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Gesammelte Werke: Historische Romane, Kriminalromane, Erzählungen & Essays. Rudolf Stratz
Читать онлайн.Название Gesammelte Werke: Historische Romane, Kriminalromane, Erzählungen & Essays
Год выпуска 0
isbn 9788075830760
Автор произведения Rudolf Stratz
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
Der Umstand, daß die Zensur zwei kleine Stellen beanstandet hatte, gab zu weiteren Mitteilungen Anlaß, die zunächst ein bevorstehendes Verbot des Stückes ahnen ließen, um mit dessen nach gütlicher Vereinbarung erfolgter Freigabe desto angenehmer zu überraschen.
Daß zahlreiche auswärtige Bühnenleiter sich um die Novität bewarben, mehrere ihr Eintreffen zu der Premiere in Aussicht gestellt, blieb gleichfalls nicht verschwiegen. Und da an allen diesen Nachrichten etwas Wahres war, fanden sie unbeanstandet ihren Weg bis in die größten Blätter.
Valeska sehnte den Beginn der Saison herbei. Sie langweilte sich tödlich.
Jeden Morgen war von zehn bis ein oder zwei Uhr Probe zu »Ellinor«. Dann ging sie nach Hause zum Mittagessen, und von da ab lag der Nachmittag und Abend in gähnender Leere vor ihr.
Mit Thilda war sie zwar öfters zusammen. Doch waren deren Hausgenossen vom Bade zurückgekehrt und nahmen sie für sich in Anspruch. Anziehend waren diese Leute, ein pensionierter Rechnungsrat mit Familie, gerade nicht, und auch Thilda selbst wurde auf die Dauer mit den ewigen Verhimmelungen ihres bei dem Onkel Klaus in der Neumark weilenden Assessors allmählich langweilig.
Und andere Bekanntschaften hatte sie nicht.
Zwar war Herr Hassel, der Agent, einmal bei ihr erschienen, um sich mit väterlichem Wohlwollen nach ihrem Befinden zu erkundigen. Doch empfing sie ihn, durch trübe Erfahrungen gewitzigt, im Salon in Gegenwart der ab- und zugehenden Frau von Haidenschild, und der Greis empfahl sich still.
Im Theater traf sie auch nur die paar Kollegen, die in »Ellinor« beschäftigt waren. Die andern erschienen allenfalls einen Augenblick auf dem Bureau. Thilda zeigte ihr Käthe Hannemann, ein großes, üppiges Mädchen mit weichlich-schönen Zügen, und Franziska Ilgen, eine pikante Brünette in feuerroter Sommerbluse und großem Strohhut. Aber zu persönlicher Bekanntschaft kam es nicht.
Sie hätte ja leicht Verbindungen anknüpfen können. Harald Grillon und ein anderer Kollege hatten bei ihr vorgesprochen, mußten sich aber mit Zurücklassung ihrer Karten entfernen.
Dann hatte sich eine ältliche, runde Dame an Valeska herangedrängt und sie aufgefordert, sie zu besuchen. Es verkehrten bei ihr viele Damen vom Theater!
Das war in gewissem Sinne richtig. In ihrer Wohnung fanden ab und zu Gesellschaften statt, wo sich jüngeren Kavalieren und Offizieren in Zivil die Gelegenheit bot, eine Anzahl kleiner Mädchen von Chor und Komparserie der Vorstadtbühnen kennenzulernen. Natürlich in allen Ehren. Darauf hielt die Dame in ihrem Haus. Was weiter aus dem Verhältnis wurde, ging sie nichts an.
Aber Valeska fertigte sie schnöde ab. »An mir werden Sie keine Provision verdienen!« sagte sie gleichmütig und wandte ihr den Rücken.
Ebenso widerstand sie der ihr von Frau von Haidenschild nahegelegten Versuchung, bei einigen von ihr genannten Familien Visite zu machen. Thilda hatte sie gewarnt:
»Es sind die alleruntersten Schichten der Börse! Du wirst dort nur eingeladen, um hübsch auszusehen, dir von den Herren das zuflüstern zu lassen, was sie sich den anderen Damen gegenüber nicht gestatten, und zum Schluß als Dank für Wein und Braten der jubelnden Gesellschaft etwas möglichst Verfängliches zu deklamieren. Hast du Glück, so triffst du dort auch einmal eine gefeierte Tingeltangelsängerin als Kollegin an!«
Da ging sie also nicht hin. Sie war überhaupt an Grau von Haidenschild irre geworden, seit sie neulich durch Zufall einen Blick in die sonst hermetisch verschlossenen Flurzimmer des Grafen Vach geworfen hatte, in denen die Magd eben scheuerte.
Das war keine Garçonwohnung, nein, ein raffiniert ausgestattetes blauseidenes Boudoir mit Hängeampel und Himmelbett, mit einem großen Bärenfell und türkischen Wandteppichen.
Ehe sie sich noch von ihrem Erstaunen erholte, lief Frau von Haidenschild an ihr vorbei in das Zimmer und schlug die Tür zu. Von innen hörte man, wie sie die säumige Magd ausschalt.
Seitdem lebte die Haidenschild mit Valeska auf dem Kriegsfuß, wenn sie auch nichts zu sagen wagte.
Endlich war der Tag vor der Aufführung der »Ellinor« gekommen. Er brachte die Kostümprobe, die um ein halb elf Uhr begann.
»Pass' auf!« sagte Thilda lachend in der Garderobe zu Valeska, während sie sich das Gesicht vor dem Spiegel mit Kakaobutter einrieb, daß es glänzte ... »Mit diesem Anzug kommst du nicht durch! Du siehst viel zu zierlich und niedlich aus in dem weißen Häubchen und der weißen Schürze und den Hackenstiefelchen und den bloßen Armen! So geht eine Wirtin in der Operette, aber nicht eine Berliner Dienstmagd!«
Und richtig! Kaum war der Vorhang in die Höhe gegangen und Valeska auf der Bühne erschienen, so erhob sich Hochmann, der einsam vorn im Parkett saß – der Autor hatte sich mit ihm endgültig überworfen und nahm nicht mehr an den Proben teil –, und klopfte energisch ab.
»Unmöglich, Elten ..., unmöglich!« rief er ... »warum nicht lieber gleich in Balltoilette? ... Sie sind Dienstmädchen bei einem Schnittwarenhändler – bei einem Schnittwarenhändler ...«, wiederholte er sinnend ... »Sehen Sie sich bitte nachher das erste beste Dienstmädchen an ... Nebenan in der Markthalle am Magdeburger Platz finden Sie, soviel Sie wollen, und kleiden Sie sich danach ... So – nun weiter!«
Die Elten seufzte, beorderte, nach Hause zurückgekehrt, Frau von Haidenschilds Magd zu sich, sah sie prüfend an und entließ das grinsende Geschöpf mit befriedigtem Kopfnicken.
Eine Stunde darauf klingelte sie ihr wieder, und die Magd sah beim Eintreten mit dumpfem Erstaunen, daß das Fräulein sich inzwischen auch in ein besseres »Mädchen für alles« verwandelt hatte.
»Haben Sie Zeit?« fragte Valeska ... »Ich möchte mit Ihnen auf den Boden hinaufgehen ..., so, wie ich bin ..., und ein wenig in meinen Koffern kramen.«
»Aber da wird ja det neue Kleid staubig!« grinste die Magd.
»Das soll es ja gerade!« sagte Valeska unwirsch. »Nachher mache ich noch ein paar Ölflecke hinein, und Sie können mir die blaue Schürze da am Herd etwas rußig machen. Es muß alles ganz echt werden!«
Als die beiden nach einer halben Stunde mit klappernden Schuhen vom Boden wieder herunter kamen, begegnete ihnen auf dem Hausflur ein hübscher, etwas verlebt aussehender junger Mann. Valeska erblickend, blieb er stehen, legte den Arm um sie und küßte sie, als ob sich das von selbst verstände.
»Mein Herr ...« schrie die Elten empört.
»Mein Fräulein!« sagte der Kavalier freundlich lächelnd, lüftete seinen Hut und stieg die Treppe hinunter.
»Er hält Ihnen doch für'n Dienstmädchen!« kicherte die Magd, strahlend vor Entzücken. »Der wird sich wundern, wenn ick ihm sage ...«
»Wer ist es denn?«
»Der Herr Jraf von Vach!«
»Sie sagen ihm kein Wort ... verstanden!« befahl Valeska zornig, ging auf ihr Zimmer und zog sich um.
Ein unverschämter Mensch, dachte sie bei sich, ein Glück, daß es wenigstens ein Graf war!
»Sie werden sehen, Gnädigste,« sagte am selben Abend Dr. Lenze, der Herausgeber der »Europäischen Korrespondenz«, zu ihr, »es gibt einen Durchfall mit Pauken und Trompeten!«
»Woher wissen Sie denn das?« Valeska sah den blassen Journalisten, der trotz seiner stutzerhaften Kleidung so merkwürdig verkommen aussah, belustigt an.
»Das liegt in der Luft!« erwiderte Herr Lenze kurz. »Freilich, man irrt sich auch zuweilen, wenn Sie sich entschließen wollten, heute, an diesem schönen Sommerabend, mit mir einen kurzen Spaziergang zu machen, erzähle ich Ihnen mehr darüber.«
Allein Valeska dachte nicht