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Verbrechen und Strafe. Fjodor Dostojewski
Читать онлайн.Название Verbrechen und Strafe
Год выпуска 0
isbn 9788726372038
Автор произведения Fjodor Dostojewski
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
„Paschenjka muß uns heute Himbeersaft schicken, damit wir ihm etwas zum Trinken machen können“, sagte Rasumichin, der sich wieder auf seinen Platz gesetzt hatte und sich von neuem an die Suppe und das Bier machte.
„Wo soll sie denn Himbeersaft herkriegen?“ fragte Nastasja; sie hielt die Untertasse auf den gespreizten fünf Fingern und sog den Tee durch ein Stück Zucker hindurch.
„Himbeersaft bekommt sie beim Kaufmann, liebes Kind. Sieh mal, Rodja, hier ist, während du bewußtlos warst, eine ganze Geschichte passiert. Als du mir so wie ein Dieb davonliefst und mir deine Wohnung nicht sagtest, da packte mich ein solcher Grimm, daß ich mir vornahm, dich aufzusuchen und zu bestrafen. Gleich denselben Tag machte ich mich ans Werk. Wo bin ich nicht überall herumgelaufen und habe nach dir gefragt! Straße und Nummer deiner jetzigen Wohnung hatte ich vergessen; übrigens habe ich sie nie im Gedächtnis gehabt, weil ich sie nie erfahren hatte. Na, und deine frühere Wohnung — da erinnerte ich mich nur, daß sie bei den Fünf-Ecken lag, im Charlamowschen Hause. Ich suchte also wie verrückt nach diesem Charlamowschen Hause; später hat sich dann herausgestellt, daß dein Hauswirt gar nicht Charlamow, sondern Buch geheißen hat — wie man sich doch manchmal in den Lauten irren kann! Na, ich war ganz ärgerlich. ,In Gottes Namen‘, dachte ich, ,wir wollen’s mal versuchen!‘ und ging am andern Tage aufs Meldeamt. Und denke dir: in zwei Minuten hatten sie dich da gefunden! Du warst dort eingetragen.“
„Wunderbar!“
„Ja, es ist erstaunlich! Es wurde gerade, während ich da war, auch nach einem General Kobeljow gesucht; den konnten sie nicht finden. Aber ich will nicht abschweifen. Sowie ich nun hier in deine Bude eingedrungen war, wurde ich gleich mit all deinen Angelegenheiten bekannt; mit allen, Brüderchen, geradezu mit allen; ich weiß alles. Nastasja hier kann es bezeugen: mit Nikodim Fomitsch habe ich Bekanntschaft gemacht, und Ilja Petrowitsch ist mir wenigstens gezeigt worden, und mit dem Hausknecht habe ich Bekanntschaft gemacht und mit Herrn Alexander Grigorjewitsch Sametow, dem Sekretär beim hiesigen Polizeibureau, und schließlich auch mit Paschenjka, das war die Krone des Ganzen; Nastasja hier weiß davon zu reden . . .“
„Ja, was der der Wirtin für Schmeicheleien gesagt hat . . .“, murmelte Nastasja, verschmitzt lächelnd. „Der reine Zucker!“
„Aber Sie sollten sich doch noch ein bißchen Zucker in Ihren Tee hineintun, Nastasja Nikiforowna!“
„Ach, du Racker!“ rief Nastasja und prustete vor Lachen. „Ich heiße doch Nastasja Petrowna und nicht Nastasja Nikiforowna“, fügte sie hinzu, als sie mit ihrem Gelächter fertig war.
„Das werde ich mir hochachtungsvoll einprägen. Na also, Bruder, um es kurz zu machen: anfangs hatte ich die größte Lust, hier allenthalben einen elektrischen Strom mittels einer Klopfpeitsche hindurchgehen zu lassen, um alle Vorurteile, die in der hiesigen Gegend gegen dich herrschen, mit einem Male auszurotten; aber Paschenjka hat mein Herz besiegt. Ich hatte gar nicht erwartet, Bruder, daß sie eine so . . . so scharmante Frau ist. Wie denkst du darüber, he?“
Raskolnikow schwieg, obwohl er seine unruhigen Blicke keinen Augenblick von ihm abgewandt hatte und ihn auch jetzt immer noch starr anblickte.
„Und sogar sehr scharmant“, fuhr, ohne sich durch dieses Schweigen im geringsten beirren zu lassen, Rasumichin fort, als pflichte er einer erhaltenen Antwort bei, „und sehr brav und ordentlich, in jeder Hinsicht.“
„Na, so ein schlauer Fuchs!“ rief Nastasja wieder, für die es offenbar ein Hochgenuß war, dieses Gespräch mit anzuhören.
„Schade, Bruder, daß du nicht gleich von Anfang an verstanden hast, die Sache richtig anzufassen. Eine Frau wie diese hättest du ganz anders behandeln müssen. Sie hat einen Charakter, einen Charakter, möchte ich sagen, der einem etwas zu raten aufgibt! Na, aber von ihrem Charakter reden wir später noch . . . Aber wie konntest du es dahin kommen lassen, daß sie es wagte, die Lieferung des Mittagessens an dich einzustellen? Oder die Sache mit dem Schuldschein? Du bist wohl verrückt geworden, daß du Schuldscheine unterschreibst! Na, und dann dieses Heiratsprojekt, als die Tochter Natalja Jegorowna noch lebte . . . Ich weiß alles! Übrigens, ich sehe, daß ich da einen delikaten Punkt berühre und daß ich ein dummer Esel bin; sei mir nicht böse. Aber ad vocem Dummheit: meinst du nicht auch, Bruder, Praskowja Pawlowna ist doch gar nicht so dumm, wie man auf den ersten Blick geneigt sein könnte anzunehmen, nicht wahr?“
„Ja . . .“, antwortete Raskolnikow mürrisch, indem er zur Seite blickte. Aber er sagte sich, daß es sicherlich zweckmäßig sei, etwas zur Weiterführung des Gespräches beizutragen.
„Nicht wahr?“ rief Rasumichin, der sich sichtlich freute, eine Antwort bekommen zu haben. „Aber eigentlich klug ist sie doch auch nicht, wie? Ein Charakter, der einem viel, viel zu raten aufgibt. Zum Teil kann ich selbst mich nicht drin zurechtfinden, muß ich dir gestehen, Bruder. Sie wird wohl volle vierzig alt sein. Sie sagt: erst sechsunddreißig, und sie ist durchaus berechtigt, das zu sagen. Übrigens kann ich dir versichern, daß ich mir mein Urteil über sie rein intellektuell, lediglich nach den Grundsätzen der Metaphysik bilde; aber dabei ist mir ein Problem entgegengetreten, gegen das alle Algebra ein Kinderspiel ist! Mein Verstand versagt! Na, das ist ja alles dummes Zeug. Ich will bloß sagen: als sie sah, daß du nicht mehr Student warst und keine Privatstunden und keinen ordentlichen Anzug mehr hattest, und sich sagte, daß sie nach dem Tode ihrer Tochter keinen Anlaß mehr habe, dich als ein liebes Glied ihrer Familie zu behandeln: da bekam sie es mit der Angst um ihr Geld. Und da du deinerseits dich in dein Kämmerlein verkrochst und nichts dazu tatest, um die bisherigen Beziehungen aufrechtzuerhalten, so kam sie auf den Gedanken, dich aus der Wohnung hinauszuwerfen. Mit dieser Absicht trug sie sich lange; es tat ihr nur leid, den Schuldschein, den du ausgestellt hattest, wegzugeben, namentlich da du ja selbst versichert hattest, daß deine Mutter bezahlen würde . . .“
„Das war eine Gemeinheit von mir, daß ich das gesagt habe. Meine Mutter muß selbst beinahe betteln gehen . . . Ich habe gelogen, um nicht aus der Wohnung gejagt und um weiter beköstigt zu werden“, sagte Raskolnikow laut und deutlich.
„Ja, da hast du ganz vernünftig gehandelt. Das Malheur war nur, daß sich da auf einmal ein Herr Tschebarow, Hofrat und Geschäftsmann, einmischte. Ohne ihn hätte Paschenjka gegen dich keine Schritte getan; sie ist ja sehr schüchtern. Na, aber ein Geschäftsmann ist nicht schüchtern, und das erste, was er tat, war natürlich, sie zu fragen, ob Aussicht vorhanden sei, daß der Schuldschein bezahlt würde. Es wurde ihm geantwortet, dazu sei allerdings Aussicht vorhanden; denn es existiere da so eine liebe Mama, die mit ihrer Pension von hundertfünfundzwanzig Rubeln ihrem Rodja schon aus der Klemme helfen werde und wenn sie auch selbst darüber hungern müßte, und dann existiere da auch noch so eine gute Schwester, die sich für ihren Bruder in die Leibeigenschaft begeben würde. Darauf baute er nun seinen Plan . . . Warum wirst du denn so zapplig? Ich habe jetzt deine intimsten Geheimnisse erfahren, Bruder; das kommt davon, daß du gegen Paschenjka so offenherzig warst, als du noch mit ihr auf verwandtschaftlichem Fuße standest. Ich sage dir das alles jetzt, weil ich es mit dir gut meine . . . Ja, so geht das: ein ehrlicher, gefühlvoller Mensch redet offenherzig alles heraus, und so ein Geschäftsmann hört es, nutzt es aus und richtet den Betreffenden zugrunde. Sie überließ also diesen Schuldschein, unter der Fiktion, als habe er ihn ihr abgekauft, diesem Tschebarow, und der leitete ungeniert in regulärer Form die Eintreibung ein. Ich hatte, als ich das alles erfuhr, vor, bloß so zur Beruhigung meines Gewissens auch ihm etwas von dem bewußten elektrischen Strome zukommen zu lassen; aber gerade damals bildete sich zwischen mir und Paschenjka ein so schönes, harmonisches Verhältnis heraus, und so sorgte ich denn dafür, daß der weitere Verlauf der Sache gehemmt wurde, und zwar durch Verstopfung der Quelle, indem ich mich dafür verbürgte, daß du zahlen würdest. Ich habe für dich Bürgschaft geleistet, Bruder, hörst du wohl? Wir ließen also Herrn Tschebarow kommen, warfen ihm zehn Rubel in den Rachen, ließen uns den Schuldschein zurückgeben, und so habe ich denn die Ehre, ihn dir zu überreichen; man schenkt jetzt deinem bloßen Worte vollkommenes