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ging.

      Kaum hatte der silberne Daimler sich auf der Landstraße Richtung Singen eingefädelt, setzte sich auch Sibold mit seinem grünen Omega auf die Fährte der beiden. Nur zwei Autos waren zwischen dem Daimler und ihm. Langsam wurde es dunkel, er musste nahe dranbleiben.

      *

      Sven und Bernd fuhren über Gottmadingen nach Singen. Bernd fummelte an einem Weltempfänger und suchte auf dem UKW-Bereich den Polizeisender.

      »Das kannst du lassen, die wissen doch eh nichts«, versuchte Sven seinen Bruder zu beruhigen.

      »In der Karre sind wir mit den neuen Nummernschildern vorerst sicher, das sehe ich auch so«, überlegte Bernd laut, »aber wenn der Zollbeamte überlebt, wird er dich identifizieren, das ist dann wohl ein Leichtes für ihn.«

      »Blöd, ich weiß, aber ich hatte keine Zeit für einen weiteren Schuss, hinter uns standen schon die Schweizer Bullen. Jetzt lass uns erst mal unseren Schatz in deinem Golf verstauen.«

      »Dann fahren wir aber sofort damit zu Opa, du musst erst mal für eine Zeit verschwinden!«, riet Bernd seinem Bruder.

      *

      Auch Horst Sibold hatte den Polizeifunk eingeschaltet. Allerdings genügte ihm ein Knopfdruck, und er war auf Empfang. Er hörte die Ringfahndungsanweisungen seiner Kollegen und konnte sich schnell ein genaues Bild über den Umfang der Straßensperren machen, die im gesamten Hegau errichtet worden waren. Es mussten auch Kollegen aus Villingen-Schwenningen und Rottweil vor Ort im Einsatz sein, dachte Sibold, denn sie hatten schon fast alle wichtigen Kreuzungsstraßen gesperrt.

      Er überlegte kurz, ob er den Daimler vor sich nicht fahren lassen und sich sofort im Kommissariat melden musste, um sich ebenfalls dem großen Fahndungsring anzuschließen. Dann aber verwarf er den Gedanken schnell wieder. Seine Neugier siegte: Welches Geheimnis hatten die zwei Jungs zu verbergen?

      *

      Sven und Bernd nutzten die Südtangente in Richtung Innenstadt.

      Der Kommissar lächelte zufrieden. Wenn sie nicht bald wieder die Tangente verließen, würden sie genau auf eine Sperre seiner Kollegen zurasen, das war ihm nach Sachlage klar. Gerade hatte er noch gegrübelt, wie er die beiden Burschen allein stellen könnte, da schien sich das Problem schon zu lösen.

      Entschlossen griff Kommissar Sibold erneut zum Handy. Er telefonierte, während er seinen Wagen steuerte. Diesmal ließ er sich von dem jungen Schnösel in der Leitstelle nicht abweisen. Ruhig und sachlich stellte er klar: »Wir bewegen uns auf die Sperre der Südtangente Richtung Innenstadt zu. Vor mir fährt ein silbergrauer Mercedes mit folgendem Kennzeichen …«

      Weiter kam er in seinen Ausführungen nicht. Der Telefonist unterbrach lebhaft: »Silbergrauer Mercedes, sagen Sie? Ist das der Wagen, den Sie bei Randegg sahen, bei dem zwei junge Männer die Kennzeichen tauschten?«

      »Ja doch, aber nun lassen Sie mich doch …«

      »Vorsicht, Kollege Sibold, es sieht so aus, als würden Sie dem gesuchten Tatfahrzeug folgen. Die beiden Burschen fuhren ebenfalls einen silbergrauen Mercedes.«

      Horst Sibold stöhnte. Er dachte an seine Saiblinge und hätte am liebsten auf der Stelle umgedreht. Doch jetzt steckte er mitten im Schlamassel. Er war noch nie während seiner Laufbahn auf Verfolgungsjagden scharf gewesen. Er hatte Angst vor hilflosen Verbrechern, die eine Pistole in der Hand hielten, und noch mehr vor schießwütigen Kollegen.

      Doch vor ihm zuckte schon das kalte Blau der Warnlichter der Einsatzfahrzeuge der Polizei durch die Nacht. Sibold wusste, dass die Einfahrtsschleuse zur Straßensperre immer 1.000 Meter vor der Kontrollstelle begann. Die Kollegen mussten sie schon im Auge haben.

      *

      Sven hatte ebenfalls die Sperre erkannt. »Du Volltrottel!«, zischte er seinem Bruder zu. »Die Bullen suchen uns am Tatort. Versteck dein Volksradio und schnall dich an!« Gleichzeitig holte er wieder seine Pistole aus dem Handschuhfach.

      *

      Im Wagen hinter den beiden Flüchtenden entsicherte Kommissar Horst Sibold seine Waffe. Er war mit dem Einsatzführer der Straßensperre Südtangente über eine Ringleitung mit der Zentrale verbunden. Der Einsatzleiter hatte schnell entschieden. Alle Autos vor dem Mercedes wurden hektisch ohne Kontrolle durchgewunken. Dann rannten vor dem herannahenden Mercedes schnell einige Beamte über die Fahrbahn. Im Schlepptau zogen sie Kunststoffhürden, ein Nagelbrett und zwei Straßensperren aus Kunststoff, wie sie Bauarbeiter auf Autobahnen verwenden, mit sich. Wie im Schulbuch beschrieben, ordneten sie die Barrieren hintereinander an. Selbst für einen Lastwagen war ein Durchkommen nicht mehr möglich. Daraufhin rannten die Polizisten in Deckung.

      Sven hatte die ausweglose Sackgasse schnell erkannt. Es waren vielleicht noch 100 Meter bis zur Kontrollstelle. Er fluchte, trat entschlossen das Gaspedal ganz durch, drückte mit dem linken Fuß die berühmte Daimler-Handbremse bis zum Anschlag und riss gleichzeitig das Lenkrad so herum, dass der schwere Mercedes ausbrach und sich um 180 Grad drehte. In neuer Fahrtrichtung, so dachte Sven, könne er vielleicht ausbrechen.

      Doch Horst Sibold stand mit seinem grünen Omega quer hinter ihm. Er hatte ebenfalls schnell reagiert und seinen Wagen so auf die Fahrbahn gestellt, dass es fast aussichtslos war, zwischen den Leitplanken und ihm durchzukommen.

      Sibold saß noch im Wagen, er schwitzte. Er sah die Xenonleuchten des Mercedes wie eine Drohung auf sich gerichtet. Reflexartig öffnete er die Fahrertür und ließ sich seitlich aus dem Auto fallen. Zunächst musste der Wagen ihm Schutz bieten, dann robbte er mit seinem Revolver in der Hand von dem Fahrzeug weg, sprang, als er außerhalb des Lichtkegels des Mercedes war, ins Dunkel und verkroch sich hinter der nächsten Leitplanke. Sein Jägerhut blieb auf der Fahrbahn zurück.

      Die Autos hinter ihm waren stehen geblieben. Einige Fahrer suchten hektisch einen Fluchtweg und legten die Rückwärtsgänge ein. Sibold grinste. Zwar war die Lage für die unbeteiligten Autofahrer prekär, aber ihre Sperre für den Mercedes war perfekt. Der Weg zurück, an ihm vorbei, wurde durch das Chaos versperrt.

      Der schwere Daimler stand mitten auf der Straße: das Heck Richtung Straßensperre, wo die Polizei in circa 50 Metern Entfernung wartete; die Schnauze des Mercedes rund 20 Meter vor Sibolds Omega.

      Sibold selbst kauerte unterhalb der Leitplanke im Gras. Er spähte zu den beiden Burschen, wollte gerade näher an den Wagen kriechen, da zischten unvermittelt vier Schüsse durch das Dunkel.

      Der Daimler senkte sich mit einem Knall.

      Sibold war klar, dass seine Kollegen aus der Deckung der Kontrollstelle die Reifen zerschossen hatten. Bravo, dachte er, alle vier auf einen Streich!

      Dann war es still.

      Eine Ruhe wie kurz bevor ein Fisch anbeißt, dachte Sibold, verscheuchte diesen Gedanken aber schnell wieder.

      Über ein Megafon hörte er jetzt die Stimme seines Chefs: »Werfen Sie die Waffen aus Ihrem Wagen und steigen Sie mit erhobenen Händen aus. Sie haben keine Chance, unsere Scharfschützen haben Sie im Visier!«

      Sibold lächelte. Eine bevormundende Anweisung, typisch sein Boss. Gerade hatte er sie zur Weiterbildung ›Psychologische Ansprache während Extremsituationen‹ geschickt. Als erstes Gebot hatten sie gelernt: Treiben Sie nie den Täter in die Enge! Doch sein Chef liebte nun mal Fakten. Und Sibold war klar: Wenn die beiden Burschen nicht schnell der Aufforderung nachkommen würden, dann würde die Androhung zur definitiven Realität werden. Vermutlich hatten die beiden in dem Wagen den Kollegen angeschossen, da lagen die Nerven und auch die Revanchegelüste bei jedem Polizisten blank.

      Ein weiterer Einzelschuss hallte durch die angespannte Stille.

      Die Heckscheibe des Daimlers barst.

      Sibold drückte sein Gesicht ins Gras, es roch widerlich. Vorsichtig hob er seinen Kopf.

      Der Wagen stand noch immer unbeweglich da, es tat sich nichts.

      Kaum war der Hall verklungen, klinkte sich das Megafon erneut ein, die

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