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„Här uf!“ brüllte er, „här uf!“

      Leonore fuhr zusammen und sah ihn angstvoll an.

      „Mit wem redst de? — Gestehs! gestehs! — —Etwa mit dem Frank Kerle?“ fuhr er nach einem schneidenden Stutzen fort.

      „Soll ich nich?“ verwundert, schwer, frug es sein Weib.

      „Aso wås!“ raste er nun ohne Halt. „Sol ich nie? — Ja, dås willst de nich wissen? Das ist Ehebruuch! — — Menscher machen dås; aber mei Weib nich!“

      In seiner maßlosen Wut merkte er nicht, wie Leonore unter seinem Griff schlotterte.

      „Ehebruuch, verstehst de? — ei mei‘m Hause nich!“ schrie er wieder auf.

      „Brech ich die Ehe!“ frug Leonore endlich mit eisiger Stimme durch bebende Zähne hin und schob seine Hand von ihrem Arme.

      „Ja, schon solche Gedanken sein Ehebruch, Todsinde.“

      „Ja a — — bei deiner Seele, is das wahr? —Wahrhaftig?“

      Ihr Gesicht war eingefallen. In keuscher Angst frug sie ihren Mann mit zitternder Lippe.

      „Ehebruch,“ wiederholte der Tuchmacher dumpf.

      „Aso schön un soll biese sein . . . .“ sann sie und schüttelte den Kopf.

      Nach langer, banger Pause hob sie frei ihr Auge, das sich mit Thränen füllte:

      „Aber, verlaß dich auf dein Weib — — geh ruh’g schlafen, geh!“

      Erschüttert ergriff er ihre dargebotene Rechte. Sie sank auf den Stuhl und verfiel in ein starres Hinstieren.

      Griebel begann ratlos umherzutrödeln, bestürzt, in Kummer, voll Reue und Scham. Vergeblich redete er sich ein, recht gehandelt zu haben. Um diesem folternden Zustande zu entgehen, löschte er das Licht aus und legte sich ins Bett. Sein Weib aber rührte sich nicht.

      Er horchte lange gespannt auf jeden ihrer Atemzüge.

      Nach Stunden erhob sie sich . . . . . . „nein, nich! — aber schwer wird mirs werden!“ hörte er sie zu sich sagen. Dann vernahm er, wie sie sich auskleidete.

      ————

      XII.

       Inhaltsverzeichnis

      In dieser Nacht schlief Griebel wie auf der Schwelle einer offenen Hausthür, von halbem Wachsein und werdendem Traum gleich beunruhigt.

      Oft schrak er jäh aus kurzem Schlafe, da ein Geräusch so fein und peinigend aufklang, daß er vor Angst die Augen öffnete. Aber dann hörte er nur die ruhigen Atemzüge des großen, schlafenden Hauses um sich, die draußen auf der Gasse gedehnt verwehten. Am Ende lag er mit großen, trockenen Augen da, bis er zwei graue Flecken in der Nacht gewahrte, von denen er nicht wußte, ob er sie träume oder sehe. Um sich zu beruhigen, beschloß er, sie für Fenster zu halten. Allein sie verwandelten sich in die geöffneten Blütenkelche von Herbstzeitlosen. Nachdem sie eine Weile still geblüht hatten, begannen ihre schwarzen Stengel sich schaukelnd zu bewegen. Um nicht aus der Blume geschleudert zu werden, in welcher er saß, kroch er als große, grüne Heuschrecke am Stengel hinunter. Er hatte sich mit Absicht in dieses Insekt verwandelt, weil er mit den scharfen Klauen seiner Füße besseren Halt auf der zarten Glätte dieser Pflanze fand. Auch behagte es ihm, ein schmerzliches Beben in ihr hervorzubringen, weil jeder seiner Tritte eine Verwundung war. Als er aber am Rande der scharfen Blätter angekommen war, ärgerte er sich doch über seine nackten, keuligen Schenkel. Dazu lachten ihn die Blumen höhnisch aus. Es klang ganz deutlich, so, daß er, aufwachend, nach dem Echo in der stillen Stube lauschte.

      Allein es war nichts.

      Dann fühlte er, wie jemand ihn behorchte. Die großen gierigen Augen des Unbequemen sogen an seinem Hirn. Alles, was in ihm aufstand, wurde davon, wie von einem Winde, hinweggeweht. Das zuletzt Hinaustanzende war ein Kirchturm, welchem ein Jagdhund heulend nachlief. Er wimmerte wie ein Mensch.

      Gepeinigt fuhr Griebel in die Höhe.

      Da erstarb der Laut mit einem Geräusch in der Ecke. — „Lorla, bist du’s?“ frug er, schwieg aber gleich, denn seine Stimme kam ihm fremd vor, wie das Geräusch, das die Knöchel plumper Hände aus einem hölzernen Schaff trommeln.

      Endlich war die furchtbare Nacht vorbei und das Grau der keimenden Frühe besänftigte ihn.

      Aber kaum hatte sich sein Bewußtsein in dieser Ruhe niedergelassen, als das Spiel von neuem begann. Die Schleier der Dämmerung verwandelten sich in eine tanzende Windsbraut, die aus dem losen Schnee, über den sie wogend hinzog, mit unsichtbaren Armen weiße, wehende Gewänder raffte.

      Der Tuchmacher wußte ganz genau, daß das Geräusch dabei nicht von dem Winde, sondern von Betten herrühre, die jemand zagend zerwühlte. Aber in einem Zustande, der ebenso dumpfe Neugier als Erschöpfung war, blieb er ganz still und ließ die Windsbraut immerfort an sich vorübertanzen.

      Jetzt klang es auch gar nicht mehr wie Windesstimme. Von schweren Atemzügen der Not verschluckte Worte redete sie, kniete dann an seinem Bett nieder und versank in ein peinvolles Schweigen.

      Ihr blondes Haar lag auf zwei bloßen, süßen Armen, die von dem Echo des Tanzes noch zuckten; auch das Haupt erbebte darunter. Und ein schimmerndes Zittern glitt deshalb durch das lange, goldige Haar, über das weiße Kleid hin und rettete sich auf dem Beben seiner leisen Falten ins Unendliche. Nun hob sie das Haupt, daß man ihr Gesicht sehen konnte: Ihre großen, erfrorenen Augen standen voll Thränen, die von Zeit zu Zeit hörbar auf sein Deckbett fielen . . . „Jesus Maria! war das nicht sein Weib?“ . . .

      Allein jetzt stand sie auf, ganz, ganz leise, wie es nur Windsbräute können, und reckte sich, reckte sich bis in den Himmel, ihn immer unverwandt und tief ansehend mit ihren erfrorenen Blauaugen. Dann streckte sie die Hände aus und fuhr streichelnd über sein Haar, daß ihm vor Grauen die Sinne vergingen . . . „der Himmel is mit dir und mit mir — mit mir — ach! mit mir — — mit . . . .“ während sie das mit ihren tiefsten Wehen sprach, ward sie von immer schnelleren Tanzkreisen gepackt und verschwand mit einem lauten Krach.

      Davon erwachte Griebel thatsächlich und richtete sich im Bette auf.

      War das ein Traum gewesen oder hatte Leonore vor seinem Bette gestanden?

      Ja, aufgestanden war sie schon. Da rief sie ja eben das Dienstmädchen: „Anna! — aufstehn!“ — So konnte sie es doch gewesen sein; aber wozu war es nötig, daß sie über ihm betete, als ob auf beiden ein großes Unglück liege?! — Plötzlich fiel ihm das gestrige Ereignis ein. Es kam ihm wie ein wilder Traum vor. Aber es half doch nichts; er hatte sie wirklich am Arme gepackt und in höchster Wut gerüttelt, weil sie von diesem Reisenden in solch verdächtiger Weise gefaselt hatte. Vielleicht war es vertrackt dumm von ihm gewesen und doch gab er sich recht, aber immer so, als wenn thatsächliche Beziehungen seines Weibes zu diesem Menschen beständen, wofür er nicht den geringsten Anhalt hatte.

      Auf jeden Fall mußte er sehen, wie seine Frau die ganze Angelegenheit auffaßte. Schleunig verließ er das Bett und kleidete sich an.

      In der Küche erfuhr er, sie sei eben in die Frühmesse gegangen und werde etwas spät zurückkehren. Er solle nur ruhig allein frühstücken.

       * * *

      Es gelang ihm nicht, mit Leonore zu einer Aussprache zu gelangen. Wohl hörte er sie flüchtend gehen und in der Kinderstube leise ihre Anordnungen geben. Er lauerte ihr auf hinter den Ecken der Gänge, im Hausflur. Allein das Gelingen des besten Planes wurde durch einen unerwarteten Zwischenfall oder durch Leonores Vorsicht vereitelt, die es einzurichten wußte, jederzeit eine dritte Person zwischen ihren Mann und sich zu schieben. Ihr Nachtlager suchte sie erst nach seinem Einschlafen auf und entfernte sich vor seinem Erwachen oder blieb nächtelang beim Knaben, wenn er einmal zaghaft den Versuch gemacht hatte, über die Sache mit ihr

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