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Das große Lise-Gast-Buch. Lise Gast
Читать онлайн.Название Das große Lise-Gast-Buch
Год выпуска 0
isbn 9788711508770
Автор произведения Lise Gast
Издательство Bookwire
„So, da hätte ich dich also behalten“, sagte Herr Burger vergnügt, als sie schon wieder eine Weile fuhren. „Der war ja ganz still am Schluß. Wärst du nicht doch ganz gern mit ihm gefahren? Er hatte doch einen so schönen Wagen“, fragte er nach einer Weile. Regine schnaufte verächtlich durch die Nase.
„Wagen? Als ob es danach ginge! Sicher war der Wagen schön. Und vielleicht war der Herr auch wirklich mein Onkel. Aber ich muß doch das tun, was Axel gesagt hat. Er müßte sich ja sonst totängstigen um mich. An sich ist Axel gar nicht ängstlich, wissen Sie, aber wenn er Sie nicht kennengelernt hätte, würde er mich bestimmt nicht so in die Welt hinausgeschickt haben. ,Bei Herrn Burger bist du in guter Hut‘, hat er gesagt, und das glaube ich auch. Und Wilm kennt Sie doch auch. – Aber gewußt, ob er es wirklich ist – ich meine, ob der Herr mein Onkel ist –, das hätte ich doch gern. Er fuchtelte mit seinen Papieren so herum, lesen konnte ich nichts. Vielleicht war das seine Absicht und ein Trick?“
Herr Burger lachte. Und dann fuhren sie weiter durch das frühlingsgrüne Land, und es war so schön, daß man alles andere vergessen mußte, was einem das Herz hätte beschweren können. Den Schmerz um Axel, die kleine Angst, wie man in Grüningen empfangen werden würde, und alle vornehmen Autofahrer der Welt, ob sie nun Onkels waren oder nicht.
Die neue Heimat
„Jetzt sind wir bald da“, sagte Herr Burger und sah Regine an. Sie erwiderte seinen Blick eine Sekunde lang, sah dann wieder geradeaus. „Na, na“, brummte er gleich darauf tröstlich.
„Siehst du, das ist eure Stadt. Grüningen liegt bei Warburg“, erzählte er und ließ seinen Wagen langsam bergauf schnaufen. „Hierher schicken sie dich vielleicht in die Schule.“
„So nahe sind wir schon?“
„Na, es werden noch fünfzehn Kilometer sein. Nein, so weit wirst du wohl nicht fahren müssen. Vielleicht gibt’s im nächsten Ort, in Niederhausen, eine Mittelschule für dich. Das ist nicht so weit, und dahin fährt vielleicht ein Omnibus. Bist du zu Hause in die höhere Schule gegangen?“
„Nein, auch in die Mittelschule. Axel sagt, ich würde doch später einmal etwas Praktisches werden, weil ich so gern wirtschafte und koche und backe. Ja, ich kann Kuchen backen, wirklich! Und in der Schule, in die ich dort ging, gab es in den oberen Klassen auch schon Kochstunden. Ob das hier in Westfalen auch so ist?“
„Meinst du, die Westfalen kochen nicht? Und wie gut! Hast du noch nie was von westfälischem Schinken gehört?“
Doch, das hatte Regine wohl. Jetzt aber interessierte sie das Städtchen, und sie sah eifrig um sich. Sie fuhren an einem hellen, großen Gebäude vorbei, dem man schon von weitem ansah, daß es eine Schule war. Aber eine Jungenschule, wie man sofort merkte. Der Unterricht mußte gerade zu Ende sein, denn es strömte aus dem Tor, Jungen aller Größen, mit Schulranzen die kleineren, mit Mappen unterm Arm die größeren. Aus einem Seitentor wurden Räder herausgeschoben.
„Vielleicht sind deine neuen Brüder dabei“, lächelte Herr Burger. „Such sie mal heraus! Wie wäre es mit dem?“ Er zeigte auf einen sommersprossigen, rothaarigen, etwa vierzehn Jahre alten Bengel, der soeben auf sein Rad sprang, indem er, an der Lenkstange anfassend, es neben sich herschob, zu einer Flanke ansetzte und dann mit gegrätschten Beinen auf dem Sattel landete. Es sah großartig aus, und Regine lachte.
„Der würde mir schon gefallen!“
Der Junge, der gerade in Höhe des Lastzuges fuhr, hatte wohl gemerkt, daß man ihn beobachtete. Er sah zu Regine empor, lachte sie an und streckte ihr dann die Zunge heraus, so lang er konnte. Herr Burger, der es auch sah, lachte laut.
„Na? Gefällt er dir immer noch?“
„Warum nicht? Frech ist er, aber radeln kann er wunderbar. So aufsteigen wie er, das möchte ich auch lernen.“
„Ich glaube, du wirst es mit den Buben schon aufnehmen“, sagte Herr Burger nach einer kleinen Weile, in der sie beide nachdenklich geschwiegen hatten. „Soll ich einmal zu dir herein gucken, wenn ich die Tour wieder fahre?“
„Ach ja“, sagte Regine dankbar. Sie fühlte genau, was der Mann neben ihr meinte. Natürlich ist aller Anfang schwer.
In Niederhausen hielten sie noch einmal an. Herr Burger stieg aus und bedeutete, Regine möchte mitkommen. Sie traten in den Laden, vor dem er gehalten hatte, und Regine sollte sich etwas aussuchen. Was mochte sie denn gern, eine Tafel Schokolade oder gebrannte Mandeln oder Zuckerle? Raus mit der Sprache!
„Ach, Herr Burger...“
„Nun, sei nicht dumm. Vollmilch oder Nuß?“
„Nuß, bitte. Und ich danke Ihnen auch schön. Wissen Sie, wenn Sie uns in Grüningen einmal besuchen, dann backe ich einen Kuchen. Ob mir das meine Tante erlaubt, was meinen Sie? Vielleicht glaubt sie mir nicht, daß ich es kann?“
„Du mußt es ihr nur richtig beibringen. Gleich von Anfang an ein bißchen zugreifen und dich nützlich machen. Sie hat doch nur Buben, sagtest du. Da ist es doch für ein Mädel nicht schwer! Es wird schon alles gutgehen, Regele.“ Er sagte es tröstend und so, daß man es wirklich glauben konnte. Sie waren aus Niederhausen herausgefahren und rollten nun Grüningen zu. Regines Herz fing an zu klopfen.
Und nun waren sie angekommen. Grüningen lag ein wenig abseits von der großen Straße, aber man konnte mit dem Laster hinfahren. Es ging erst ein wenig bergauf und dann in eine flache Mulde hinunter. „Im schönsten Wiesengrunde ist meiner Heimat Haus“, an dieses Lied mußte Regine denken. Ach, das Dorf lag entzückend und am allerschönsten das Schulhaus! Gleich am Anfang, ein Haus mit einem Mansardendach, dessen Ziegel, einstmals rot, jetzt ein wenig abgedunkelt waren. Das Haus war von selbstklimmendem Wein bewachsen, so daß die Fenster wie aus grünen Polstern herausguckten, und davor lag ein Schulhof, von einer Hecke eingefriedet und von Kastanien beschattet. Hinter dem Haus begann der Garten, er war dreieckig, mit einer Laube im hinteren Winkel, einem Sandkasten und einem Schaukelgerüst, und auf dem Schaukelbrett saß ein kleiner Junge und angelte mit seinen dicken Beinen vor und zurück, um in Schwung zu kommen.
„Mütz-chen! Mütz-chen! Gib mir einen Schubs!“ rief er. Aber kein Mützchen kam. Regine, die eben abgestiegen war und ein wenig unschlüssig neben Herrn Burger stehengeblieben war, stellte rasch ihr Köfferchen weg.
„Warte, ich komme!“ Sie schlüpfte durch das Gartentor und lief zur Schaukel. „So, nun halte dich mal richtig fest! Achtung – ja, so. Na, ist das fein? Noch höher?“
„Nein, aber, das ist doch jeden Tag dasselbe!“ rief in diesem Augenblick eine helle Frauenstimme. „Alle sind da, nur der Herr Jüngste nicht. Hannesle, hast du nicht gehört? Zum Essen kommen!“
Regine guckte sich um. In der Küchentür, die sich nach dem Garten zu öffnete, stand eine kleine runde Frau, helles Haar und bunte Schürze, lustige Augen und rote Backen. „Nun aber los!“
„Ich hab’ ihn nur geschaukelt“, sagte Regine ein wenig schuldbewußt und hob den Kleinen rasch herunter. „Er hat gerufen, es sollte ihn jemand anschubsen.“ Sie lief, den Kleinen an der Hand, auf die Frau zu. Die guckte sie an.
„Wer bist du denn? Mein Gott, das ist doch die Regine! Wahrhaftig, das Regele schneit uns hier herein! Ja, euren Brief haben wir bekommen. Nein, aber, Mädel – wie lange bist du denn schon da?“
„Eben gekommen“, meldete Herr Burger, der nun auch durch das Gartenpförtchen getreten war. „Frau Westphal? Ja? Da kann ich Ihnen also die neue Tochter übergeben. Am liebsten würde ich sie behalten, so gut haben wir uns unterwegs vertragen“, sagte er und nickte Regine zu. Die kleine Frau lachte.
„Das könnte Ihnen so passen! Wo ich mir doch mein ganzes Leben lang ein Mädel gewünscht habe!“ Sie legte den Arm um Regines Schulter. „Nein, das gibt’s nicht! Und mit dem Hannesle hast du dich auch schon angefreundet, Regele? Aber Hunger wirst du haben, gut, daß wir