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nicht gehört im Glück einer heißen Fülle und richtete einen großen, tiefen, leuchtenden Blick auf sein feines Gesicht.

      „‘s kommt ibersche!“ fuhr es Griebel durch den Kopf, „etzt schnell!“

      „Meine Frau, Herr Frank, ha! Härn Se of mich! meine Frau verintressiert sich nemlich riesig sehr firsch Reisen, missen Se wissen. Vor allem firs Meer. — A ander mal missen Se ‘r ålls derzehlen. Etz muß ich sahn, dåß ich ei de Werkstelle komm.“

      Mit diesen lärmenden Worten trat der erschrockene Tuchmacher den höchst bedenklichen Augenblick nieder und gab dann in rauher Hast seine Aufträge.

      „Jetz muß ich fort, sonst rickt mir der Knelle aus, ohne dåß a sei Fett besahn håt!“

      Damit stand er auf und der Reisende erhob sich gleichfalls sichtlich verlegen, indem er sinnend nach seinen Sachen griff. Als er sah, daß Griebel in höchster Ungeduld auf sein Fortgehen wartete, wandte er sich in seiner schneidigsten Pose an Leonore:

      „Ich empfehle mich Ihnen, schöne Frau. Ich kann Ihnen sagen, von heute ab glaube ich an Wunder. Ich sah Sie einmal vor zwei Jahren flüchtig, als Sie noch unverheiratet waren. Bei meiner Ehre, ich habe Sie nicht wiedererkannt. Sie haben sich kolossal zu Ihrem Vorteil verändert.“

      Seine Augen brannten sich auf ihr glühendes Gesicht.

      „Gestatten Sie, daß ich Ihnen meine Hand reiche. Das nächste Mal erzähle ich Ihnen mit Ihrer Erlaubnis von meinen Reisen. — Sie haben ein Juwel, Herr Griebel!“ rief er, immer die Hand Leonores in der seinen haltend, dem Tuchmacher zu, der, völlig fassungslos; in den Kleidern am Ständer herumwühlte.

      „Schockschwerebrett!” knurrte er als Antwort, und da er endlich seinen Hut gefunden hatte, kommandierte er: „Nu åber naus!“ und trabte der Thür zu.

      Mit heißem Zögern ließ Frank die willenlose Hand Leonores fahren und folgte, unter tiefen Verbeugungen gegen die zurückbleibende Frau, dem Davoneilenden.

      ————

      XI.

       Inhaltsverzeichnis

      Zwischen den Molekülen der Luft schwebt ein geheimer Stoff; der empfängt die starken Wellen der Menschenseelen und pflanzt sie fort. Mit keinem Sinne ist er wahrzunehmen. Doch liegen in uns wohl verkümmerte andere Sinne. Mit diesen fühlen wir den erregten Seelenatem unserer Nächsten. In leisen Wellen fließt er über uns. Dann wissen wir etwas, dessen Verständnis uns entgeht.

      Als Griebel aus der Werkstatt nach Hause zurückkehrte, war es schon dunkel, die Straßen der Stadt lebendiger. Denn ehe die Nacht kommt, werden die Menschen unruhig, weil ein Teil ihres Lebens so leise stirbt, wie die Schatten des Abends zunehmen. Um die ganz verhaltene Furcht zu betäuben, treten die Leute lauter auf, sprechen stärker und bewegen die Arme eiliger.

      Griebel wußte nicht, warum er so laufe. Als ihm der Atem ausging, blieb er stehen, schüttelte den Kopf und schritt dann langsam weiter. An dem Thore seines Hauses stutzte er, aus einem gedanklichen Hinschlummern aufgerissen, zog hastig die Hand von dem Thürdrücker zurück und horchte gespannt in den Hausflur. Der brummte sein altes verschwommenes Murren. Manchmal hüpfte ein scharfes Knixen dazwischen. Dann zuckte es in Griebel. „Tommheit! . . .“ raffte er sich endlich unwillig auf und trat entschlossen ins Haus.

      Es war finster; in dem oberen Flur brannte das gewohnte Licht nicht. Ein Gefühl, als zögen sich die Wände zurück, wenn er nach ihnen tastete, wurde immer stärker. Darum hielt er sich nach dem Geländer hin, um an der Leitstange Halt zu finden. Aber obwohl er im Emporsteigen jeden Schritt etwas mehr nach rechts machte, kam er doch an kein Geländer. Die Stufen schienen kein Ende zu nehmen. Ihre Höhe und Entfernung voneinander verringerte sich auch, so daß er erst ins Leere trat, um nach einer Weile stampfend Grund zu finden.

      Nun ging es gar bergab — — und immer noch kein Geländer . . . . . .

      „Himmelschockschwerebrett, Licht!“ schrie er endlich in Wut.

      Fern von ihm flog eine Thür auf, ein Licht riß sein flackerndes Auge in die Höhe und schloß es gleich vor Schreck.

      „Jesses, wer . . . ?“ gellte eine weibliche Stimme und brach jäh ab.

      Er stand doch mitten auf der Stiege und . . . .. neben ihm aus einem unendlichen Gange war ein Schein aufgehüpft . . . neben ihm . . . . aus der Mauer? . . . . . . . er hörte seine eignen Atemzüge. — — Unsicher that er noch einen langen, tastenden Schritt und — — stieß an eine kalte Wand. Er rührte sich nicht; ein heißes Prickeln, als fliege glühender Sand in sein Gesicht . . . .. „de Schätz-Hanne, de Haushexe!“ . . . . schlotterte es durch sein Hirn, obwohl er mutig die Zähne zusammenbiß.

      „Verflucht! Verflucht! Verflucht! Im Namen Gottes, des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen!“ wehrte er den Spuk ab.

      Die ganze Wucht des fiebernden Atems trieb er in diesen Ruf und es klang doch tonlos . . . . so war die Beschwörung unwirksam.

      Das Sandwerfen wurde stärker.

      Plötzlich flammte eine rote Lohe um ihn. Eine eisige Besinnung kommt in seine Seele . . . . „was ward etz komma?“ — Das Geleucht schlich von links heran, aber er wagte nicht, sich umzudrehen „. . . . jetze hält’s!“

      „. . . . jetze dreht mrsch s Genicke rem!“ . . . . in kühler Gefaßtheit.

      Da reißt ihn der Schrei einer weiblichen Stimme aus den Klammern der Todesangst.

      ,,Herr du meines! Nä ha! Do stiehn Se oan reda gegen de Wand!“

      Das Dienstmädchen war es, das Licht in der zitternden Hand. Und er stand am entgegengesetzten Ende des Flures in einer Ecke.

      „Du dås sågste keinem Mensche, dåß . . .“ fuhr Griebel augenblicklich herum.

      ‚,Herr wie Sie schwetza! Ja’ch dås weeß doch ein jedes, dåß emgeht ei oansem Hause.“

      „Wenn ich dr åber sage, es gieht n i c h um?!“

      „Nu do giehts halt nich um, hähä!“ lachte Anna brutal.

      „Grobes Geschmäße!“

      Und Griebel trat, aufatmend, in die Wohnstube — — — —

      Die Lampe stand mit zurückgeschraubter Flamme hart an der Tischkante, nach dem Sofa zu. Eine regungslose, warme Dumpfheit schlug ihm entgegen, als er in den lichtmüden Raum trat.

      Leonore saß noch auf dem Platze am Fenster, die Hände, mit den Flächen aneinandergelegt, im Schoß, das Haupt wie suchend vorgebeugt. Sie schien sich die fünf Stunden seit seinem Weggange nicht bewegt zu haben und rührte sich auch nicht bei seinem Eintritt.

      „Gu’n Abend!“ sagte er, „Du!“ forderte er lauter auf und setzte gleich behutsam für sich hinzu: „die hört nischt!“

      „. . . . o je, viel — viel . . .“

      Atemschwer, aus einem schnellen Strome sprach sie, in zerstreutem Auftauchen.

      „Dås is åber finster!“ knurrte er und schraubte die Lampe höher.

      „. . . nein, lichte . . . lichte! . . . lichte!! . . .“

      In steigender Verzückung redete sie es gegen den Boden hin und hob dann langsam, als weiche sie liebem Drucke, das Haupt — — und — — fuhr zusammen.

      „Ja, bist du schon da, lieber Joseph! Nu, gu’n Abend! Mach d‘rs bequem, ich bring gleich Abendessen.“

      Leicht sprang sie dann auf. Wie um den Bann einer Trunkenheit gewaltsam von sich abzuschütteln, schritt sie erregt einigemal am Tisch vorüber. Griebel empfand ihre fahrig hingeworfenen Aufmerksamkeiten wie das Geschwätz kühler Tropfen.

      Nach den unliebsamen Vorgängen des Tages befand er sich in einem reizbaren Zustande.

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