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Gott, wie sollt ich essen? — ich? — ich?“

      Immer wieder strich sie kosend die schimmernden Falten des Tischtuches nieder, rückte mit nippenden Fingern an den Gefäßen, griff nach Griebels Gestalt mit einem heiß vorbeitastenden Blick und versank dann durch ein sich immer verengenderes Wiegen in den Hüften, das wie das Jauchzen ihres Leibes aussah, in ein Hinträumen mit aufgelöst vorgebeugtem Oberkörper. Dann fuhr sie auf:

      „Können nich Blumen auf’m Tisch stehn? — Rosen — Nelken — vielleicht Veilchen — schöne, lauter schöne — Blumen — Blumen!“ —

      „Ja, Plåmpe, Blumen, eim Wenter, un zu wås denn?“ antwortete Griebel plump auf die leisen Worte, die Leonore für sich hingesungen hatte.

      Dann schob er den Teller von sich, und während er mit Behagen das Aufstoßen der genossenen Speise seinen schwammigen Leib schütteln ließ, sagte er ruckend, von vielen Schnalzlauten unterbrochen:

      „Ha, dås håt gut geschmeckt. — Nu kennde ichs ufnehmen, åber anders. — ‘s wår doch . . . . . . . . . . ich kånn nie gescheide wer’n. — Du!!“

      „Ja!” schrack Leonore empor, einen unbeweglichen Glanz in ihren großen, weichblauen Augen.

      „. . . . Du . . . du . . .“ wiederholte sie mit verhauchender Zärtlichkeit.

      „Wo siehst du denn hin?“

      „Nu ja, eben . . . . das is ja eben . . . .“

      Plötzlich sah sie ihn scharf an, brennend. Dann streckte sie zögernd ihren Arm aus und mit zaghaftem Finger tastete sie an Griebels Stirn, als streiche sie etwas fort.

      „Wås is ‘n! Bin ich etwa beschissen? ‘s kånn ålls meglich sein.“

      Er trat an den Spiegel und betrachtete sein Gesicht. „Da is doch ålls reen!“ sagte er verwundert. „Dir machts wohl wås firr?“

      Er wandte sich um und fixierte sie scharf.

      Sie saß mit gesenktem Kopfe da und ihr Busen erzitterte in ängstlichem Wogen.

      Mit einer mißbilligenden Miene trat er einen Schritt zurück und begann dann zwischen der Kommode und der Schlafzimmerthür auf dem Läufer hin- und herzuwandeln.

      Er überlegte offenbar, ob Leonore die Erzählung des Spukes ertragen würde. Um es herauszubekommen, trat er sich einigemal die Hosen nieder und schnappte mit den fetten Fingern seiner Rechten, die auf dem Rücken lag.

      Die regungslose, dumpfe Wärme des hohen Raumes lastete auf ihm, daß er zu keinem Entschluß gelangen konnte.

      Scheu, schüchtern hörte man die große Uhr auf dem Flur ticken. Ein hochsingendes Zittern folgte jedem Schlag und „n s s“ ein feiner, langhinsinnender Ton fuhr dann durch das ganze Haus.

      „‘s is doch nich richtig in unserm Hause“, begann er zögernd und sah im Hinwandeln verstohlen über die Achseln auf Leonore.

      In schweigender Zustimmung bewegte diese das gesenkte Haupt hin und her.

      „Då gieh ich iber de Stiege“, begann er endlich entschlossen zu erzählen, „iber de Stiege“, wiederholte er in einem letzten Zweifel, als sein Weib betroffen die Augen auf ihn richtete, „nein, eigentlich schon an der Thüre. Ich weeß jetzt noch nie, warum ich stehn bleiben mußte, ich mußt . . .“

      „Wann war denn das?“ unterbrach Leonore ihn hastig.

      „Nu, wie ich kåm.“

      „Da stimmts nich, da war er schon da,“ sprach sie enttäuscht und lehnte sich auf den Stuhl zurück.

      „Er? — — — nein. Da här ‘och erst. — Ich horch ein wenig å der Thüre. Dornåch, Tommheit, denk ich, klink auf und geh nei. ‘s Thor fliegt zu, daß der Flur blökt. Då hal‘ ich ein wenig å. ‘s wurd åber weiter nischt. Un ich fang å‘ iber de Stiege nufzugehn, immer hibsch åm Geländer. ‘s Licht brannte nich auf’m Flure, un ich denke, aso kannst de nich stirzen. — ‘s wår doch aso — — — freilich! — Wie ich mich —m Geländer ‘naufgreife, fengt de Wand a und weicht zuricke . . . . . . . wås schraubst‘n ‘s Licht runter?“

      „‘s hört sich besser zu.“

      Das sagt sie in ungeduldiger Hast, und ihr Blick haftet saugend an seinen Lippen.

      „. . . fengt de Wand an und weicht“, drängt sie ihn weiter, da er innehält.

      Bestürzt nimmt Griebel ihre Erregung wahr, und weil er glaubt, durch plötzliches Abbrechen das Unheil noch ärger zu machen, fährt er unsicher fort:

      „Singt eigentlich nich, es is blos, als wenn die Wand . . .“

      Nun springt Leonore mit den Zeichen glühenden Einverständnisses auf, und dem Tuchmacher ist es, als ob eine heiß eindringende Woge die schüchternen Worte in seinen Mund zurückzwänge.

      Überwältigt bricht er ab.

      Die Hände verschlungen, hingebend den Kopf geneigt, steht das Weib da.

      Aber kein Menschenlaut rührt sich.

      Das Ticken mahnt schüchtern, der lange feine Ton setzt verschmachtend ein, wie das Echo eines verklungenen Liedes in immer schwächeren Wellen stirbt.

      Dann hebt sie fruchtschwer das Haupt. Ihre Hand kost das Haar ihrer entgegengesetzten Schläfe. Aufgereckt, mit zurückgebogenem Kopfe, verharrt sie eine Weile.

      Mit dem verschmachtenden Singen des feinen Tones setzt sie dann fort: „. . . ein Wind in mir stand auf und nahm alle Wände mit, an den’ meine Seele krank war, alle Schatten, an den’ sie benahe gestorben is . . . wie das auf einmal bliehte und klang . . . das Licht ging wie weiße Jungfern zwischen den Bäumen auf und ab; die streichelten es mit ihren Blättern . . . darnach aber kams . . . der Wald rückte zusammen, die Erde zog sich nauf und wurde e r. Bloß das Licht blieb um ihn . . . so wie er dagesessen hat heute vor dir, neben mir, mit der schwarzen Locke auf der . . .“

      Plötzlich brach ihre flutende Rede ab. Sie sah starr auf die Wand. Dann hob sie weisend ihre Hände und flüsterte mit erschauernder Wollust:

      „Da kommt er wieder . . . da — da — ah! — Ja! — wart nur! . . . komm! — — — du . . . auch! Da geh nur, ich komme ja . . . !“

      Die Arme umfangend ausgebreitet, mit hinsinkenden Schritten, die Lippen stumm bewegend, das Gesicht verklärt, verschwindet sie im Schlafzimmer.

      Mit zitternder Hand riegelte Griebel die Thür hinter ihr zu, dann verschließt er auch die Thür nach dem Flur. Nun steht er wieder horchend im Wohnzimmer. Da rührt sichs drinnen. — — „Sie stürzt sich durchs Fenster!“

      In leisester Hast öffnet er die Thür wieder.

      Leonore steht regungslos vor ihrem Bette.

      „Das wär doch noch’s letzte . . . ach nee! . . . Griebel, Griebel; ma soll nich Böses denken.“

      Nun, redet sie nicht wieder? — Ja! —

      Ein heimlich zärtliches Flüstern.

      Plötzlich öffnet sich eine Kluft in ihm. Daraus dringt die schwelende Lohe einer furchtbaren Ahnung auf ihn ein. Nach der Geburt, als sie im Bette lag, hatte sie da nicht etwas geredet, wie, als hätte er gar nicht zu sein brauchen . . . und ihr unbegreifliches Betragen der letzten Monate wäre alles blos . . . und jetzt! — jetzt! . . . . in wirren Fetzen, gewiß und folternd, kochte es auf ihn ein. Um sich zu entgehen, zwingt er seine ganze Gewalt auf das Gehör. Und wie er steht und lauscht, tröstet er sich schon wieder: „‘s wer’n blos die Nerven gewesen sein. Die mögens eben aso machen. Mein Gott, ein so eingezogenes Mädel, wie die war . . .“

      Aber schrill brach er ab; denn jetzt begann sie laut zu reden.

      Erst verstand er nichts, stammelnde Laute — — doch jetzt! — — :„. . . . Ah—ch! — — Lieber . . . . Lieber . . .! du auch? . . . siehste! . . . . vielleicht schon als kleines

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