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noch nicht kapiert. Aber es ist eine bösartige Ehebruchsgeschichte!«

      »Zum Schluß nimmt die Dobschütz Gift!« rief Thilda dazwischen.

      »Wenn sie's nur in Wirklichkeit täte!« Valeska faltete fromm nach Kinderart die Hände. »Ich wollte es ihr ja gerne aus der Apotheke holen!«

      »Und ich zahl's!« setzte Thilda schwermütig hinzu. »Der Gedanke ist kindisch, aber göttlich schön!«

      »Aber, meine Damen!« Der Major schien ehrlich erschrocken.

      »Ja, Sie kennen das Theater nicht!« sagte die kleine Elten. »Da wird man so!«

      Nein, der Major kannte wirklich das Theater nicht.

      »Sie haben mir heute eine ganz neue Welt eröffnet, meine Damen!« sagte er lachend. »Ich war wirklich nahe daran, zu vergessen, dast es überhaupt noch vergnügte Kinder dieser Welt gibt, und bin meinem Bruder jetzt wirklich dankbar, daß er mich auf ein paar Stunden meinem finsteren Aktenloch entrissen hat.«

      Thilda warf ihrem Verehrer einen strahlenden Blick zu.

      »Nun, sehen Sie!« Valeska schaute Herrn von Rönne ernsthaft ins Gesicht. »Die Welt geht also nicht unter, auch wenn Sie einmal nachmittags keine Schlachtenpläne machen.«

      Sie fühlte sich außerordentlich wohl und schwatzte und lachte in einem fort! Sie erzählte von dem dicken bayerischen Rittmeister, der in ihrem berühmten Bade Holl gesagt haben sollte: »Im Dienscht bin i a Viech!« und nach einer Weile nachdenklich hinzugesetzt: »Und i bin immer im Dienscht!« Und von dem Mimen, der eigentlich stotterte, sich aber des Abends ver..s..s.. stellte. Sie warf das scharfsinnige Rätsel auf, wie man seiner eigenen Zigarre begegnen könne – wenn man nämlich gerade nach Hause käme, während die Zigarre ausgeht –, und riß in dem strahlenden Übermut, mit dem sie ihren Unsinn vorbrachte, die Herren mit sich hin.

      Auch Thilda war zufrieden. Anfangs hatte sie mit gelindem Bangen bemerkt, wie Fräulein Elten anfing, aus sich herauszugehen. Bald aber merkte sie, daß diese sehr sicher die Grenzen des Erlaubten innezuhalten wußte und bei aller Lustigkeit in Sprache und Benehmen sich nichts vergab. Eine sechsjährige Erziehung durch die preußische Kavallerie hatte da Wunder gewirkt.

      So schlenderte man vergnügt durch den Park, in dem das blaue Licht der Bogenlampen seinen Schein auf die wimmelnden Massen warf; man besuchte den Pergamontempel und die Osteria mit ihren verrückten Wandgemälden, man zeigte Valeska das »Nasse Dreieck«, wo Tausende von Menschen gleichzeitig Drehersches Bier tranken, und war im Begriff, die »Klause« aufzusuchen, als der Assessor etwas zögernd auf die Uhr sah.

      »Lieber Albrecht,« sagte er, »entschuldige, daß ich dich erinnere. Wir sind heute abend zu Westrows eingeladen!«

      »Ja, aber doch erst auf acht Uhr!«

      »Ja – halb acht ist es!«

      Darüber entstand allgemeine Aufregung. Niemand hatte geglaubt, daß die Zeit so rasch verstrichen sei.

      »Schade!« sagte Valeska offenherzig, während sie mit Thilda in einen Wagen stieg, und schüttelte den Herren herzlich die Hand. »Daß Sie gerade heute eingeladen sein müssen; es war so nett ... das heißt ... wenigstens für mich. Sie, Herr Major, haben natürlich das Recht und die Pflicht, uns zu grollen, daß wir Sie in Ihren Kriegsplänen ge...«

      Aber da zog der Gaul schon an, die Herren lüfteten ihre Hüte, und der Wagen rollte davon.

      Unterwegs schüttete Thilda der neuen Freundin ihr Herz aus: Sie sei mit dem Assessor so gut wie verlobt. Dieser wolle dann seinen Abschied nehmen und ein Gut kaufen. Dazu aber gehöre die Einwilligung seines Stiefbruders, des Majors, der schon seit zehn oder zwölf Jahren infolge einer Erbschaft über ein bedeutendes Vermögen verfüge. Viel habe er selbst davon nicht, denn er lebe eingezogen nur seinem Dienste.

      »Glauben Sie, daß ich ihm gefallen habe?« fragte sie ängstlich.

      »Aber natürlich!« sagte Valeska mit imponierender Bestimmtheit. »Er ist ja selbst rasend in Sie verschossen!«

      Thilda lachte hell auf. »Der ...! Aber ein Glück war es, daß Sie mitkamen! Gott weiß, wie es ohne Ihr Geschwabbel geworden wäre!«

      »Vermutlich sehr langweilig«, meinte Valeska und schlug dann vor, an der Jostyschen Konditorei auszusteigen und zur Abkühlung nach all den aufregenden Ereignissen Schokolade zu trinken.

      Das taten sie also.

      Dann gingen sie zu Fuß nach Hause in Thildas Wohnung und aßen dort auf dem Balkon zu Abend. Ihren Tee schlürfend, hörte Valeska geduldig die Geständnisse ihrer Freundin an, wonach ihr »Er«, nämlich der Assessor, schon seit Jahren als die Krone und Perle aller Männer erschienen sei.

      Unwillkürlich kamen sie dabei in das Bühnen-»Du« hinein, während sie, Zigaretten rauchend und dicht aneinandergeschmiegt, in die dunkle, warme Augustnacht hinausblickten.

      Gegen zehn Uhr erinnerte sich Valeska, daß sie keinen Hausschlüssel mithatte.

      »Gute Nacht, du süßer Hammel!« sagte sie aufstehend und küßte die Freundin. »Schlaf gut und träum' von ›ihm‹!«

      »Von wem träumst denn du?« fragte Thilda, ihren Kuß erwidernd.

      Aber Valeska war durchaus nicht zu Geständnissen geneigt.

      »Ich träume jede Nacht von meiner Urgroßtante«, sagte sie vergnügt, lief nach Hause und schlief, sich immer noch vor Lachen schüttelnd, ein.

      VI.

       Inhaltsverzeichnis

      Die säuerliche Langeweile der norddeutschen Gesellschaft brütete in dem engen Raum, wo der alte Generalleutnant z. D. von Westrow seine Gäste versammelt hielt.

      Viele waren es nicht, nur Verwandte, ausnahmslos dem märkischen Schwertadel entstammend, aus dem Lande »zwischen Luch und Bruch« gesprossen, dessen Sand und Sumpf seit Jahrhunderten in zahllosen Schlachten das Blut ihrer Sippen aufgefangen.

      Der alte General war Witwer. Er hatte sich seit seiner Pensionierung ein etwas jugendliches, tänzelndes Wesen und eine aufgeregte Sprechweise angewöhnt. Trotzdem verfiel der kleine, silberhaarige Herr rapide in dem erzwungenen Müßiggang.

      Zu seiner Rechten saß, als die vornehmste Dame der Gesellschaft, die hagere, distinguierte Exzellenz von Isingen.

      Ihr Mann, der General der Infanterie z. D., saß gegenüber. Er war ein straffer, finster blickender Militär, der seine Zeit noch lange nicht für verronnen hielt. War doch in letzter Zeit mehr als ein zur Disposition gestellter Herr mit glänzendem Erfolg wieder »ausgegraben« worden. Manche hielten ihn denn auch noch für einen »kommenden Mann«.

      Von dem runden, biederen Hauptmann von Harwitz, der gegenüber seiner hübschen Frau am Ende der Tafel saß, erwartete man keine solche Karriere. Die Familie war einig, daß er an der Majorsecke stranden und ein Bezirkskommando erhalten würde.

      Er fühlte sich etwas ungemütlich, weil er neben der stillen, bleichen Frau von Elcke saß. Die Greisin war schon seit fast einem Menschenalter Witwe. 1870 hatte ihr der Tod in einer Stunde den Gatten und beide Söhne entrissen; an jenem furchtbaren 18. August, da auf den Feldern von St. Privat, wie sich sonst ihr anderer Nachbar, der Generalstabsoberst v. d. Lünne, auszudrücken pflegte, eine Generation des preußischen Gardeadels von der Erde vertilgt wurde.

      »Habe selbst an der einen Kirche vierzig tote Herren von der Garde in Reihen liegen sehen,« bemerkte er dann wohl, »und was ist das schließlich gegen den Siebenjährigen Krieg, wo allein siebenunddreißig Wedells und vierzig Kleists vor dem Feinde starben.«

      Dann war da noch der Oberst von Westrow von der schwarzen Linie, ein flotter Feldsoldat, mit seiner Frau und zwei niedlichen, kaum dem Backfischalter entwachsenen Töchtern, und einige Leutnants, Isingens und Westrows durcheinander, darunter ein oder zwei mit ihren jungen Frauen.

      In

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