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im Filstal hatte er, sozusagen als Hauptprobe, einen sehr guten und überlegten Ritt hingelegt, mit keinem Abwurf und in korrekter Haltung. Diesmal aber... Die großen Jungen brachten ihre Pferde natürlich selbst zum Turnier, verluden immer abends und schliefen die Nacht in Ludwigsburg im Stall. Christoph und sein Kumpan aber hatten es sich anders überlegt. Statt zu verladen, kegelten sie den ganzen Abend und die halbe Nacht, bis früh um zwei, luden um vier die Stute ein – es war nicht mehr Fanny, sondern Iris, eine Julmond-Enkelin (von Julmond muß ich noch berichten) – und zuckelten mit dem Trecker nach Ludwigsburg. Die Stute stand einigermaßen geschützt im Anhänger, die beiden großen Jungen aber saßen in der Morgenkälte auf dem Traktor und bibberten, obwohl sie natürlich nicht zugaben, daß sie frören. Es war Mai, aber nachts noch sehr kalt. Steif gefroren und durch das Bier, das sie am Abend bei der Kegelei konsumiert hatten, ebenfalls leicht angeschlagen, stiegen sie in Ludwigsburg ab. Der Ritt, der bald darauf folgte, wurde zu keinem Ruhmesblatt unseres Jüngsten. Ein Klotz nach dem anderen fiel, und er wurde von siebzehn Teilnehmern der sechzehnte. Das war noch nicht dagewesen. Was aber machte er sich daraus? Nichts. Als ich endlich zu ihm durchgedrungen war, um ihn zu trösten – in Ludwigsburg herrscht immer ein Volksgewimmel, daß man kein Bein auf die Erde bekommt –, gab er gerade hübschen Mädchen Autogramme. Mir blieb der Mund offen. „Wa-was machst du denn da?“

      Er lachte.

      „Ich weiß auch nicht. So viele hab’ ich noch nie geben müssen. Von allen Seiten kommen sie. Ich glaub’, die halten mich für Schockemöhle. Und merken erst, wenn sie meinen Namen lesen, daß da ein kleiner Irrtum vorliegt...“

      Schockemöhle war nämlich auch da und damals schon sehr erfolgreich. Ich tauchte schleunigst wieder in der Menschenmenge unter. Trotzdem – wenn er zur Zeit verladen hätte, wäre diese Pleite nicht passiert. Ich ärgerte mich für ihn. So albern können nur Mütter sein.

      Württemberg hat ein altes, berühmtes Haupt- und Landesgestüt, Marbach auf der Alb, das vor vierhundert Jahren gegründet wurde. Dort gibt es für Kinder und junge Leute Reitkurse, die sehr begehrt sind. Man muß sich lange vorher anmelden, wenn man dort reiten will. Dafür ist es aber einmalig und unvergeßlich schön in seiner strengen Zucht und herrlichen Kameradschaft. Alle meine reitinteressierten Kinder waren dort, manche mehrfach. Jetzt reiten schon die Enkel dort.

      In Marbach stand als Hauptdeckhengst jahrelang der Trakehner Julmond. 1945, als die Russen näher rückten, ritt der dortige Stallmeister mit diesem Hengst von Trakehnen bis Schleswig-Holstein, machte dort Quartier, ritt zurück und führte den Treck mit den kostbaren Zuchtstuten und rettete sie dadurch. Er hat diesen Ritt in wenigen Wochen während eines fürchterlichen Winters dreimal gemacht, wahrhaftig eine Leistung von Pferd und Reiter! Julmond kam später nach Marbach und vererbte dort seine guten Eigenschaften, seine Zähigkeit, seine Härte, sein Durchhaltevermögen, und machte das Württemberger Pferd leichter. Das war ja bis dahin eigentlich nur Arbeitspferd, jetzt will man das Sportpferd herauszüchten. Julmond wurde dreiundzwanzig Jahre alt und ist in Marbach begraben. Meine Kinder haben ihn noch persönlich gekannt.

      Julmonds Söhne vererben weiter, alle ihre Namen beginnen mit einem I oder J, das gilt in Züchterkreisen als ein Buchstabe. Ikarus und Jäger zum Beispiel – Ikarus ist der Vater der Stute, die Christoph ritt, und Julmond ihr Großvater.

      Auch meine jüngste Tochter war oft in Marbach zu Kursen, machte das Examen als Reitwart und unterrichtete später in Feuchtwangen, wo sie einen ihrer Reitschüler heiratete. Mit ihm und ihren gemeinsamen drei Söhnen führt sie den Ponyhof weiter, den ich gründete, viel sachverständiger als ich und in größerem Stil. Viele Kinder haben bei ihr die Grundbegriffe des Reitens gelernt. Als sie zwei Söhne hatte und das dritte Kind erwartete, wurde sie manchmal gefragt, ob es diesmal eine Tochter werden sollte.

      „Wenn es nur gesund ist und vier Beine hat“, sagte sie. Dieser Versprecher ist typisch für sie, die dauernd mit Vierbeinern umgeht. Bei einem großen Reiter übrigens, Fritz Thiedemann, unvergessen durch seinen Meteor, wurde Wahrheit, was sie aus Versehen gesagt hatte. Da kamen zwei Söhne auf einmal auf die Welt... Diese Jungen reiten natürlich längst!

      Auch meine jüngste Tochter reitet Turniere, ja sie ritt sogar einmal, was ich gottlob nicht wußte, eine Military mit. Dazu gehört ein schwerer Geländeritt mit gefährlichen Hindernissen. Ich erfuhr es erst hinterher und war sehr glücklich, daß alles gutgegangen war, aber auch darüber, daß Militarys bei uns nicht an der Tagesordnung sind. Viele von euch kennen solche schwierigen Ritte sicherlich vom Fernsehen her. Wenn man sie in Wirklichkeit sieht, bleibt einem manchmal fast das Herz stehen.

      Mein Jüngster kaufte sich vor einiger Zeit ein Pferd, ein Großpferd, sehr sprungfreudig, das er auf einem Turnier beobachtet hatte, vor allem an der Kombination. Das ist ein Hindernis, das aus zwei oder drei Sprüngen besteht, deren Zwischenräume genau ausgemessen sind; Hindernisbauen ist ja eine Kunst und muß erlernt werden. Diese Stute setzte zwischen den Sprüngen nur einmal auf, wo die anderen Pferde zwei Galoppsprünge machten. Sie hat also ein enormes Greifvermögen. Die kaufte er, und als ich ihn fragte, was er damit vorhabe, sagte er, „unter anderem auch Militarys reiten“. Das versetzte mir einen kleinen Schock.

      Mein Ältester tröstete mich. „Du lebst doch von Katastrophen, die gut ausgehen“, sagte er, aus seiner mich weit überragenden Höhe auf mich herabblickend. „Wenn er jetzt diese Stute reitet, hängst du am Katastrophen-Dauertropf und brauchst keine anderen mehr.“ Da mußte ich doch lachen.

      Meine Tochter ritt einmal auf einem Turnier eine Schaunummer im Damensattel. Langes schwarzes Reitkleid aus Samt, Dreimaster auf dem Kopf. Es sah bezaubernd aus. Sie erzählte nachher, man säße im Damensattel auch sehr sicher, besonders schön wäre der Galopp. Eine andere meiner Töchter ritt aus Übermut ohne Sattel im Damensitz, trabte sehr vergnügt, flog dann aber doch durch einen nicht vorhersehbaren Zufall herunter und bekam eine Gehirnerschütterung. Ach ja, Gehirnerschütterungen gab es bei uns häufig. Ich war manchmal froh, wenn ich die Kinder dann für eine Weile auf Nummer Sicher im Bett hatte. Der jüngste Enkel verabschiedete sich (mit sieben Jahren!) im Krankenhaus, wo man ihm eine Platzwunde genäht hatte, mit einem „Na, dann bis bald!“

      Als der älteste vier Jahre alt war, trat er das erste Mal in einem Turnier auf, auch als Schaunummer. Er sah süß aus mit der viel zu großen schwarzen Kappe auf den Locken und ritt an der Hand seiner älteren Kusine. Der Lautsprecher gab bekannt:

      „Sie sehen jetzt die Kinder unserer bekannten Reiterin“ – es folgte der Name –, „die schon ihrerseits als Kind unsere Turniere verschönte. Bitte einfahren! Das große Brüderchen hat das kleine Schwesterchen am Führzügel...“ Das große Brüderchen war die Nichte, das kleine Schwesterchen der Sohn. Macht nichts, goldig sahen sie auf jeden Fall aus.

      In Cannstatt auf dem Hauptfest der Landwirtschaft fand einmal ein Turnier statt, zu dem auch Christoph gemeldet hatte. Es war einer der übermäßig heißen Sommer der vergangenen Jahre, hatte wochenlang nicht geregnet, die Sonne brannte wie ein Scheinwerfer herab, und wir bedauerten die Reiter in ihrer schwarzen Kluft. Kurz vor Beginn des Turniers zog sich ein Wetter zusammen. Ich suchte Christoph, der mit der ersten Equipe starten sollte.

      „Hast du was gegessen?“ fragte ich. Mütter denken ja immer, ihre Kinder fallen vom Fleisch. Er wehrte ab.

      „Ja, ja, hab’ ich. Muß auf den Abreiteplatz...“

      Ich verzog mich. Los ging’s. Der Himmel hatte sich bezogen, und dann schüttete es herab, als wollte Petrus alles nachholen, was er wochenlang versäumt hatte. Wer in einem solchen Guß starten muß, hat Pech, Rücksicht auf das Wetter kann nicht genommen werden.

      Es war kein leichtes Reiten. Nachdem der erste Ärger gehabt hatte – sein Pferd verweigerte schon beim ersten Hindernis –, startete Christoph. Er ritt gegen einen Regen an, daß man sich wunderte, wie er die Zahlen an den Hindernissen erkennen konnte. Schorsch, jener Bauer mit der Fanny und der Iris, hat einmal gesagt, als unsere jüngste Tochter sich im Parcours irrte: „Reiten kann die und springen auch, alle Achtung. Nur bis zwölf zählen, das muß sie noch lernen.“

      Christoph verzählte sich nicht. Dafür schlug sein Pferd jedes Hindernis an, über das es sprang, bolzte dagegen, daß es bebte, aber keins fiel. Nach jedem

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