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beiden Gold und Geld aus der Schweiz nach Deutschland schmuggeln?«

      »Geldwäsche, was denn sonst?«, lag für den Polizeibeamten der Fall klar auf der Hand.

      »Geldwäsche, verstehe ich schon«, blieb Leon unerbittlich, »aber geht da die Richtung nicht immer von Deutschland aus in die Schweiz? Warum also nun umgekehrt?«

      Der Pressesprecher schwieg. Er schien zu überlegen. Dann gab er zu: »Eine gute Frage. Kommen Sie doch zur Pressekonferenz, dann können Sie ja unseren Chef direkt ansprechen.«

      Entmutigt legte er auf und widmete sich wieder seinem ursprünglichen Vorsatz. Er musste diese verdammte Steuererklärung zu Ende bringen. Er suchte den Übernachtungsbeleg für sich und sein Kamerateam in Zürich. Er hatte, wie immer, alles in einer Schublade abgelegt. Und wie jedes Jahr musste er nun für die Steuer alle Belege, Rechnungen und Quittungen wieder zu einer Einheit zusammenfügen, um sie danach wieder getrennt nach Ausgabearten in einem Ordner abzuheften.

      ›Nächstes Jahr wird alles besser organisiert‹, schwor er sich jedes Jahr zornig. Frustriert fuhr er den Computer herunter, löschte das Bürolicht, schnappte sich entschlossen seinen grünen Parka vom Kleiderhaken im Flur und stieg in seinen alten 911er-Porsche.

      *

      Leon Dold fuhr von Überlingen in Richtung Ludwigshafen, er bediente, während der Porschemotor betulich schnurrte, sein Autoradio. Er suchte den Seefunk. Vielleicht wussten sie schon mehr zu der Schießerei am Zoll und der anschließenden spektakulären Festnahme. Doch der Sender nudelte, wie jeden Tag, Oldies der 70er ab.

      Leon wurde nervös. Die ängstlichen Nebelkriecher vor ihm nervten. Bei den miesen Sichtverhältnissen konnte er aber auch nicht überholen. Deshalb fuhr er bei Stockach auf die Autobahn. Er fädelte sich schnell auf die linke Fahrbahn ein und konnte endlich Gas geben. Zwar hatte er noch Zeit bis zum Beginn der Pressekonferenz in Singen, trotzdem wollte er früher vor Ort sein. Die wirklichen Infos gab es immer vor und nach den Pressekonferenzen in kleinen Zirkeln. Was öffentlich vorgetragen wurde, das stand in der Regel nicht nur in den Pressemappen, sondern meist auch schon in den verschiedenen Meldungen der Kollegen.

      *

      Vor dem Hauptzollamt Singen, in der Bahnhofstraße, war großer Bahnhof angesagt. Der Eingang war mit Flutlichtern verschiedener Fernsehstationen hell erleuchtet. Aus Stuttgart waren Kollegen des SWR, der aktuellen Landesschau, angereist, verschiedene Privatsender hatten ihre Übertragungswagen direkt vor den Eingang gestellt. Fernsehkabel führten aus den kleinen Transportfahrzeugen der TV-Sender direkt in das große Besprechungszimmer des Zollamtes.

      Drinnen rüsteten Zoll- und Polizeibeamte zur großen Pressekonferenz. Auch einige Beamte aus der Schweiz waren anwesend.

      Die Kameras der Fernsehsender waren positioniert. Einige Kollegen sendeten sogar live, weil ihre Nachrichtensendungen bereits begonnen hatten. Sie wussten allerdings nicht viel mehr zu sagen, als den ganzen Abend über schon in jeder Meldung zu hören gewesen war, trotzdem redeten sie unablässig.

      Leon grinste, als er im Vorübergehen belauschte, wie ein Kollege eines deutschen Privatsenders einem Schweizer Zöllner eine Sprachlektion verpassen wollte: »Bitte verstehen Sie, wir senden nicht nur in Süddeutschland, man muss Sie auch in Hamburg und Berlin verstehen.« – »Säg nüüt. I verschtand di scho«, antwortete der Schweizer entrüstet und grinste entschlossen in die Kamera.

      Leon suchte nach ihm bekannten Gesichtern. Er hatte bisher wenig mit der Polizei in Singen zu tun gehabt. Er selbst war erst vor einem halben Jahr an den See gezogen. Der Liebe wegen, wie er jedem versicherte. Für ihn war es auch die Liebe zum See, für seine Freundin Lena Rößler in erster Linie die Liebe zu ihr.

      Leonhart Dold lachte verunsichert, wenn der Widerspruch zur Sprache kam. Er hatte sich gerade auf seine Gradlinigkeit immer etwas eingebildet. Als gebürtiger Schwarzwälder, und dann noch Leonhart mit einem harten t, damit war er doch dazu geboren, deutlich und kompromisslos seine Meinung zu sagen. Aber in Sachen Liebe, musste er zugeben, eierte er schon sein ganzes Leben lang weich herum. Trotzdem hielt er sich zugute: Er war von Stuttgart weg zu Lena an den Bodensee gezogen, das war doch eindeutig!

      Und Lena? Lena Rößler studierte an der Uni in Konstanz. Er hatte sie kennengelernt und sich Knall auf Fall in sie verliebt, als er am Bodensee für eine Fernsehdokumentation drehte. Daraufhin wollte er nicht mehr weg von ihr, oder eben vom See? Getrennt hatte er sich diese Frage noch nie beantwortet. Er hätte jedenfalls nach dieser heftigen Liebesattacke in Stuttgart nicht mehr einfach so weitermachen können wie bisher. Er war nun mal verknallt über beide Ohren. Lena war klug und äußerst attraktiv. Eine Kombination, die es in Leons Augen bei Frauen nicht allzu oft gab. Sie hatte von Anfang an immer klar und deutlich gesagt, was sie wollte bzw. was nicht. Das hatte ihm imponiert. Und als seine Dreharbeiten am See beendet waren, machte sie ihn mit ihrer Tante Helma bekannt. Sie hatte eine kleine Wohnung in ihrer alten Villa mit Seeblick leer stehen. Da konnte er nicht widerstehen.

      Doch an Terminen wie heute verfluchte er diese Liebe, gleichgültig, ob sie nun in erster Linie Lena oder dem See galt. Denn in Stuttgart hatte er ein enges Netzwerk aufgebaut. Dort hätte er längst einen Polizisten intern anzapfen können. Öffentliche Pressekonferenzen taugten für Insidernews wenig. Jetzt stand er hier in einem großen Pressepulk und doch irgendwie allein.

      Er schlenderte an aufgebauten Mikrofonen vorbei bis zur Stirnseite des Saals. Dort stand eine kleine Gruppe deutscher Polizeibeamter zusammen. Wie zufällig gesellte er sich zu ihnen. Dabei hatte er seine Ohren aufgestellt wie ein Luchs auf der Jagd. »Alles Gold und Geld war bisher ordentlich in einer Schweizer Bank deponiert«, hörte er gerade noch einen Polizisten sagen, als dieser zu ihm aufschaute. Sofort unterbrach der Mann seine Ausführungen und schaute Leon auffordernd an: »Was wollen Sie, kann ich Ihnen behilflich sein?«

      »Guten Abend«, Leon Dold stellte sich ordentlich vor, erzählte, dass er freier Journalist sei und neu am Bodensee arbeite, dann fragte er wie nebenbei: »Warum nur haben die Burschen das Gold nicht in Zürich umgetauscht, wo doch dort ein deutlich höherer Kurswert notiert ist?«

      »Die Pressekonferenz beginnt in zehn Minuten, so lange müssen Sie sich schon noch gedulden«, fertigte ihn der Polizist ab, ohne auf den Inhalt der Frage einzugehen.

      Die Leitung der Konferenz unterstand dem Leiter des Zolls und dem Leiter der Polizei, jeweils zwei gewichtige Regierungsdirektoren. Doch viel Neues wussten auch sie nicht zu berichten. Dafür gab es ein dickes Lob für die schnelle Ergreifung der Täter.

      Alle Fragen über etwaige Hintermänner, woher das Geld stammte, wohin es gebracht werden sollte, beschieden die Herren mit der Formel: ›Laufende Ermittlungen‹.

      Leon hatte während der gesamten Konferenz die Polizisten im Hintergrund beobachtet. Er hatte genau registriert, wie sie alle auf einen Mann schielten, als der Einsatzleiter für die schnelle Ergreifung der Täter dankte. Der vermeintliche Polizist war auffallend gekleidet. Er sah wie ein Jägersmann, nicht wie ein Polizist aus. Auch sein ansehnlicher Bauchumfang lies eher vermuten, dass der Mann Rehrücken schmorte, als dass er Verbrecher jagte. Er wirkte nach außen sehr gelassen und abgebrüht, trotz der lobenden Worte seiner Vorgesetzten. Aus seinen Augen blitzte kein bisschen Stolz, eher Schalk, als der Einsatzleiter ihm ausdrücklich für die schnelle Ergreifung der Täter dankte. Die Lobesworte schienen diesem Mann eher peinlich zu sein. Ungeschickt steckte er die Hände seiner kurzen Arme in die weit ausgebeulten Taschen seiner alten, etwas vergammelten Kampfhose, die offensichtlich schon mehrere Schlachten erlebt hatte und wohl auch nie richtig gereinigt worden war.

      Leon Dold ging nach dem Ende der Konferenz schnurstracks auf ihn zu. Neben diesem Beamten konnte auch er in seinem Outfit bestehen. Leon zählte in seinem Gewerbe nicht zu der Dressman-Fraktion. Da waren die Kollegen Moderatoren und Reporter im On immer besser gekleidet. Sie hatten in den Wintertagen immer einen schicken Trenchcoat oder gelackte Lederjacken für ihre Aufsager dabei. Die ganz Seriösen seiner Zunft banden sich sogar vor jedem Sätzchen vor der Kamera eine Krawatte um. Leon dagegen war zwar nur in Jeans erschienen und mit einem Pulli, doch neben dem Kommissar sah er nun doch außerordentlich gut gekleidet aus. »Gratuliere, Sie also haben die beiden Burschen gefasst.«

      Horst

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