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sind, deren Zweckmäßigkeit kein Mensch mehr versteht. Genausogut kann man jahrzehntelang eine Schatztruhe bewachen, deren Inhalt aus Luft besteht. Es ist dann eine „symbolische“ Wache um des Wachegehens willen.

      So empfanden das auch die beiden Soldaten, die jetzt, gegen zehn Uhr nachts, die Hälfte ihrer Wache Pulverturm herum hatten, abwechselnd gähnten, fluchten, sich anödeten oder stadtwärts stierten, ob da vielleicht ein Sargento auftauchte, um sie zu kontrollieren.

      Einer lümmelte an der Tür zum Pulverturm, der andere hatte sich einfach hingehockt, die Muskete zwischen den Knien. Beide befanden sich im Schlagschatten der Türnische. Diese Nische war der gesegnete Platz der Pulverturm-Posten, weil er Schutz vor den kalten Winden bot. Und man selbst beschützte ja auch etwas: den unmittelbaren Zugang ins Innere des Turms.

      Sicher, da gab es auch Posten, die von einer penetranten Dienstauffassung besessen waren. Die stiefelten alle fünf Minuten um den Turm, um nachzusehen, wer sich angeschlichen hatte. Aber seit Jahrzehnten hatte sich niemand angeschlichen, und solche Posten, die nur die Mäuse mit ihrer Hektik aufscheuchten, waren komplette Idioten. Die beiden Posten zu dieser Stunde gehörten nicht in diese Kategorie der Pflichtbesessenen.

      Da es den Posten zu blöd oder zu unsinnig erschien, Kontrollgänge um den Turm zu unternehmen, konnten sich die sieben Männer bequem und ungesehen von Osten her an den Turm heranschleichen. Es war geradezu läppisch.

      Was Hasard jedoch stutzen ließ, das war das Gejaule und Gewinsel, das vom Fuß des Berges, wo die Hütten und Baracken der Aufseher standen, an seine Ohren drang und veranlagte, seinen Männern durch ein Winkzeichen zu befehlen, Deckung zu nehmen. Er selbst packte sich bäuchlings hinter ein Krüppelgewächs. Neben ihm landete Pater Aloysius.

      Der Pater flüsterte: „Das sind die Bluthunde in ihrem Zwinger.“

      Hasard biß sich auf die Lippen. Verdammt noch mal, an diese höllischen Biester hatte er nicht mehr gedacht – ein Fehler, der ihm nicht hätte passieren dürfen. Vielleicht waren sie ausschließlich auf den eigenen Geruch der Indios abgerichtet, durchaus möglich. Aber dieses „Vielleicht“ war keine Garantie.

      Wenn sie jetzt den Turm sprengten und die Hunde danach auf Spuren angesetzt wurden, dann konnte es passieren, daß sie den Stollen fanden. In diesem Fall konnten sie ihr Unternehmen als gescheitert betrachten.

      Die Hunde mußten weg, bevor der Turm in die Luft gejagt wurde!

      Carberry robbte heran. Hasard drehte sich zu ihm um.

      „Erst die Posten am Wachturm“, flüsterte er, „dann sind die Köter dran. Gib es an die anderen weiter, Ed!“

      Der Profos zeigte klar und robbte zurück.

      Sie hatten den Turm bereits längere Zeit beobachtet und festgestellt, daß er von zwei Posten bewacht wurde, die sich in die Nische der Tür drückten und offenbar zu faul waren, Rundgänge zu unternehmen.

      Carberry landete wieder neben Hasard.

      „Alles klar, Sir“, flüsterte er. „Wir können weiter. Matt und von Hutten sichern zum Zwinger hin.“

      Hasard nickte, hob den Arm und winkte in Richtung des Turms. Sie standen lautlos auf und schlichen geduckt auf den großen Klotz zu, jederzeit bereit, sich wieder hinzuwerfen und Deckung zu nehmen.

      Nichts passierte. Nur das träge Gemurmel der beiden Posten drang an ihre Ohren – und das Gejaule und Gewinsel der Bluthunde, das geeignet war, Leuten mit schwachen Nerven das Blut in den Adern gefrieren zu lassen.

      Hatten die Biester schon etwas gewittert?

      Waren sie immer so unruhig?

      Eine scharfe Stimme klang auf aus der Richtung des Zwingers. Zu sehen war nichts – bis auf die dunklen Umrisse der Baracken und Hütten.

      „Maul halten, ihr Mistviecher!“ schrie die Stimme. „Oder ich besorg’s euch mit der Peitsche!“

      Eine andere Stimme rief dazwischen: „Laß sie, Pablo! Das ist Mila, die verdammte Hexe, die ist mal wieder läufig und braucht einen Liebhaber!“

      Der Mann, der Pablo hieß, grollte: „Soll sich doch ’ne andere Zeit aussuchen, diese Hundehure!“

      Der andere lachte, sagte noch etwas Unanständiges, dann kehrte wieder Ruhe ein. Eine Tür schlug krachend zu. Das Gejaule war verstummt.

      Ein breiter Schatten tauchte vor den beiden Posten in der Türnische auf.

      „Na, ihr beiden?“ brummte er. „Alles klar bei euch?“

      Der Kerl, der am Boden hockte, rappelte sich auf. Der andere glotzte.

      Sekunden später fuhren zwei Riesenarme auf sie zu, zwei Pranken legten sich außen um ihre Köpfe – es war gut, daß sie ihre Helme abgesetzt hatten –, und schon krachten ihre Schädel gegeneinander. Der eine rutschte gleich weg, der andere pfiff noch ein bißchen, bevor er umkippte.

      Carberry nickte zufrieden und verpaßte beiden aus Sicherheitsgründen noch je einen Jagdhieb an die Schläfen. Pater Aloysius führte die vier Maultiere heran. Gefesselt und geknebelt wurden die beiden Kerle über zwei Maultiere gepackt.

      Matt Davies und von Hutten kehrten zurück. Carberry hatte in den Taschen des einen Soldaten einen großen Schlüssel gefunden. Er paßte in das Schloß der Tür zum Pulverturm. Sie drangen ein. Dan O’Flynn blieb draußen und sicherte.

      Eine Viertelstunde später zogen Carberry und Matt Davies mit den vier Maultieren ab – beladen mit den beiden Soldaten und kleinen Pulverfässern.

      Pater Aloysius übernahm draußen die Wache, während Hasard, Jean Ribault, Karl von Hutten und Dan O’Flynn im Pulverturm fieberhaft an der Arbeit waren. Sie hatten die Tür angelehnt und eine Öllampe entzündet, um Licht zu haben.

      Im Turm lagerten Pulverfässer verschiedener Größen, Kartuschen, Lunten sowie Kugeln und gehacktes Blei.

      Sie nahmen sich die kleinsten Pulverfässer vor, entleerten sie zum Teil, füllten Musketenkugeln und gehacktes Blei nach, führten Lunten ein und verdammten sie.

      Hasard verlegte eine genau bemessene Zündschnur in den Keller, wo die größten Pulverfässer gelagert waren.

      Inzwischen kehrten Carberry und Matt Davies wieder mit den vier Maultieren zurück und brachten Stenmark und Mel Ferrow als Verstärkung mit. Die Maultiere wurden wieder mit Pulverfässern beladen.

      Es ging auf Mitternacht zu – Zeit zur Ablösung der beiden Posten. Die beiden neuen Posten trotteten über den Weg zum Pulverturm heran. Carberry und Matt Davies standen in der Türnische – bereit zum freundlichen Empfang. Sie hatten sich die beiden Helme der vereinnahmten Posten aufgesetzt. Der Helm Carberrys wackelte mal wieder, was den Profos in Braß brachte. Für seinen massigen Schädel würden die Dons irgendwann einmal eine Sonderanfertigung herstellen müssen.

      Die beiden neuen Posten näherten sich.

      Carberry gähnte laut, hielt den Helm mit der linken Hand fest und blaffte die beiden Kerle an: „Jetzt wird’s aber Zeit, ihr Pennbrüder! Wir haben nämlich noch was anderes zu tun, als auf euch zu warten.“

      „Wie?“ fragte der eine dümmlich.

      Und der andere fragte: „Wer bist ’n du?“

      Neugierig traten sie noch näher. Es war nicht zu fassen, und doch stimmte hier die Weisheit, daß der beste Soldat zum harmlosen Trottel wird, wenn seine kämpferischen Instinkte in einer langen Zeit des unkriegerischen Müßiggangs verkümmert sind. Im übertragenen Sinne trifft das auch für die Waffen zu: Ein Schwert, das zu lange in der Scheide bleibt, rostet und wird unbrauchbar.

      „Was? Du kennst mich nicht?“ fragte Carberry entrüstet.

      Zugleich mit Matt Davies sprang er vor. Matt schlug dem Kerl links die Rundung seines Eisenhakens auf die Hurratüte, Carberry versorgte den Kerl rechts auf die gleiche Weise. Bei ihm war es die mächtige Faust, der sogenannte Profos-Hammer. Bei Matt schepperte es etwas, bei Carberry klang es dumpfer.

      Fesseln

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