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Gesammelte Werke: Historische Romane, Kriminalromane, Erzählungen & Essays. Rudolf Stratz
Читать онлайн.Название Gesammelte Werke: Historische Romane, Kriminalromane, Erzählungen & Essays
Год выпуска 0
isbn 9788075830760
Автор произведения Rudolf Stratz
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
Aber da hörte sie schon neben sich eine wohlklingende Stimme.
»Verzeihen Sie, mein Fräulein!« sagte der Major halb lächelnd und sah sie von der Seite an. Valeska, dachte blitzschnell daran, daß sie im Profil eigentlich am wenigsten hübsch sei. »Ich komme so gut wie nie ins Theater, wahrscheinlich habe ich die Ehre, neben einer unserer berühmtesten Schauspielerinnen zu gehen?«
»Ich? Ach du lieber Gott!« die kleine Elten sagte das, stehenbleibend, mit dem Brustton so ehrlicher Überzeugung, daß beide hell auflachten.
»Nein, wahrhaftig, Herr Major,« fuhr sie dann fort, »ich bin froh, wenn ich's Leben hab' hier in Berlin!«
»Sind Sie denn schon länger in Berlin, mein Fräulein?« fragte Herr von Rönne.
»Erst seit vorgestern, und ich komme mir hier so klein vor, aber so klein ...« Valeska deutete, mit der Hand auf den Boden zeigend, das winzige Maß ihrer hiesigen Bedeutung an. »Ich habe die Empfindung, als wäre ich eine ganz, ganz kleine uralte Frau ... hier in Berlin!«
Der Major lachte.
»Also kommen Sie aus der Provinz, mein Fräulein?«
»Ja, aus Bergheim!« Valeska atmete erleichtert auf. Sie empfand es dankbar, daß der so geistvoll und überarbeitet aussehende Mann sich zu einem Gespräch mit ihr zwang, das sie ohne Schwierigkeit führen konnte. »Dort hat es mir viel besser gefallen. Aber schließlich ... man muß doch nach Berlin ...«
»Ist das so nötig?«
»Ja gewiß!« sagte Valeska ernsthaft. »Hier macht man Karriere – oder auch nicht! Ich für meinen Teil wähle das letztere!«
»Das glauben Sie ja selbst nicht, mein Fräulein!« Der Major sah sie mit höflichem Lächeln an. »Ich werde in nächster Zeit die Theaternachrichten in den Blättern verfolgen, um rechtzeitig von Ihren Triumphen zu erfahren.«
»Wie soll ich denn ohne Rollen triumphieren?« rief Valeska verzweifelnd aus. »Man gibt mir ja keine! Das ist gerade, wie wenn Sie ohne Ihr Bataillon den Feind schlagen sollten!«
»Das heißt ... verzeihen Sie den Vergleich ...«, fügte sie nach einer Weile kleinlaut hinzu. »Unser Komödienspiel darf man natürlich nicht mit so ernsten Dingen zusammen nennen!«
Aber Herr von Rönne schien nichts dabei zu finden – im Gegenteil!
»Das ganze Leben ist ein Kampf, mein Fräulein,« sagte er ruhig, »und in der ganzen Welt spielt man Komödie. Das geschieht nicht nur auf den Schlachtfeldern und nicht nur im Theater des Abends von sieben bis zehn.«
»Gott sei Dank!« Thilda hatte sich flüchtig umgedreht, um nach Valeska zu schauen, und wandte sich wieder zu ihrem Begleiter. »Die freunden sich miteinander an!«
Der Assessor lächelte überlegen.
»Mein Bruder ist ein vollendeter Weltmann und als preußischer Stabsoffizier jeder Situation gewachsen. Er unterhält sich mit dem kleinen Mädchen so gut, wie er es ebenso notgedrungen mit irgendeiner törichten Durchlaucht oder einem bissigen Vorgesetzten tun würde. Das ist Sache der Form. Sein Geist weilt weit von hier bei seinen Aktenstücken und Kriegsplänen!«
»Aber wir wollen ihm zu Hilfe kommen!« Und sich mit Thilda zu den andern gesellend, begann er den Cicerone zu spielen und die Gemälde zu erklären.
»Ist das ein gutes Bild?« hatte Valeska gerade vor einem Münchener Impressionistenwerke vertrauensvoll den Major gefragt, und der hatte ihr lachend geantwortet: »Zu viel Ehre, mein Fräulein! Ich verstehe gar nichts davon, aber ich finde es scheußlich!«
Der Assessor übernahm nun also die Führung. Man wanderte durch die farbenglühenden Räume Italiens, man besuchte die blutrünstigen, riesigen Spanier, bei denen die Mädchen vergebens nach einem Bilde ohne Mord und Leichen suchten, man sah die belgischen Armeleutmaler, die stillosen Engländer, man studierte zahllose deutsche Bilder, trotzig hingestrichene Impressionistenstücke neben sorgsam von Frauenhand für den Verkauf zurechtgepinselten Stilleben, zum Kasinoschmuck angefertigte Fürstenporträts, Landschaften im alten Stil mit riesigen, unwahrscheinlich tintenschwarzen Schatten und lichtgraue moderne Luftstudien.
»Warum scheint denn auf den neuen Bildern nie die Sonne?« fragte Valeska.
Aber niemand wußte eine Antwort.
Bald wurde man müde vom vielen Schauen. Bunte Farbenflecke tanzten vor den Augen, und dem Major erschien, wie er behauptete, die ganze Ausstellung nur noch als eine ungeheure Masse durch Ölflecke verdorbener Leinwand, aus der man weit besser Hemden für die Waisenkinder hätte machen sollen.
Der Assessor führte also die Gesellschaft ins Freie und, als ob es sich von selbst verstände, auf das große halboffene Rundell zu, worin sich das Weinrestaurant der Ausstellung befand. Gegenüber spielte die Kapelle des 2. Garderegiments gerade den »Feuerzauber«, ein dichter Menschenstrom flutete langsam dazwischen hin, und rechts und links erstreckten sich unten auf dem Kiesboden die schwarzwimmelnden Biertische. Auch in dem Rundell war alles schon von der besseren Welt der weintrinkenden Kreise erfüllt, allein ein Kellner hatte, gegen das Versprechen reichlichen Trinkgelds, einen Tisch an der offenen Balustrade reserviert.
Valeska schien jetzt die Zeit gekommen, sich zu empfehlen.
»Also auf wiedersehen morgen früh,« sagte sie zu Thilda und reichte ihr die Hand, »ich danke Ihnen auch schön!«
Thilda wußte nicht recht, was sie machen sollte.
Da wandte sich der Major an Valeska.
»Sie Ärmste haben wohl noch eine große Rolle zu lernen?«
»Ach nein!«
»Ja, was machen Sie denn dann, wenn Sie jetzt nach Hause kommen?«
»Nichts. Ich gehe in meinem Zimmer herum, rauche eine Zigarette und hadere mit meinem Schicksal!«
»Ja, das verstehe ich nicht!« sagte Herr von Rönne und sah sie an. »Dann bleiben Sie doch bei uns, mein Fräulein!«
»Aber natürlich!« pflichtete der Assessor bei. »Bitte ganz gehorsamst!«
»Ja, wenn es Sie nicht stört«, sagte die Elten und stieg neben dem Major die Treppe hinauf. »Ich bin so froh, wieder einmal unter Menschen zu sein – ich fühle mich so schrecklich verlassen in Berlin ...«
»Seltsam ...«. Der Major nahm ihr den kleinen Sonnenschirm ab und stellte ihn gegen einen leeren Stuhl. »Ich dachte immer, gerade den Damen vom Theater fehlte es an Abwechslung nicht!«
»Manchen freilich nicht,« erwiderte Valeska, tugendhaft seufzend, »und dann die berühmten Schauspielerinnen, die freilich, um die dreht sich ja alles. Über die schreibt man Romane und Theaterstücke, sogar Orden kriegen sie; aber wer kümmert sich um uns arme kleine Würmer?«
»Da haben Sie recht!« sagte Thilda, während sie sich setzten. »Aber ich glaube, es geht überall so; die große Menge sieht immer nur die Ausnahmen, und uns andere verurteilt sie nur so in Bausch und Bogen und denkt, daß wir alle ohne Perlenkolliers und eigene Equipagen nicht existieren können und dafür des Abends so ein Viertelstündchen Komödie spielen!«
Valeska schwieg sittsam. In ihr aber regte sich der verbrecherische Gedanke: »Wenn die von meinem kleinen Husaren wüßte, die würde sich wundern!«
Thilda aber ahnte nichts dergleichen. »Da geht Mizi!« sagte sie zu Valeska und deutete auf die kleine Stadinger, die eben hüstelnd und in schläfriger Respektabilität unten am Arme eines hübschen bartlosen Menschen vorbeischritt.
»Ist das der Prinz?« fragte die Elten.
Nein, der Prinz von Dunn speiste eben ahnungslos in seinem Kasino. Dies war nur der Naturbursche des Spree-Theaters.
»Ormes Vater ...«, sagte Valeska bedauernd im Mikosch-Dialekt und sah den beiden nach, »wie host du dir verändert!«
Die andern lachten, und der Major fragte scherzend: »Haben Sie das auch in Bergheim gelernt, mein