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liebes Mütterla!“ und sann traurig dem Ton ihrer Stimme nach, der bittend und weich klang.

      „Nich, so hab ich als Kind gesagt — — ja! als — Kind . . . als Kind, gelt da wars auch anders.“

      „O ja,“ setzte die Marseln endlich ein, „andersch, besser, besser, ja m . . . m . . .“ aber sie brach ab, weil sie nicht wußte, wie es anzufangen sei.

      Nach einem kurzen Besinnen schüttelte sie die schlaue Leisetreterei ab und ging in ihrer alten Derbheit gerade aufs Ziel los.

      „Hä, wås sol dås sein, wås missen denn de Leite denken? Bist de dei‘m Månne nie gut?“

      So brach ihre Sorge steinhart hervor. Dabei sah sie streitbar auf Leonore.

      „Gut?“ frug diese, sprang auf und fiel dem nichts-ahnenden Gatten um den Hals und küßte ihn stürmisch. Sie preßte ihren Leib im Fieber an den seinen und stammelte sinnlose Laute.

      „Mutter se beißt mich! — Lorla, ‘s thut jå wieh!“ schrie Griebel um Hilfe.

      „Aber Mädl!“ Die Marseln faßte sie hart an der Achsel und riß sie auf. „Wahrhaftig meiner Seele, ma sieht Zähne åm Backe. Då und då“, — und sie befühlte das Gesicht des Schwiegersohnes, der still dasaß und resigniert zu ihr aufsah, als wollte er sagen: na sieh’ch, a so macht se’s immer.

      Über Leonore aber war nach diesem krankhaften Zärtlichkeitsausbruch der alte Schrecken schwerer gekommen, und sie stand teilnahmslos daneben, die Hände krampfend gefaltet, als halte sie sich an sich selber, den Blick zu Boden gerichtet.

      „Na, kann das jemand, der keene Liebe eim Herze hat?“

      Das sprach sie tonlos und sah starr von einem zum andern.

      Darauf setzte sie sich fallend: „Mütterla . . . .“ wieder so weich; zitternd, wie ein Kind in Gespensterfurcht nach Hilfe ruft.

      Allein die Mutter mißverstand sie.

      „Ich gleeb’s ja, Lordl; aber nich zu heeß, nich zu kalt, hibsch verständig. — Sieh‘ch, du best ja ‘etze schon eis dritte Jåhr verheiråt‘t. Best de auch gesond?“

      „Gesund? — Ja—a; welcher Mensch kann sagen, ich bin gesund.“

      Der Knabe im Schlafzimmer war erwacht und schrie. Auf diesen Laut fuhr Leonore zusammen. Dann sah sie gespannt auf ihren Mann.

      Der sprang, zugleich mit der Alten, eilig auf, und ihre Rufe erschollen gleichzeitig:

      „Jesses, Gustla!“

      „Nu ja, mei Jengla!“

      „Ach Gott!“ niemand sah, wie Leonore in bitterer Enttäuschung ihre verschlungenen Hände gegen den Busen preßte.

      Dann stand sie zäh auf und that ein paar schleppende Schritte nach dem Schlafzimmer hin, aus welchem die Mutter, mit dem Knaben auf dem Arme, und dahinter der glückstrahlende Tuchmacher kamen. — Nun mußte der kleine Kerl alle Kunststücke machen, die die Amme ihn gelernt hatte: die Mucken zeigen, wo das Herzl sei, der Himmelpapa, welche Größe er habe . . .

      Griebel und die Mutter waren ganz ausgelassen, lachten überlaut, klatschten in die Hände und der Dicke hüpfte sogar einmal ungeschickt in die Höh, um Gustav zum Lachen zu bringen.

      Aber alles war die überlaute, stechende Lustigkeit des geheimen Kummers.

      Leonore verfolgte die Vorgänge mit einem gezwungenen Lächeln.

      Mehrere Male riß sie den Knaben ihrem Manne hastig aus den Armen und reichte ihn der Marseln.

      „Du bist wohl eifersichtig“, frug Griebel endlich spaßhaft.

      „Esel!!“

      Wie ein Fluch stürzte das über Leonores Lippen. „Aber Lordl, håt dich deine Mutter so was gelernt?“

      „Ach du, warum red’t er so tumm!“

      Endlich ertrug sie die Liebkosungen, welche ihr Kind erfuhr, nicht mehr.

      Schrill rief sie nach der Amme und erklärte, als deren verdutztes Gesicht in der geöffneten Thür erschien, der Knabe müsse jetzt sein Essen haben; er sei es so gewohnt. Sie, seine Mutter, müsse das wissen. Dann könne man mit ihm ja machen, was man wolle.

      Und als dann die drei, noch ebenso betreten wie zu Anfang, wieder ruhig am Tisch saßen, begann Leonore von neuem, als sie sah, wie ihr Mann sich zum Reden anschickte.

      Er wollte offenbar etwas Heiteres erzählen, denn er raffte seine vollen Lippen froh-schlürfend zusammen.

      Da fiel ihm Leonore hastig ins Wort.

      „Wie war die Geschichte von dem Ritter, Mutter, die du mir erzählt hast, wie ich noch ein Kind war?“

      „Welche denn?“ frug die Alte unsicher.

      „Nu hör ‘och! War’s nich aso: Ein Ritter hatte ein Weib und ein Kind. Er hatte beide gerne und war arm. Es is lange her, und er diente dem Kaiser mit Leib und Seele. Da wurde ein großer Krieg und der Kaiser sagte zum Ritter: ,Komm und hilf mir. Du hast Weib und Kind und wenn du zu mir kommst und mitziehst in den Krieg, dann kannst du umkommen und Weib und Kind gehen zu grunde. Aber, willst du dennoch mit mir ziehn?’

      Da kniete der Ritter nieder, küßte dem Kaiser die Hand und sagte bloß: ,Mein Kaiser!’ Darnach stand er auf, ließ Haus, Hof, Weib und Kind und zog mit in den Krieg.“

      Sie hatte zaghaft erzählt, mit ausgehender Stimme, wie ein wahrhafter Mensch lügt. Darauf sah sie gespannt ihre Mutter an.

      Diese dachte eine Weile nach.

      „Ich besinne mich nie,“ erwiderte sie dann ablenkend.

      „Nu, denk doch nach!“ drängte Leonore heftig.

      „Warum denn, wås liegt dir heite å‘ dr Geschichte?“

      „Jå, dås is doch egal wie dås wår,“ bestätigte Griebel.

      „Aber, mach mir doch die Freude, Mutter. Ich will bloß mal sehen, ob ich mir die Sache behalten habe!“

      „Ach, låß,“ wehrte die Mutter, denn sie witterte irgend eine unangenehme Folge.

      Leonore bestand immer leidenschaftlicher auf ihre Bitte und endlich traten ihr die Thränen in die Augen.

      „Na wart amål, wenn dir aso viel drå liegt . . . . richtig! — ja, ja, jetze hå ichs!“

      „Siehst de Mutter!“ rief das arme Weib überglücklich.

      „Na hör amal Joseph, da wirst dus sehn!“

      „Jå, bis zur Hälfte wårs wie dus erzählt håst. Aber dann is andersch.“ Darauf gab sich die Alte eine feierliche Haltung und mit singender Geschraubtheit erzählte sie das Folgende: — „Da kam der große, reiche Kaiser zu dem armen Ritter und sagte: ,Die Rosse meiner Feinde trinken aus den Flüssen deines Vaterlandes, meines Reiches. Steh‘ auf und geh fort von dem Hause deines Vaters und von deinem Weibe, die du so liebest.

      Opfre dich und dein zweijährig Söhnlein für die heilige Sache deines Kaisers.’

      ,Und warum noch meinen Sohn?’ frug erstaunt der Ritter.

      ,Weil ich dich schätze wie meine Rüstung, will ich dich wegen deiner kühnen Frage nicht verstoßen von mir. Eine weise Frau traf mich einst im Walde, wo ich mich bei der Jagd verirrt hatte und wies mich auf den rechten Weg. Als sie erfuhr, wer ich sei, sah sie in meine Hand und sagte: Grimme Tage werden einst in deinem Herzen mit dem blutigen Gebiß des Krieges fressen.

      Die Kraft deines Heeres wird dann nicht ausreichen über deinen Feind. Dann begehre den saugenden Knaben eines Ritters, dessen Seele dir ergeben ist, wie der Atem des Frühlings deinem Munde. Töte sein Kind und lasse alle Ritter ihre Schwerter in sein unschuldig Blut tauchen.

      So wird ein heißer Hunger über ihre Waffen kommen, daß sie die Feinde mähen, wie unter der Sense des Bauern das zitternde Gras

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