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... sehen Sie ... so!«

      »Na, nu wird's jut!« sprach ihm die Elten nach.

      »Das war wieder zu leise ... zu undeutlich ... hören Sie noch einmal!«

      »Na, nu wird's jut!« wiederholte die Elten.

      »So ... jetzt wird es! ... Noch einmal!«

      »Na, nu wird's jut!« sagte sie in innerlicher Verzweiflung.

      »Schön, nun die ganze Szene noch einmal!«

      Valeska ging, unhörbar seufzend, nach hinten, markierte durch zwei Bogenschritte das Eintreten, und die Szene wurde wiederum durchgenommen.

      »Die Kleinigkeit noch einmal!« sagte Hochmann.

      Diesmal ging der Auftritt besser, aber trotzdem klang es zum Schluß:

      »Die Kleinigkeit noch einmal!«

      Nach der vierten Wiederholung war der Direktor halbwegs zufriedengestellt. »Weiter ... die große Szene!« rief er. Der Väterspieler stürzte mit grimmigem Gesicht herein, und Valeska konnte hinter die Pappwand treten.

      »Das ist doch die reine Tierquälerei!« sagte sie, die Stirn trocknend, zu Thilda Thorbeck. »wenn das die nächsten vierzehn Tage so weitergeht, so danke ich schön!«

      »Und schließlich fällt das Stück durch«, sagte Thilda lachend, »und alles war verlor'ne Liebesmüh'. Freilich, wir können das kaum beurteilen ... wir gehen zu sehr nach den Rollen.«

      »Ein Quark ist's!« meinte die Elten grimmig und mit der Sicherheit der Provinz. »So 'ne abgedrosch'ne Ehebruchsgeschichte.«

      »Ehebruch zieht immer!« widersprach die Thorbeck etwas altklug. »Die Hälfte des Publikums besteht doch aus Damen, und die lieben das! Es gruselt ihnen so angenehm, und die Dobschütz macht es auch wirklich gut. Einen Schrei hat sie ... na, Sie werden ja hören.«

      »Gott sei Dank!« Valeska gähnte verstohlen. »Im vierten Akt hab' ich nichts mehr zu tun. Da kann mich der Alte nicht mehr schurigeln.«

      »Der ist imstande und probiert das ganze Stück heute noch einmal durch«, meinte Thilda. »Mit den kleinen Rollen hat man eine schreckliche Last. Da sehen Sie die Mizi Stadinger, die hat im Vergleich zu uns noch eine Bombenpartie.«

      Die kleine Naive stand unfern von ihnen mit zwei Schauspielern zusammen und erzählte ihnen in dem schleppenden Tone eines verwöhnten Kindes von der Sommerreise, die sie mit ihrem Prinzen gemacht.

      Sie war mit ihm in Trouville gewesen und hatte dort eine Menge Kavaliere kennengelernt, namentlich einen ungarischen Fürsten, der aber unter Kuratel stand, einen wunderschönen schottischen Lord, der fabelhaft reich gewesen sei, und einen italienischen Herzog, letzterer ein ganz kleiner, gelblicher Mann mit Säbelbeinen, aber aus einem 3000 Jahre alten Geschlecht.

      Sie, die Mizi, habe diese Kavaliere alle abfallen lassen. Denn sie sei nicht so!

      Die beiden Mädchen, die das Geschwätz mit anhörten, sahen sich verstohlen und halb lächelnd an.

      Offenbar, dachte Valeska, ist Thilda Thorbeck solide! Als Offizierstochter und wenn sie in den feinsten Kreisen verkehrt ... Und laut fragte sie: »Wo wohnen Sie eigentlich, Fräulein?«

      »Ich wohne bei einer bekannten Familie, an die ich empfohlen war ... in der Friedrich-Wilhelm-Straße«, sagte Thilda. »Und Sie? Haben Sie eigene Wirtschaft?«

      »Bei 300 Mark Gage?« erwiderte Valeska melancholisch. »Ach nein! Ich habe mich in dem Pensionat der Frau von Haidenschild eingemietet – ganz in Ihrer Nähe.«

      Sie wußte, daß diese Tatsache die Kollegin günstig stimmen würde.

      Und wirklich sagte diese einige Zeit darauf nach kurzem Zögern:

      »Was machen Sie so des Abends? Ich fühle mich eben sehr einsam. Die Familie, wo ich wohne, ist noch in der Sommerfrische, alle Bekannten sind verreist, ich bin ganz allein in der großen Wohnung.«

      »Wollen wir vielleicht gegen Abend ein bißchen spazierengehen?« fragte Valeska. »Vielleicht darf ich Sie abholen ... um fünf Uhr etwa?«

      »Jawohl, um fünf.« Thilda Thorbeck war es recht.

      »Das sei das Ende!« tönte in diesem Augenblick die Stimme der Dobschütz. Sie machte eine Bewegung, als ob sie einen Giftbecher leere, steckte dann ihre Rolle in die Tasche und sah phlegmatisch den Direktor an.

      »Na, genug für heute!« sagte der, aufstehend. »Mahlzeit, meine Herrschaften!«

      »Guten Morgen, Herr Direktor! Mahlzeit! Mahlzeit!« tönte es von verschiedenen Seiten, und die Bühne leerte sich.

      Nach kurzer Zeit lag das Theater verlassen da. Nur der Schritt der Feuerwache dröhnte alle paar Stunden durch die leeren Räume.

      Langsam schritt Valeska durch die erstickende Sonnenglut nach Hause.

      »Ein Hundeleben!« seufzte sie, auf die Uhr sehend. Es war halb zwei Uhr mittags. Die Probe hatte dreieinhalb Stunden gedauert.

      Vorgestern um diese Zeit! Ach, wie anders war es da gewesen!

      Da hatte sie mit pochendem Herzen und unbestimmter Siegeszuversicht im Eisenbahncoupé gesessen und hatte die Minuten gezählt, bis sie den Fuß auf Berliner Boden setzen konnte.

      Und jetzt!?

      Am liebsten wäre sie sofort wieder abgereist.

      Die Probe hatte sie ganz mutlos gemacht. Wie, wenn sie nur solche Rollen wie diese zu spielen bekäme? Den ganzen Winter hindurch – vielleicht drei Jahre lang!

      Das war ein furchtbarer Gedanke. Und um so furchtbarer, als sie nichts dagegen tun konnte. Sie war hier machtlos in Berlin, das fühlte sie, ein Spiel des Zufalls, die Beute eines glücklichen oder unglücklichen Augenblicks.

      Ein matter Windhauch, der durch die Lützowstraße ging, trieb einen Fetzen Papier vor ihr her über das Pflaster.

      So geht es auch mir, dachte sie. Ich habe überhaupt keinen Willen mehr. Direktor, Publikum, Kritik und Schneiderin sind meine Schicksalsgötter. Mögen sie mir gnädig sein!

      V.

       Inhaltsverzeichnis

      Valeska hatte einsam auf ihrem Zimmer zu Mittag gegessen, sich über das schale Patzenhoferbier geärgert, das Frau von Haidenschild als Tafelgetränk eingeführt hatte, und sehnte, des Alleinseins ungewohnt, die fünfte Stunde herbei, wo sie die neue Freundin zum Spaziergang abholen sollte.

      Sie fand sie zu ihrem Erstaunen schon in dem Torflur ihrer wartend, einfach, aber mit harmloser Koketterie gekleidet und offenbar sehr erfreut über ihre Pünktlichkeit.

      »Ich möchte Ihnen vorschlagen,« sagte Thilda Thorbeck schnell und etwas erregt, »daß wir in die Kunstausstellung gehen. Es sind da wundervolle Bilder und ein schattiger Park und Militärmusik und ...«

      Und »Er«, dachte die Elten. Sie merkte schon, daß die Sache auf ein Stelldichein hinauslief, bei dem sie die Rolle des »Elefanten« spielen sollte. Laut aber erwiderte sie:

      »Wie Sie wollen, Fräulein! Ich bin zu jeglicher Schandtat bereit.«

      Sie stellten sich also auf den Vorderperron eines Pferdebahnwagens, auf dem ein kalkbespritzter Arbeiter sie müßig anstierte, und fuhren längs des Tiergartens, an der Siegessäule und dem Generalstabsgebäude vorbei, über die Alsenbrücke.

      »Da ist die Kunstausstellung!« sagte Thilda und deutete vor sich hin.

      »Da? Das große rote Gebäude links?« fragte die Elten, in der Sonnenglut unter Schirm und Schleier blinzelnd.

      »Nein, das ist ja ein Zuchthaus oder sowas!«

      »Ach so! Da hinten das stattliche weiße Ding mit den Türmchen?«

      »Das

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