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Karriere machen...«

      Es war, als drängen ihr die stechenden Augen des Alten bis in das Innerste der Brust.

      »Karriere ... Karriere ...«, wiederholte er höhnisch. »Karriere ...« Dann versank er in nachdenkliches Schweigen.

      Eine lange Pause entstand.

      Plötzlich hob der im Lehhnstuhl wieder zu sprechen an.

      »Du willst wissen, wie man Karriere macht«, sagte er leise; seine Augen funkelten, und ein boshaftes Lächeln verzerrte seinen welken Mund. »Ich will es dir sagen, mein schönes Kind ... denn bei dir fällt die Giftsaat vielleicht auf rechten Boden!«

      Die Schauspielerin sah ihn erschrocken an.

      »Was bist du denn?« fuhr der Alte hämisch flüsternd fort.

      »Du bist eine Magd der Menge!

      Jeden Abend hast du einen neuen Herrn über dir, einen tausendköpfigen, launischen, ungerechten, undankbaren Herrn.

      Dem dienst du in buntem Tand und Flitter, solange du Rot auflegst und Rollen lernst.

      Darum sei demütig und verschlagen wie eine Magd. Schmeichle deinem Herrn im Lampenlicht, verachte ihn in deinem Stübchen und sieh, wie du ihm entrinnen kannst.

      Liebe niemand! Keiner liebt dich, viele deinen Leib.

      Und hasse niemand. Das hält unnütz auf.

      Aber lebe ehrbar oder werde wieder ehrbar in Berlin.

      Das stimmt dir die Weiber mild und macht die Männer toll.

      Und wenn du einen verliebten Toren gefunden, so beichte ihm deine Vergangenheit und lasse dich von ihm retten.

      Aber verliebe dich nicht in ihn und gewähre ihm nichts. Sonst heiratet er dich nicht.

      Und die Jahre wandern, deine Schönheit vergeht, und du sitzest als komische Alte in Meseritz oder Kötzschenbroda.

      Und bist vielleicht bloß alt, nicht komisch.

      Bist du aber gerettet, dann fluche dieser Bestie, dem Theater, und allem, was daran hängt. Und wenn die Bestie dich wieder lockt, dann denke an mich und meinesgleichen.

      Und nun leben Sie wohl, mein Fräulein!«

      Draußen auf der heißen Straße blieb Valeska Elten traumverloren stehen.

      Sie fühlte sich wie betäubt von den Worten des Alten.

      »Aber recht hat er schon!« sagte sie endlich tief aufatmend und winkte einer Droschke, um nach dem Hotel zu fahren.

      III.

       Inhaltsverzeichnis

      Schon von Bergheim aus hatte sich Valeska, die wußte, wie schwer einzelne Damen in großen Städten Unterkunft finden, ein Quartier in nächster Nähe des Theaters gesichert.

      Eigene Möbel besaß sie nicht – so leidenschaftlich sie sich auch eine hübsche kleine Einrichtung ersehnte und erträumte –, im Hotel zu wohnen, war zu kostspielig; so war sie auf Grund eines Inserats in der »Vossischen Zeitung« mit Frau von Haidenschild, einer angeblichen Offizierswitwe, in Verbindung getreten, die in der Lützowstraße Zimmer mit und ohne Pension auf Tage, Wochen und Monate an respektable Herrschaften beiderlei Geschlechts vermietete.

      Es dämmerte schon sehr stark, als Valeska, nachdem sie ihre Rechnung im Hotel bezahlt und die Koffer verschlossen, vor der Flurtür des Hauses in der Lützowstraße stand.

      Das Haus selbst hatte ihr, die in der Provinz nichts von der aufdringlichen Eleganz Berliner Mietkasernen kennengelernt hatte, mit seinem verschlossenen Eingang, seinem Treppenläufer, dem geschnitzten Geländer und den bunten Fenstern sehr imponiert.

      Neben der Flurtür, hinter der Klaviergehämmer und das Kläffen eines kleinen Hündchens erscholl, klebte eine ganze Menge schiefgenagelter Visitenkarten und das emaillierte Täfelchen, das »Frau von Haidenschilds Pensionat für In- und Ausländer« anzeigte.

      Eine daneben befindliche Doppeltür, die offenbar zu separaten Zimmern führte, trug eine große Karte mit einer Grafenkrone darüber.

      Albert Graf zu Vach

       Königl. Kammerjunker und Reg.-Assessor

       Potsdam.

       Langestall Nr. 7, part.

      Valeska las das mit Erstaunen. Nie kam so ein vornehmer Mann in diese Pension? Und wenn er in Potsdam wohnte, was brauchte er dann ein Zimmer in Berlin?

      Sie trat wieder an die Flurtür und musterte im Dämmerlicht die dort angehefteten Karten.

      Auf der obersten stand:

      Lenze

       Herausgeber und verantwortlicher Redakteur der

       Europäischen Korrespondenz.

       Sprechstunden nur im Bureau,

       W, Lützowstr. 303 III, von 5½ - 7½ Uhr.

      Schräg darunter hing ein Kärtchen, das nur die Worte enthielt:

      Le vicomte d'Asagata.

      Und darunter:

      Floriano de Curera y Guzman.

      Attaché de l´Amb. de de la Rep. que de Nicaragua.

      Ganz unten endlich ein Blatt:

      Franz Bergmann

       Königl. Reg.-Bauführer und Leutn. d. Res.

      Eine merkwürdige Gesellschaft, dachte die Elten beklommen und zog die Klingel.

      Vielleicht lag da ein Mißverständnis vor. Das alles machte einen so unheimlichen und feinen Eindruck.

      Aber es war kein Mißverständnis. Frau von Haidenschild öffnete eigenhändig die Tür, freute sich sehr, das Fräulein zu begrüßen, und führte sie unter einem endlosen Wortschwall durch den halbdunklen Korridor, zu dessen beiden Seiten sich in unbestimmten Umrissen Zylinder, Damenhüte, Mäntel und Jäckchen abhoben, in ein freundliches zweifenstriges Zimmer.

      Es sei alles schon in Ordnung, meinte sie, während Valeska sich in dem Raume umsah. Es hätten schon wiederholt Damen vom Theater bei ihr gewohnt. Für die Toilettenkoffer sei auf dem Boden ein sehr schöner, heller und luftiger Verschlag. Müsse darin gekramt werden, so sei das Dienstmädchen zur Verfügung, auch die Portierfrau, die mit fünfzig Pfennigen die Stunde zufrieden sei. Ein großer Waschkorb, um des Nachmittags Toiletten nach dem Theater und zurück zu schaffen, stehe für gewöhnlich auf dem Hängeboden, sei aber jederzeit disponibel. Der große Stehspiegel könne genau so gerückt werden, wie es das Fräulein für das Rollenlernen wünsche. Eine gute Hilfsschneiderin für Reparaturen und kleine Änderungen wohne im Hause, komme auch, wenn das Fräulein die Toiletten nicht aus den Augen lassen wolle, aufs Zimmer, in welchem Falle sie, Frau von Haidenschild, nur um eine Placierung der Nähmaschine auf eine Gummidecke bäte, da sonst erfahrungsgemäß die unterhalb wohnende Partei Lärm zu schlagen pflege.

      Wünsche das Fräulein, abends aus dem Theater abgeholt zu werden, so sei obbemeldete Portierfrau gegen billige Vergütung gern dazu erbötig. Denn es wäre doch Sünde, für die paar hundert Schritte eine Nachtdroschke zu zahlen.

      »Und der Preis ist also 175 Mark?« fragte Valeska.

      Jawohl, 175 Mark – alles in allem! Wohnung, Licht, Bedienung. Wenn Fräulein Elten dem Mädchen für besondere Dienste eine Vergütung spenden wolle, stände dem nichts im Wege, ebenso für Frühstück, das wohl spät gewünscht würde. Hier sei die Klingel. Und Mittagessen – was dieses betreffe, so sei allen anderen Damen die vierte Nachmittagsstunde die angenehmste.

      »Ach, es wohnen noch mehr Damen hier?« Valeska schien das als eine Tröstung zu empfinden.

      Aber gewiß – nur liebe sie, Frau von Haidenschild, es nicht, wenn die Damen

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