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mußt sie selbst gepflückt haben. Kann man das dort?“

      „Natürlich. Nein, was anderes. Etwas, was bleibt.“ Axel hatte große dunkle Augen, während er überlegte. „Am liebsten...“

      „Am liebsten?“ fragte Regine gespannt.

      „Am liebsten nähme ich dich mit“, sagte er leise, und es klang so sehnsüchtig, daß er selbst erschrak. Bisher waren sie beide so tapfer gewesen, aber wenn er sich vorstellte, daß er mit ihr das alles ansehen und erleben könnte, dann wurde ihm ganz entsetzlich weich ums Herz.

      „Natürlich, das wäre am schönsten. Aber das geht ja doch nicht.“ Regine sprach ganz vernünftig und nüchtern. „Wir sprachen doch vom Mitbringen, nicht vom Mitnehmen. Die Thea aus meiner Klasse, weißt du – ihr Vater war voriges Jahr auch in Rom und auf Capri. Wirst du auch nach Capri kommen, oder ist das zu weit?“

      „Natürlich werde ich“, sagte Axel schnell. „Capri, blaues Meer, noch blauerer Himmel...“

      „Von dort hat ihr Vater was Süßes mitgebracht, aber sicher ist es zu teuer. Weißt du...“ Regine verstummte.

      „Was ist es denn?“ fragte Axel vorsichtig.

      „Ja, aber bloß, wenn du es wirklich bezahlen kannst! Ein Eselwagen, so groß...“ Regine zeigte mit den Fingern einen Abstand von vielleicht acht Zentimetern. „Zwei Esel vor einem Karren, aus so etwas Ähnlichem wie Porzellan, aber schöner.“

      „Keramik?“ fragte Axel.

      „Weiß nicht. So ungefähr wie Ton. Also der ist goldig! Solche Karren gibt es nur dort, auch in Wirklichkeit. Aber denk doch mal, wenn ich so einen hätte, hier auf dem Tischchen – als Aschenbecher für dich!'“

      „Regele“, sagte Axel, und er sagte es so laut, daß der rücksichtsvolle Wilm draußen zusammenfuhr und dachte: „Jetzt zanken sie sich doch noch.“ – „Regele! Und wenn ich nur wegen dieses Eselkarrens nach Capri führe, den bekommst du!“

      Der Herr mit dem roten Wagen

      „Danke. Nein wirklich, ich sitze wunderbar. Und ich fahre furchtbar gerne Lastwagen“, sagte Regine. Sie mußte es sehr laut sagen, denn der zweite Gang, den der Fahrer gerade eingeschaltet hatte, machte einen fürchterlichen Krach, so einen Krach, daß man eigentlich regelrecht schreien mußte, um sich verständlich machen zu können.

      „Ja? Man sieht ja auch mehr von der Landschaft als von einem so lächerlichen niedrigen Personenwagen aus“, sagte der Fahrer stolz und bescheiden. Er war ein älterer Mann, braungebrannt und ein wenig bartstoppelig, aber mit so guten braunen Augen, daß man ihn gleich gern haben mußte. „Sieh mal, da unten! Wir sitzen hier wie der Kapitän auf einem Ozeandampfer, hoch oben, und das da sind die kleinen Motorboote.“ Er wies auf einen kleinen Personenwagen, der sie eben überholte und an ihnen vorbeiwitschte. Regine nickte.

      „Wirklich!“ Ja, wie auf einem Dampfer kam sie sich vor, der ins weite Meer hinaussteuert. Beinahe meinte sie, ihre Reise sei eigentlich viel schöner und großartiger als die Axels. Natürlich, der freute sich schrecklich, aber er wußte doch wenigstens, wohin er kam. Nach Rom, von dem er schon so viele Bilder gesehen und ihr gezeigt hatte. Sie aber fuhr in ein ganz unbekanntes Land, an einen Ort, den weder sie noch Axel gesehen hatte. Vielleicht gab es Grüningen am Ende gar nicht? Vielleicht war es nur ein Druckfehler auf der Karte?

      „Waren Sie schon einmal dort? Ich meine, in Grüningen“, sagte sie aus diesem Gedankengang heraus. Man konnte sich jetzt in normaler Lautstärke unterhalten.

      „Freilich, ich bin oft daran vorbeigefahren. Freust du dich denn darauf, dorthin zu kommen?“ Wilm schien ihm einiges erzählt zu haben.

      „Ja, sicher. Nur – ob die Leute dort sich freuen, wenn ich komme?“

      „Sie werden schon. Es sind doch Verwandte von dir?“

      „Ja, die Frau ist Mutters Schwester. Aber sie hat schon selbst vier Kinder.“

      „Ha no, ich hab’ auch fünf“, sagte der Fahrer tröstend. Regine lachte ihn dankbar an.

      „Buben oder Mädel?“

      „Vier Buben und ein Mädel.“

      „Was? Wirklich?“

      „Ja. Wir haben uns immer ein Mädel gewünscht, und schließlich kam es auch noch. Wenn man so etwas überhaupt sagen darf – das Mädel ist mir fast das liebste von allen“, sagte er. Etwas Schöneres hätte Regine nicht hören können.

      Ach nein, Regines Herz war nicht schwer. Der Abschied von Axel hatte natürlich weh getan, aber man konnte ja gar nicht trüb und traurig sein, wenn man bei solchem Wetter, in einer so bezaubernden Gegend und noch dazu in dieser Jahreszeit fuhr! Es war wohl der schönste Frühlingsmorgen, den der liebe Gott sich in seiner besten Laune ausgedacht hatte. In der Ferne lag ein zarter Dunst über den Wäldern; hier an der Landstraße rechts und links blühten die Bäume weiß und rosa, und die Wiesen lagen in schimmerndem Grün in der Sonne. Der Schatten des Lasters, der eilig neben ihnen herlief, war auf dem betauten Gras umstrahlt von einem hellgoldenen Kranz. Regine beobachtete dies schon die ganze Zeit und wies jetzt hinaus, zeigte es ihrem Begleiter.

      „Sehen Sie mal, Herr Burger, wir sind golden eingerahmt.“

      Er lachte.

      „Glaubst du, daß ich das noch nie gesehen hätte? Freilich, wir müssen nach vorn sehen, wir Fahrer. Oder höchstens in den Rückspiegel, wenn uns jemand überholen will. Aber neulich hatte ich mein kleines Mädel mitgenommen. Es ist noch etwas jünger als du. Die hat mir das auch gezeigt. Ihr habt eben doch offnere Augen als unsereiner.“

      „Vielleicht für so etwas. Aber sonst nicht. Sehen Sie, daß der an uns vorbei wollte, hatte ich noch nicht gemerkt.“

      „Der darf auch nicht“, sagte Burger und schmunzelte schadenfroh. Ein sehr eleganter Wagen, niedrig, dunkelrot, besetzt mit einem einzelnen Herrn, wollte sie schon seit einem Weilchen überholen. Er kam aber nicht dazu. Immer wieder kam ihnen ein anderes Fahrzeug entgegen, das er erst vorbeilassen mußte.

      Regine, in ihrer hellen Frühlingsstimmung, beugte sich aus dem Fenster, dessen Scheibe sie heruntergekurbelt hatte, schaute rückwärts und winkte ihm lachend zu. Gerade mußte er wieder seine vorwitzige Kühlernase, als er eben im Begriff gewesen war, an ihnen vorbeizuflitzen, zurückziehen und brav hinter ihnen bleiben, bis der Lastzug, der ihnen entgegenkam, vorbeigebrummt war. Regine hatte sich mit ihrer Kleinmädel-Schmalheit auf die linke Seite des Fahrers gesetzt, weil man da mehr sehen konnte. Rechts von ihnen lagen auf dem breiten Ledersitz ihr Rucksack und ihr neuer kleiner Koffer, den Axel ihr noch gekauft hatte.

      „Gelt, der ist bös! Na, wenn er erst auf der Autobahn fährt, kann er überholen, soviel er will“, brummte Burger und sah dem Wagen nach, der jetzt endlich vorbeigeschossen war. Ein bitterböser Blick war zu ihnen heraufgefunkelt in der Sekunde, in der sie auf gleicher Höhe fuhren. Der Herr schien gemeint zu haben, Regine lache ihn aus.

      „Laß ihn sausen!“

      „Kommen wir wirklich auf die Autobahn, und fahren wir lange drauf?“ fragte Regine.

      „Bis Kassel. Weil ich heute leer fahre. Ich lade erst in Paderborn. Sonst benutze ich hier die Autobahn nicht. Sie ist mir zu bergig. Wenn man geladen hat, fährt man lieber um die Berge herum, wo es möglich ist. Aber ohne Ladung tu ich es schon.“

      „Oh!“ Regine setzte sich erwartungsvoll aufrecht. „Und jetzt sind wir gleich da?“ Sie hatte das blaue Schild gesehen.

      „Ja, und sie ist schön. Gerade diese Strecke. Ich habe dir extra gesagt, du sollst dich auf diese Seite hier setzen, da siehst du bei Hersfeld die schöne alte Burg. Ich glaube, sie ist jetzt als Jugendherberge eingerichtet.“

      „Sie sind lieb“, sagte Regine aufatmend. „Überhaupt, daß ich mit Ihnen fahren darf!“

      „Na, na!“ brummte er. „Ich

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