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Versteck zu spielen!« Der Amerikaner legte sein freundliches Lächeln ab und wurde eiskalt. »Treiben Sie Geschäfte mit den Nazis in Ihrer Schweiz, wie Sie wollen, aber nicht mit unseren Banken«, jetzt lachte er hämisch, »und wenn, dann behalten Sie das schmutzige Geld bei sich, aber dummerweise liegt es nun bei uns in unseren Staaten, und da gelten unsere Gesetze, die Gesetze des US-Finanzministeriums.«

      Während er sprach, legte Carrington einige Überweisungsbelege und Kontoauszüge auf den Tisch, die bewiesen, dass die Schaffhauser Bank Wohl & Brüder größere Summen auf verschiedene kleinere amerikanische Banken verschoben hatte. Und auf manchen Überweisungen fand sich auch der Name Joseph Stehle.

      Carrington zeigte darauf. »Wir gehen davon aus, dass es sich bei diesen Beträgen um Nazikapital handelt.«

      Joseph Stehle prustete. »Wie kommen Sie denn auf diese Schnapsidee?«

      »Die deutsche Reichsbank hat zu genau jenem Zeitpunkt ihr Konto in New York aufgelöst, als aus der Schweiz plötzlich erstaunliche Überweisungsaufträge an uns einsetzten. Wir haben daraufhin alle Kapitalflüsse zu unseren US-Banken überprüft. Insgesamt stellten wir fest, dass seit Herbst 1940 von mehreren kleinen Schweizer Banken zusammengerechnet Milliardenbeträge zu uns flossen, mit jeweils sehr fraglichen Absendern. Herr Stehle, einer davon sind Sie! Ein Eisenbahnschaffner der Deutschen Reichsbahn mit einem Einkommen von 275 Mark monatlich hat bei uns auf mehreren Konten Millionenbeträge liegen. Heil Hitler!«

      »Das ist nicht mein Geld, ich bin nur der Verwalter dieser Beträge. Im Übrigen wüsste ich nicht, seit wann die amerikanische Polizei in der neutralen Schweiz ermitteln dürfte.« Stehle war es heiß geworden. Er erkannte in diesem fremden Mann eine Gefahr, die er nicht so leicht loswerden würde. Pah, ein amerikanischer Finanzpolizist, das sollte glauben, wer mochte. Polizist? Der Mann roch für ihn nach amerikanischer Mafia.

      »Herr Stehle, verlassen Sie sich darauf, ich werde Sie bald als amerikanischer Offizier in Deutschland vernehmen. Machen Sie sich nichts vor, es ist eine Frage der Zeit, dann sitzen alle Nazis wie Sie in ihren eigenen Gefängnissen. Überlegen Sie es sich gut, wir bieten Ihnen eine Zusammenarbeit an.«

      »Meine Herren, bitte«, der Bankdirektor, ganz Schweizer Diplomat, suchte ein Ende der Konfrontation, er wollte Zeit gewinnen. Die neue Situation war ihm nicht geheuer. »Herr Carrington, oder wie immer Sie heißen mögen. Ich denke, wir gehen jetzt erst mal den rechtlich ordentlichen Weg. Sie benötigen eine Legitimation, geben schriftlich bei meiner Bank Ihr Ansinnen kund, und dann werden wir uns bei Ihnen oder Ihrer Dienststelle melden. So verkehren doch zivilisierte Menschen auch in Amerika miteinander, oder nicht?«

      »Oh my god«, lachte der ungebetene Besucher. »Wo, glauben Sie, leben Sie? Wir haben Krieg in Europa. Wir werden die Nazis ausrotten, und meine Behörde sorgt dafür, dass kein Dollar eines Nazis in die falsche Tasche gelangt. Egal, ob diese Brut ihr Geld auf deutschen, Schweizer oder amerikanischen Banken versteckt hält.«

      »Da kann ich Sie beruhigen.« Joseph Stehle witterte die Chance, sich als Nazigegner zu präsentieren. »Kein Pfennig der Beträge, die ich nach Amerika überwiesen habe, stammt von Nazis. Im Gegenteil: Ich habe das Geld von Verfolgten der Nazis zum Schutz vor den Nazis gerettet.«

      »Sorry, Mister, Sie haben zurzeit gar nichts gerettet. Wir werden darüber noch befinden, zurzeit sind Ihre Konten gesperrt.«

      »Das widerspricht den staatsvertraglichen Abmachungen«, ereiferte sich jetzt wieder der Bankdirektor.

      John Carrington lachte: »Sie scheinen mich wirklich nicht verstehen zu wollen, aber ich bin sicher, Herr Stehle«, sagte er zu dem deutschen Schaffner gewandt, »Sie werden mich noch verstehen.« Jovial klopfte er Stehle auf die Schulter und sagte: »Sie wollten ja hier noch etwas erledigen, und soviel ich weiß, geht Ihr Zug in wenigen Minuten zurück nach Deutschland.« Süffisant verabschiedete er sich von den beiden: »Ein Zug ohne Schaffner? Ich denke, da würden selbst Sie Ärger mit der Gestapo bekommen.«

      Schon im Türrahmen stehend, drehte sich Carrington noch einmal zu dem Bankdirektor um: »Einige der Summen, die Sie der New-York-City-Bank übereignet haben, weisen keinen weiteren Eigentümer auf als nur Ihre eigene Bank. Deshalb habe ich Sie Komplize genannt. Gewehrt gegen meine Unterstellung haben Sie sich nicht.«

      Bevor der Bankdirektor antworten konnte, war Carrington aus dem Raum marschiert.

      Stehle blieb, blass geworden, mit Oswald Wohl zurück. »Wir haben noch nicht verloren.«

      Der Bankdirektor lachte herb auf: »Wir nicht, aber ihr Deutschen schon. Aber bleib gelassen, Joseph, der kann uns nichts nachweisen. Was wolltest du eigentlich?«

      »Zu spät«, ärgerte sich Stehle, »zu spät, Oswald. Ich wollte dich bitten, unser Geld nach Argentinien zu transferieren. Argentinien soll sicher sein, du hörst ja, die Amis drehen wegen des Kriegs völlig durch.«

      »Quatsch! Mach dir da mal keine Sorgen, wir sind hier in der Schweiz, und die Amis wissen, wie man Geschäfte macht. Da hatte ich bisher vor einem Einmarsch von eurer Wehrmacht mehr Angst. Stell dir vor, die SS hätte uns den Arsch aufgerissen, dann wärst du gleich weg gewesen. Deshalb bin ich auch froh, wenn der ganze Spuk nun bald ein Ende hat. Lange wird sich Hitler nicht mehr halten können.«

      Joseph Stehles Augen flackerten. »Hör auf, so zu reden. Du siehst ja, wohin das führt, wenn die Amis hier das Sagen haben, dann gute Nacht!« Joseph Stehle schnappte nach Luft, drehte sich um und rannte aus dem Besprechungszimmer: »Mein Zug«, japste er nur noch und lief los.

      *

      Zwei Tage später, am 1. April, kurz vor 11 Uhr, tauchten zwei Staffeln viermotoriger Liberta-Bomber über dem Kohlfirstwald vor Schaffhausen auf. Zwölf Flugzeuge waren in dem ersten Geschwader formiert, über 20 Bomber flogen in der zweiten Staffel.

      Es war ein Samstag, Markttag in Schaffhausen. Aus der Innenstadt konnte man die Flugzeuge deutlicher sehen als sonst. Doch wer sollte schon auf die täglichen Bombenflüge der Amerikaner achten. Ihre tödliche Fracht warfen sie auf der anderen Seite der Grenze, in Deutschland, ab.

      Aber heute, da schien irgendetwas anders zu sein. Die kleinen Flieger kamen immer näher an die Munotstadt heran. Und dann: Punkt 11 Uhr krachte es plötzlich inmitten der eigenen Stadt. 236 Brandbomben und 130 Sprengbomben donnerten auf Schaffhausen. Nach 40 Sekunden war alles vorbei: 40 Tote und 270 Verletzte lagen in den Trümmern der Schweizer Stadt Schaffhausen.

      Die Amerikaner entschuldigten sich später für den Angriff. Es sei ein Versehen gewesen, begründete die US-Armee die Bombardierung. Als Grund gab sie schlechte Sichtverhältnisse an.

      Doch am 1. April 1944 hatte sich über ganz Europa ein blauer Himmel gezeigt. Die Sonne hatte an jenem Tag von Aufgang 7.45 bis Untergang 18.30 Uhr geschienen.

      *

      Joseph Stehle hatte die Bombardierung beobachtet. Er stand in sicherer Entfernung auf deutschem Boden. Vor ihm lag eine tote Sau in einer hölzernen Wanne. Er hatte gerade Harz über ihre hellbraunen Borsten geschüttet und heißes Wasser darübergegossen. Gemeinsam mit Ferdinand Alber, dem Gutsbauer auf dem Randen, schabten sie der Sau die Borsten von der Schwarte.

      Ferdinand Alber hielt inne: »Die wollen ganz Europa. Die bombardieren alles kurz und klein.« Dabei zeigte er auf die US-Bomber, die gefährlich nah über den Hegaubergen kreisten.

      »Die haben es nicht anders verdient«, höhnte Stehle und deutete mit seinem Kopf Richtung Schaffhausen, wo die ersten dunklen Rauchsäulen aufstiegen. »Immer schön neutral, nur nie Farbe bekennen. Wir hätten schon gleich nach unserer Ostmark«, damit meinte er Österreich, »auch die Schweiz heim ins Reich holen müssen.«

      Ferdinand Alber verzichtete auf eine Antwort. Er warf seinen Borstenschaber weg und rannte in einen nahen Schopf. Die kleinen, silbernen Flugzeuge wurden immer größer und hielten direkten Kurs auf seinen Hof. Alber hatte Angst vor einem Abwurf oder Maschinengewehrbeschuss aus der Luft.

      Stehle lachte und schabte unbeirrt weiter die Borsten der Sau. Er hatte diese Woche dienstfrei. Er musste immer drei Wochen am Stück arbeiten, dann meist rund um die Uhr, dafür durfte er danach eine

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