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sie sich wollüstig selbst vergiftete, goß sie mit kalter Lippe leise in ihr Herz.

      „Wahrhaftig meiner armen Seele!“ inbrünstig setzte sie ihre Rechte ans Herz. „Denn du bist mir nich gut. Ich hab dich nie, nie gehabt, nie! Deswegen . . . und deswegen bin ich wirklich ein Mensch, weil ich Gustels Mutter bin . . . eine Hure . . . deswegen kann ich auch gehn. Denn von einem Mensche is nichts schlecht.“

      „Ich bin dir nich gut, Lorla, ich nie?“

      Hastig streckte er seine fleischige Hand aus und sein gutes Gesicht zitterte in Schrecken.

      „Warum, oder wodurch willst du das beweisen?“

      „Bist du nich mei‘ Weib? — Für dich arb‘t ich. Håst de amål gehungert, nie ålls gehå‘t, wås de willst: Kleeder —, multum viel genung; Stuben, hoch un voll Sache; a Haus wie ne Kirche? Na? — Extr ich? — päck ich? — sauf ich? — bin ich sonst ein Lumps?“

      Jeden dieser Ausrufe verschluckte er wie einen stärkenden Bissen.

      Dann sprang er auf, leerte hastig das Glas, stieß es hart nieder und sah sie nun überlegen an. „. . . alls wahr. Eher z u sehr, z u sehr . . .“

      Nach diesen Worten sah Leonore starr auf den Tisch. Ihre Besinnung begann sich schon wieder in eine schmerzwogende Ohnmacht zu verlieren, sie begann umzusinken.

      „Nein!“

      Mit hartem Selbsthohn peitschte sie sich auf.

      „Was steh ich denn da? Jetze hab ichs ja!“

      Wieder brach sie starr ab in einer glühend begonnenen Gebärde der Flucht: „Meine Mutter!! — Aber was nutzt’s? — ich sterb‘ eben, und wem helf ich damit? Mir nich, dir nich, niemanden! — Un warsch da notwendig, daß ich aso unglücklich war, in der Angst, in Freede, in Glück, in . . . Jesus Maria, verzeih mr meine Sünde!“

      All das Furchtbare, was in einsamer Folter sie zur Verzweiflung gebracht, stürzte sich auf einmal über sie.

      Mit wankenden Knien ging sie auf den Punkt ihrer Rettung los, mit loderndem Atem, wirrem Herzschlag und zerrissenen Gedanken.

      „Entzwei! — Weg! — Hier der Trauring . . . die Jacke is auch von dir . . . der Rock auch . . . die Taille und alles . . . alles . . . alles . . . hier, Joseph Griebel, nimm, ich kann, ich bin . . .“

      Schauernd entkleidete sie sich aller Sachen, die von ihm gekauft waren. Mit ihren Kleidern legte sie allen süßen Wahn ab, allen Glauben an die Gebote der Menschen. Die zitternden Wogen ihres feinen Busens quollen durch den Spalt des Hemdes, wie schimmernde Wellen beben, die das erste kalte Licht eines neuen Tages trifft.

      „Nun liegt deine Liebe da auf’m Tische — ein armseliges Bündel . . . Bloß das is meine.“

      Sie löste ihr reiches Haar, daß es über ihre Schultern niederglitt wie goldenes Sonnenlicht. Mit weichen Fingern koste sie es. Aber nun wußte sie nicht mehr, was sie wollte; mit einem verlorenen Lächeln stand sie da.

      Griebels Bestürzung über diese erschütternde Wendung mündete in heißes Mitleid, als er dieses zarte, schöne Wesen unter ihrem Elend beben sah. Der Wein auch erweiterte die Pupille seiner Empfindung.

      Ein jäh auflodernder, toller Strom riß ihn hin. Er umpfing sie mit starkem, entschiedenem Griff; —ihren halb entblößten Leib mit Küssen bedeckend, stammelte er mit den ungefügen Lippen der Lust: „Lordl, liebes, allerliebstes Lordl! — Sei nich dumm, ich bin dir gut, wie ich dir gut bin! — Bleib bei mir!“

      Im Hingleiten in eine andere Welt riß er sie sich noch einmal zurück. Wohl rang sie wild gegen ihn, schon im Banne einer neuen Sittlichkeit stehend; aber rücksichtslos schlang er ihre Arme mit mächtigem Umfangen an ihren Leib.

      So, das krankhaft Schweifende zurückgeworfen in ihr hungernd Herz, ward ein loderndes Feuer darin entzündet. Die Unbändigkeit seiner Leidenschaft gab ihr den opfernden Strahl des Erliegens.

      Gemach wurde ihre Härte Kosen, ihre Lästerung leiser Jubel:

      „Mein Liebster!“

      In weicher Sorgfalt bettete er sie auf sein Lager . . . — — — — — — — — — Das stumme Verlangen ihrer vollen Reife wurde erfüllt, der Unfrieden ihrer geistigen Sehnsucht tauchte unter in dem zeugenden Gleichtakt des Blutes. — Denn alle Geistigkeit des Weibes ist leiblich, und ihr Körper ist die restlose Fülle ihrer Seele . . . . . das Prickeln ihres erregten Mutes mündete als kindliche Süße in ihrem Bewußtsein.

      Lange lagen sie dann in regungsloser Umarmung unter der sicheren Gewalt eines wegziehenden Sturmes. Sie tranken lange Küsse, weich und behutsam, als pflückten sie kostbare Blumen von schwankenden Stengeln. Mit weiten, glänzenden Augen genoß Leonore jenen verhüllten Bilderrausch, den solch leisere Glückswellen spielend mit sich bringen.

      Die Tischlampe brannte noch im Wohnzimmer nebenan. Die rote Portiere hemmte den Eintritt des Lichtes soweit, daß nur ein feines Gewebe erschlaffter Strahlenfäden kraftlos in dem Dunkel der Schlafstube hing. Nur ein spitz verlaufender Lichtstreifen zog sich schräg an der Wand über den Kopfenden ihrer Betten hin, die rechts neben der Thür standen. Im Vergleich zu der weich verschwindenden Dämmerung des übrigen Raumes war dies klare Licht unbarmherzig, kalt.

      Leonore konnte es nicht ohne Unbehagen betrachten. Sie hatte es schon einigemal versucht, sich aber immer wieder hastig umgedreht, und leidenschaftlich gefragt: „Ganz, ganz?“

      „Jå, ganz“, hatte Griebel geduldig geantwortet, bis seine Stimme eine Nüance der Ungeduld annahm. Allein sie gab sich nicht zufrieden; denn wenn sie, halb zurückgewandt, das schimmernde Spiel der harten Lichtwellen wieder wahrnahm, fühlte sie sich genötigt, die Bestätigung der Liebe aufs neue von ihrem Manne zu verlangen, als glimme ein Zweifel von dort herüber.

      „Aber jetze seh ich grade drauf“, sagte sie entschieden und wandte sich dem Lichtstreifen zu.

      „Auf wås ‘n?“ frug Griebel nach einer Weile zerstreut.

      „Nu, aufs Licht. — Das ist eigentlich komsch, wenn man sich’s überlegt,“ begann sie nach einer Weile verträumt.

      „Wås ‘n?“

      „Das Licht da.“

      „Ach! — de Lampe brennt ebenste noch auf ‘m Tische. Då kemmt halt der Schein zwischen ‘m Vorhang ei de Stube rei. Dås is doch nie komsch!“

      „. . . o ja —“ mit halb geschlossenen Augen lag sie da, und leise zuckte es in ihren Gliedern, wie bei Kindern, die auf ein Märchen hören . . . „wahrhaftig, als wenn das da draußen ein anderes Reich wäre und hier auch . . . Da hat mir de Mutter eine Geschichte von der Nixe erzählt — — die beißende, harte Sonne des Tages — wo die Augen uns wehe thun, die Zunge dürr wird vor Durst, wo die Menschen müde und alt werden im Staube, wo es entweder kalt is zum Erfrieren oder heiß zum Umkommen . . . .

      Da faßte den Jüngling ein Schmerz, als ob seine Seele heimgewollt hätte.

      Und er ging an das stille Wasser in das grüne Dunkel. Die weißen Seerosen schwammen stumm auf dem Teiche, ihre glänzenden Blätter lagen unhörbar schlafend um sie herum. In der Luft über ihnen hing ein regungsloser Zauber.

      Der Jüngling sah lange darauf mit seinen lichtmüden Augen, und sein Herz schloß den Zauber auf, da es rein war.

      Die Seerosen wurden zu süßen, weißen, lächelnden Gesichtern, die Blätter wuchsen zu grünen Gewändern und die blaßrötlichen Stiele hoben sich als schlanke Glieder aus dem weichen, stillen Wasser. Der Zauber ward lebendig in den Lüften und ein singender Wind zog geheimnisvolle Kreise über die glatte Fläche auf der die Wasserjungfrauen tanzten, daß ihre goldgrünen Haare wehten.

      Dazu sangen sie:

      Die Lüfte lispeln mit leisem Mund,

       Da steigen wir aus dem tiefen Grund.

       Wir tragen den Glanz von Karfunkelstein,

       Schlingen wir singend

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