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Rotglühendes Blut wie Karfunkelgestein.

      Die Wasser sind blau, die Treue ist groß:

       O komm, staubkranker Sonnengenoß;

       Wir tragen dich sanft und sicher hinein

       Ins Nixenschloss aus Karfunkelgestein.

      Da sollst du sein unser Buhle süß

       Unter warmem Wasser im Paradies,

       Wo kein Schatten wächst im roten Schein,

       Nicht Erdenzeit und nicht Erdenpein.

      Und der Jüngling sank aus dem Lichte unter das Wasser . . . schläfst de denn schon, Joseph?“

      „Nä —“

      „Gelt ja, ich bin recht dumm. Aber das Geschichtl fiel mr grade ein. Na, un warum könnte es nie sein? Siehste, ich bin die Nixe un du der Jüngling. Der Lichtstreifen da an der Diele hin über die Wand is de Brücke auf de Erde nauf . . .“

      Damit sprang sie flink aus dem Bett, lief in das Wohnzimmer und löschte die Lampe aus.

      Dann kniete sie neben ihn:

      „Jetze kannst du nich mehr fort von mir, denn de Brücke is eingestürzt. Jetze bist du immer meine. Schlaf, schlaf, du bist müde vom Lichte. Ich deck‘ dich mit meinen Haaren zu.“

      Weich ließ sie die Flut ihres reichen Haares über seinen Leib sinken, beugte sich nieder und küßte sein Gesicht mit zierlichem Munde.

      „Ach — thu deine Haare weg! Das kitzelt ja wie tausend Flöhe.“

      „Ja, ja. Hast recht, ich laß dich nich schlafen. Sei ‘och gut, ‘s war ja bloß Spaß. Ich bin noch ‘s reine Kind, gelt ja. — Gude Nacht! — Lieber, du! — Küss’ mich! —sehr, sehr!“

      „Ver . . . jetze låß mich. ‘s muß doch ålls seine Årt hå’n, auch’s Verricktgethue.“

      — — — —

      „Du! — Bist du mir wirklich gut?“

      „Ach nu freilich. Jetze låß åber amål dås Fragen sein!“.“

      Gehorsam legte sie sich.

      Aber ihre Unruhe trieb sie aufs neue zu ihrem Manne hin:

      „Nimm mich um den Hals!“

      Als Antwort rückte Griebel hastig, ohne ein Wort, — aus ihren verlangenden Armen gegen die Wand hin und bettete sich umständlich mit wohlig schnurrenden Lauten zur Ruh wie ein plumpes Tier. Ein scharfer beizender Geruch ging dabei von seinem Leibe aus.

      Das alles drang auf Leonore ein wie ein Schnitt, daß eine unsägliche Mattigkeit über sie kam. Dabei hatte sie die Gewißheit, schreien zu müssen, wenn sie sich rühre. Ganz, ganz regungslos lag sie. Ihr Atem ging schnell und heiß. Dieser furchtsame Laut, mit dem er kam, peinigte sie. Einigemal schlang sie ihn wohl hinunter; aber inbrünstig, mit zitternder Brust rang sie dann wieder nach ihm. Wirbel und Angst kamen über sie; ihr Herz pochte; erschreckt sprang sie auf die Knie.

      Nun schien sie dem Bann dieses Gedankens entwichen zu sein. Mutvoll schüttelte sie das Haupt und sah nach dem Manne hin, der neben ihr lag. Sie wußte, daß sie ihn nicht sehen konnte; sie wollte nur schärfer hören.

      „Nein, er kann mich nicht betrügen, nein —nein . . .“

      Das sagte sie fröstelnd, wie einer in eisiger Nacht ein dünnes Gewand um seine Schultern hüllt und, schauernd bis ins Mark, sich belügt: „Nein, es ist nicht kalt.“

      Die fetten Schnarchlaute Griebels setzten ein, ein Zeichen, daß er fest eingeschlafen sei. Sie mußte sich sein großes, glänzendes Gesicht vorstellen, wie die Lippen des halboffenen Mundes schleppend eingesogen und sprudelnd ausgestoßen wurden, wobei der blonde Schnurrbart sich jedesmal bürstenartig aufrichtete.

      „Er schläft wie nach einer Arbeit.“ In Schrecken überfiel sie dieser Gedanke.

      Wo ist die Süßigkeit hin, sein Kosen, seine weiche Liebe. Das Haus redete verwundete, lange Töne. Schroff brachen sie manchmal ab, und dann zuckten ihre Gedanken aus einem Wiegen, das über sie gekommen war, verstört auf.

      „Der Wind wird kommen . . .“ stotterte sie in sich hinein und horchte in Selbstflucht um sich.

      Dann war es ganz still, und sie besänftigte ihren lauten Atem, indem sie sich die Faust gegen ihr Herz drückte, daß sie zur Hälfte sich in den Busen grub. Denn das Wogen dieser Luft in ihrer zitternden Brust drückte sie nieder wie eine rücksichtslose Bestätigung ihrer Hilfsbedürftigkeit, als schwanke sie ächzend wie ein entwurzeltes Bäumchen.

      Da glitt ein verschwebendes Streichen durch den finstern Raum, als rühre der Flügel einer schlaftrunkenen Fliege an einen Gegenstand; vielleicht waren es die Schneeflocken, die an den Scheiben niedersanken.

      „Eine geheimnisvolle Nacht, diese Nacht.“

      Sie sagte „diese Nacht“, um es sich zu beweisen, wie wichtig es sei, auf alles zu lauschen.

      In Wirklichkeit floh sie nur vor der Gewißheit, die sich qualvoll in ihr bildete.

      Der Nachtwächter pfiff die zehnte Stunde. Die Töne reihten sich erschlafft in Zwischenräumen aneinander. Darauf hörte man taktmäßig fortwandernde Schritte.

      ‚Wie eine große Uhr klingen die gleichen Tritte.‘

      Mit der gleichen flüchtenden Aufmerksamkeit sann sie das.

      Plötzlich fiel es ihr auf, daß man die Pendelschläge der Uhr im Flur nicht höre. —

      Nein . . . . .

      Mutter hatte oft erzählt, vor dem Tode ihres Vaters sei die Wanduhr stehen geblieben.

      Wahrhaftig, die Uhr draußen ging nicht mehr. Was für ein Unglück bedeutete das?

      Der Dunst des Weines, der ihr in demselben Augenblick auffiel, nahm ihr jeden Zweifel.

      „Es war nur der Rausch, und alles ist nicht wahr . . .“

      Er hatte sie betrogen, und wie hatte sie sich ihm hingegeben! Nun lag er da und morgen würde er sie verlachen und ihre heiligste Verzweiflung zerrann wieder im Rinnstein des Alltags wie so vieles andere.

      In sinnloser Bestürzung fiel sie über ihn und rüttelte seine Schultern.

      „Joseph! — Joseph!“

      So konnte sie nicht leben. — „Joseph!“

      „Was håt‘s ‘n?“

      Schwerfällig hob er sich halb in die Höhe und gähnte lang.

      „Geh und wasch dir die Augen mit kaltem Wasser!“

      Das stieß sie in höchster Erregung hervor.

      Der Ausdruck ihrer Stimme war so erschütternd, daß der Tuchmacher wirklich vollständig wach wurde und besorgt frug: „Ha, liebes Lorla, ha, wås is dr denn eigentlich? Håste schlecht getraumt?“

      Zitternd griff sie nach seinen Händen; ließ sie aber fahren und schmiegte sich an seine Brust.

      „Nimm mich in deine Arme, fest — fester! — Küss‘ mich!“ Unter seinen Liebkosungen ward ihr Atem gleichmäßiger, ihr Herz ruhiger. Sie schloß die Augen und gab sich abgehetzt einer süßen, weichen Geborgenheit hin.

      Griebel aber schläferte schon wieder. Da sich Leonore nicht rührte, ließ er behutsam seinen Arm sinken, um ihren regungslosen Leib, den er schon im Bann des Schlafes glaubte, leise hinzubetten.

      Da fuhr sie schneidend auf und frug in heißer Hast: „Du, lügst du auch? — Hast du mich schon belogen in deinem Leben?“

      ‚Wås dås nu wieder soll‘, dachte Griebel und sagte laut: „Nein! — Håt åber dås nie bis morgen Zeit?“

      „Du, auf dein Gewissen frag ich dich!“

      „Nein“, wiederholte er, unsicher

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