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das nur aus?“ fragte ich entsetzt, zog auch den anderen Stiefel herunter und verbrachte die Wartezeit, bis die Reiter auftauchten, damit, ihm die erstarrten, glasig rosa Füße in der Hand zu wärmen, sie anzuhauchen und in Schal und Mütze einzuwickeln.

      Ja, so ein Reiterleben ist hart.

      Aber schön! Es wird mit nie endender Arbeit bezahlt, aber es lohnt sich. Wir alle möchten nicht tauschen, auch wenn wir winters mit erstarrten Händen Wassereimer schleppen oder im Sommer in glühender Hitze Zäune umsetzen müssen. Dafür sind weiche Pferdenasen da, die an uns schnobern und uns freundlich anstoßen: „Hast du mir nichts mitgebracht?“ Dafür können wir reiten, wenn es die Zeit erlaubt, und erleben immer wieder Neues und Schönes. Als Kind auf dem Pony, als Größerer auf Pferden – es ist schon eine alte, immer neue Wahrheit, daß dort das Glück der Erde liegt!

      Was wird aus Regine?

      Eine große Freude und ein kleiner Schmerz

      Während Regine, die Bratpfanne in der Hand, in der Kochnische stand, mußte sie laut auflachen. „Bei uns ist es so eng, daß wir die Tür offenlassen müssen, wenn wir Bratkartoffeln machen, weil sonst kein Platz für den Pfannenstiel ist“, hatte Axel einmal gesagt. Das war wahrhaftig nicht übertrieben. Sie schob mit dem Knie den Stuhl beiseite, der vor dem Herd stand. Axel hatte seine Windjacke über die Lehne gehängt, um sie trocknen zu lassen.

      Er war mit seinem Freund noch einmal hinuntergegangen, um Zigaretten zu kaufen. Bis die beiden zurück waren, mußte das Abendessen fertig sein. Die Männer! Immer mußte alles hopp hopp gehen, aber an die Schwierigkeiten der Hausfrau dachten sie nicht.

      Regine war wirklich schon eine kleine Hausfrau mit ihren zwölf Jahren. In den Stunden, die ihr die Schule ließ, hielt sie das winzige Dachstübchen, in dem sie mit Axel hauste, in Ordnung, kochte und räumte auf. Die Wäsche gab sie aus dem Hause, die hätte sie nicht geschafft, aber was es sonst noch zu tun gab, tat sie: Socken und Pullover stopfen, einkaufen und all die anderen kleinen Wichtigkeiten des Haushalts.

      Da kam Axel mit seinem Freund schon wieder. Sein dunkler Lockenschopf war naß, aber sein Gesicht vergnügt. Regine lachte zurück. All ihr Groll war ja nicht echt; es gehörte nur sozusagen zu den Spielregeln, daß sie über die Männer und ihren Unverstand schalt. Im Nu hatte sie den kleinen Tisch mit Tellern, Messern und Gabeln gedeckt. Axels Freund saß noch nicht, da war alles schon fertig.

      „Wartet, ich habe noch ein Ei, das schlage ich darüber“, sagte sie in das Brutzeln der Bratkartoffeln hinein. „Ja, eine Zigarette könnt ihr noch rauchen. Und dann wird gegessen. Mußt du noch mal fort, Axel?“

      „Heute nicht. Heute bleibe ich hier“, sagte er. Sie freute sich.

      Er mußte fast immer noch einmal fort, auf die Redaktion der kleinen Provinzzeitung, bei der er seit drei Jahren angestellt war. Er hatte nach dem mit achtzehn Jahren bestandenen Abitur studiert, weil seine ganze Liebe dem Zeitungswesen galt. Besonders begabt war er für Sprachen, in denen er sich laufend weiterbildete. Neuerdings sprach er andauernd italienisch, auch mit Regine, um ihr einen Begriff davon zu geben. Dabei gab es viel Spaß und Verwechslungen. Ein Freund aus seiner Studienzeit, ein junger Italiener, war viel bei ihnen ein- und ausgegangen, und durch seine Lebhaftigkeit war dieser Sprachunterricht noch lustiger geworden. Mit Axel wurde immer alles lustig und ein bißchen verrückt. Regine lernte in der Schule vorläufig nur Französisch, aber das ähnelt ja dem Italienischen, und so konnte sie manches erraten. Manches riet sie aber auch falsch oder gar nicht. Sie lachten oft, bis sie ganz erschöpft waren.

      Jetzt blieb sie stehen, die Pfanne in der Hand haltend, mit der sie zum Tisch getreten war – sie wollte die Bratkartoffeln gleich auf die Teller verteilen. Im Schein der Lampe, die mit einem Bindfaden herübergezogen war, so daß sie über dem kleinen runden Tisch hing, sah sie Axels Augen.

      Sie sahen anders aus als sonst. Ein wenig fragend, schüchtern fragend – und betrübt. Axel betrübt? War das möglich?

      „Was ist denn?“ fragte sie nach einem kurzen Schweigen. Sie fragte es gedämpft, wie es sonst nicht ihre Art war. „Hast du was? Ist was los?“

      „Ja. Setz mal das Ding ab!“ Er suchte ein Stück Papier und legte es auf den Tisch, nahm ihr behutsam die Pfanne aus der Hand und stellte sie darauf. Dann zog er die Schwester zu sich heran, zwischen seine Knie.

      „Regele“, setzte er an. Und dann sah er ein wenig hilfesuchend zu seinem Freund hinüber, der soeben seine Zigarette „kippte“. Er hatte gedacht, jetzt ginge das Essen los.

      „Ich will mich kurz fassen“, sagte Axel, als er sah, daß Wilm ganz leise mit den Schultern zuckte, sie ein wenig hob, so, als wolle er sagen: Ich weiß auch nicht. „Es ist was los, Regele. Was Schönes für mich. Und was Schlimmes für dich. Eigentlich ist so was ja nicht möglich, denn wir gehören doch nun mal zusammen, du und ich. Aber – ja also...“

      „Nun komm schon zur Sache!“ brummte Wilm und zündete seine Zigarette wieder an. „Oder soll ich?“

      „Was Schönes für dich?“ fragte Regine leise. Es klangschüchtern, verschüchtert, was sie sonst nie war. Und was Schlimmes für mich? Das aber sprach sie nicht aus. Es geisterte nur in ihren Gedanken hinterher.

      „Ja. Stell dir vor, ich soll nach Rom! Der gute Benjamino, der dort beim ,Messagero‘ ist, bei einer der größten römischen Zeitungen, weißt du, hat mir geschrieben. Sein Vater ist dort Direktor. Ich soll mich bei ihnen um eine Stellung bewerben. Es wäre so gut wie sicher, daß ich sie bekäme. Vielleicht für ein Jahr, vielleicht sogar für noch länger. Was sagst du dazu? Nach Rom, was ich mir immer schon gewünscht habe!“

      „Oh!“ Es war gut, daß die Bratkartoffeln sichergestellt waren. Regine warf beide Arme um Axels Hals.

      „Nach Rom? Axel! Für ein Jahr! Wirst du auch ordentlich verdienen?“

      „Natürlich. Sogar mehr als hier. Aber vor allem...“

      „Ja, ich weiß doch!“ Regine tat alles, was Axel jetzt sagen wollte, mit einer Handbewegung ab. Sie wußte wirklich, wie es Axel bei dieser Aussicht zumute sein mußte. Ihm, der seit Monaten von nichts anderem träumte als von der Peterskirche und der Via Appia, vom Tiber, von dem Sabinergebirge und all dem, was er bisher nur von Bildern und Büchern her kannte! Nein, dagegen gab es wohl nichts, was so schlimm wäre, daß man es nicht auf sich nehmen könnte als Gegenleistung.

      „Und nun sag schon das Schlimme!“ sagte sie deshalb schnell. Je eher man es hinter sich hatte, desto besser war es. „Ich muß solange allein bleiben? Ist es das, ja? Aber das ist doch klar.

      „Siehst du, so ist sie!“ sagte Axel halblaut zu seinem Freund hinüber. „Ich hab’ dir’s doch gesagt. Keine Träne, keine Szene. Ich hab’ die beste kleine Frau der Welt! Ja, Regele, das mußt du, aber nicht hier. Hier kann ich dich nicht allein lassen. Du mußt irgendwohin, zu Verwandten, wo du es gut hast.“

      „Hier fort?“ Regine sah sich um. Das Kämmerchen mit der einen schrägen Wand, in die sie selbst ein Bücherbrett eingebaut hatten, mit dem kleinen Mansardenfenster und dem Gardinchen davor, mit ihrer Chaiselongue und dem Feldbett für Axel, das sie nachts immer hinaus in den Bodenraum stellten, damit Axel dort schlafen konnte wie ein treuer Ritter, der die Königstochter bewacht. Das alles sollte sie verlassen?

      „Für immer?“ fragte sie ganz leise. Axel nahm ihr Gesicht zwischen seine Hände.

      „Nein, Regele. Wir haben folgendes gedacht: Wilm nimmt das Zimmer, solange wir weg sind, ganz und gar, so wie es ist. Deshalb habe ich ihn mitgebracht. Und wenn ich wiederkomme, und du magst auch wiederkommen ...“

      „Denkst du etwa, ich mag nicht?“ fragte Regele heftig. Er lachte, und auch Wilm lachte.

      „Gut, abgemacht! Und nun mach in Gottes Namen deine Zigarette zum zweitenmal aus, Wilm! Wir wollen essen. Mit leerem Magen plant es sich nicht gut. Ich habe schon eine Liste aufgestellt von allen Verwandten, die in Frage kommen, Regele. Wollen wir sie durchgehen bei deinen köstlichen Eierbratkartoffeln?“

      „Zeig

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