm den schweren Gang zu erleichtern. Jedoch hielt sich der Dicke erstaunlich wacker. Zweifellos war dies eine Wirkung des „heiligen Wässerchens“.
Wie am Vortag Hasard und Pater Aloysius, so betrat auch jetzt die Gruppe von Westen her die Stadt und marschierte über die Calle Ayacucho in Richtung der Plaza. Schon die erste Begegnung mit Bürgern verlief günstig, denn der Señor Gouverneur scheuchte sie weg wie lästige Fliegen.
Dennoch sprach es sich wie ein Lauffeuer herum, der Erlauchte kehre aus Miraflores zurück, merkwürdigerweise ohne Sänfte und daher zu Fuß, begleitet von zwei Dominikanern und vier bärtigen Männern. Und recht angegriffen sehe er aus und sei auch recht ungehalten.
Vor der Plaza tauchte eine Streife Stadtgardisten auf und versperrte der Gruppe den Weg. Hasard biß die Zähne zusammen und brachte die Rechte in die Nähe seiner Pistole. Wie würde sich der Dicke verhalten? Das war jetzt die Generalprobe.
Prächtig verhielt sich der Señor Gouverneur, ganz prächtig.
Er ranzte die Stadtgardisten an, gefälligst seinen Weg zur Residenz abzuschirmen und dafür zu sorgen, daß er nicht dauernd mit dummen Fragen belästigt werde.
Das wirkte. Die Stadtgardisten spritzten auseinander und übten sich in Begleitschutz. Sehr schön war das, und sie setzten auch ihre Schlagstöcke ein, um dem Señor Gouverneur zu zeigen, wie ernst sie ihren „Ehrendienst“ für die Sicherheit des Erlauchten nahmen.
„Platz für den Señor Gouverneur!“ brüllten sie. „Weg da, Leute! Fort mit euch!“
Nein, sie ahnten nichts, überhaupt nichts. Hauptsache, der Gouverneur war wieder da, wenn auch zu Fuß und in ungewohnter Begleitung, aber allein die beiden Padres bürgten dafür, daß alles seine Ordnung hatte.
Am Portal der Kathedrale stand Pater Augustin und vergaß den Rosenkranz in den Händen. Nur seine Finger drehten unabhängig von seinen Gedanken an den Kügelchen – indessen nicht zum Abzählen der Gebete, sondern als Ausdruck seiner inneren Erregung.
Mein Gott, dachte er, sie haben das Unmögliche geschafft, diese fremden Männer. Sie haben den Teufel in ihrer Gewalt – als Geisel, wie es der schwarzhaarige, bärtige Riese mit den eisblauen Augen geplant hatte. Es war nicht zu fassen. Und natürlich: sie mußten es gewesen sein, die in der Nacht den Pulverturm gesprengt und auch die widerlichen Bestien getötet hatten.
„Herr, es ist gut, daß du ihnen beigestanden hast“, murmelte Pater Augustin.
Neben Pater Augustin stand der Prior, ein dicklicher Mensch mit einem weißen Haarkranz und rosigen Wangen. Er blickte den Pater indigniert an. „Was sagst du da, Bruder? Wem hat der Herr beigestanden?“
„Den Gerechten“, erwiderte Pater Augustin hintergründig.
„Du sprichst in Rätseln, Bruder“, rügte der Prior.
Er erhielt keine Antwort, denn Pater Augustin eilte zur Plaza, um sich um einen Hund zu kümmern, der gewagt hatte, den Weg des erlauchten Gouverneurs zu kreuzen. Für diese unerhörte Respektlosigkeit war er von einem Stadtgardisten mit einem Fußtritt bestraft worden, der ihn böse getroffen haben mußte, denn er lag schmerzjaulend neben dem Plaza-Brunnen.
Elf Glockenschläge vom Turm der Kathedrale hallten über die Stadt. Die Gruppe betrat über die breiten Treppen die Residenz, an den Türen dienerten Lakaien, ein zickiges Männchen eilte ihnen entgegen, sehr elegant nach letzter spanischer Hofmode gekleidet, sehr bleich und sehr erregt.
Für einen kurzen Moment stoppte die Gruppe.
„Mein Zeremonienmeister“, sagte der Dicke unwillig. Er hatte sich zu Hasard umgedreht.
„Wird heute nicht gebraucht“, entschied Hasard.
Der Dicke nickte, Wandte sich wieder um, schnickte mit den Fingern und befahl: „Verschwinde!“
„Der – der Pulverturm ist heute nacht …“
„Verschwinde!“ schrie der Dicke das Männchen an. „Hinaus, du Schlüssellochgucker!“
Das Männchen zuckte zusammen und entfleuchte. Hasard grinste unwillkürlich. Um durch Schlüssellöcher zu spähen, mußte sich das Männchen schon auf die Zehenspitzen stellen oder auf einen Hocker steigen.
Sie marschierten in einen Prunksaal. Um einen auf Hochglanz polierten länglichen Tisch mit vergoldeter Zierleiste und gedrechselten Beinen, die unten in Tatzen mündeten und oben mit goldenen Löwenköpfen geschmückt waren, saß die ehrenwerte Runde der Stadtväter und Ratsmitglieder: der Bürgermeister mit seinem Gefolge, der Stadtkommandant, der Polizeipräfekt, der Bergwerksdirektor, der Stadtkämmerer, der Vorsteher der Münze und die verschiedenen Ratsherren.
Nun ja, sie saßen da wie ihre eigenen Denkmäler, und es waren sehr dumme Denkmäler, weil sie offene Münder hatten und ihre Augen beängstigend groß geworden waren, noch größer als das Gelbe im Spiegelei.
Was sich indessen bewegte, das waren ihre perückenbestückten Köpfe, die den Weg des Erlauchten zum Gouverneursthron begleiteten, als würden sie an einer Schnur gezogen.
Der Thron, ein Prunkstück spanischer Handwerkskunst, stand an der einen Schmalseite des großen Tisches, auf dem zehn Paare getrost einen Reigen hätten tanzen können, ohne befürchten zu müssen, hinunterzufallen.
Der Dicke sank auf seinen Thron, die beiden Padres traten zurück, ihren Platz nahmen zwei der bärtigen Fremden ein. Der eine war ein schwarzhaariger Riese mit Augen, die wie bläuliches Gletschereis schimmerten, der andere ein schlanker Mann mit breiten Schultern und einem verwegenen Gesicht.
Gelassen zogen sie ihre Pistolen und richteten sie wie von ungefähr auf den Señor Gouverneur.
Ein Ungeheuer von Mann mit einem Rammkinn schmetterte die Tür zum Saal zu, baute sich davor auf und spielte mit einem Entermesser.
Dieses Ungetüm wirbelte jedoch plötzlich herum, riß die Tür mit einem Ruck wieder auf – und herein stolperte das Männchen Zeremonienmeister, den Kopf noch vorgereckt, als klebe er am Schlüsselloch.
„Buh!“ machte das Ungeheuer, knallte die Tür wieder zu und wischte das Männchen von den Füßen. Es sauste über den hübschen Mosaikboden, zwischen den gegrätschten Beinen eines Lakaien hindurch, der nicht wußte, wie ihm geschah, und auf eine Marmorsäule zu, die oben mit der Alabasterbüste Seiner Allerkatholischsten Majestät, des Königs von Spanien bestückt war. Sehr bleich, fast