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aus Deadwood an!«

      Was war denn da los? War die totgeglaubte DDR mit ihrer Nationalen Volksarmee etwa gerade dabei, Amerika von seinem Innersten her aufzurollen?

      Ich wollte eigentlich noch in die sternenübersäte Dunkelheit hinausfahren zu den Badlands, zu den schlafenden Präriehundstädten und zu den buntgestreiften Tafelbergen, die ich am Tag wenigstens eine Stunde lang hatte bewundern können, besonders den Bisonleitbullen, der auf einer der näheren Tafeln bis an den Rand getreten war, um das Terrain für seine Herde abzuchecken oder einfach nur über sein armenisches Schicksal nachzugrübeln. Aber ich war stattdessen eingeschlafen und habe dann im Traum eine Bisonherde gesehen und wie sich einer der Bisons auf den Rücken geworfen hatte und sich selig schubberte auf den Häuserruinen der in gehörigem Abstand protestierenden Präriehunde. Die Präriehunde hatten sich dann aber entpuppt als die Bautzener Dakotas.

      Am Morgen fuhr ich, von seltsamen Lachanfällen geschüttelt, nach Deadwood. Ich wagte gar nicht erst zu hoffen, dass auch Gerd Grau längst herausbekommen hatte, wo man hier auf eine ostdeutsche Indianerin aus Wyoming, die für ein, zwei Tage nach Süd-Dakota entflohen war, warten musste. Der Panzerhauptmann a.D. hatte doch sicherlich dieselbe Adresse herausbekommen wie ich von Foggy.

      Ich sah sofort diesen wirklichen One-Stroke-no-Stroke-Man an der Bar sitzen. Dabei hatte ich noch gar nicht nach diesem Floh- und Indianermarkt Ausschau gehalten, sondern wollte erst mal was trinken.

      Schön, wenn man gleich beim ersten Fall so ein Glück hat! Drei Sitze weiter an der Bar saß ein wohlgenährter lieber Familienvater, der nicht im Geringsten nach FBI aussah.

      Hundertfünfzehn Jahre und sechzig Tage, nachdem der bezahlte Desperado Jack McCall am 2. August 1876 Calamity Janes Freund und Lover Wild Bill Hickock am Spieltisch in den Rücken geschossen hatte, bahnte sich jetzt eine Art Shootdown im Gulch Resort Motor Inn von Deadwood in den Black Hills an, wo der One-Stroke-no-Stroke-Man und ich scheinbar ganz unabhängig voneinander saßen. Es ist trotzdem ein süßes Gefühl, wenn einer mehr weiß als der andere. Ich war, glaubte ich da erstmals, ein bisschen boshaft und zugleich erfreut genug, um Detektiv zu sein. In so was zu schwelgen lässt die Zeit vergehen, bis man doch noch hinterrücks ein bisschen überrascht wird.

      Sie war tatsächlich da! Sie stand mit Schock im Türstock zu jenem Casino, das früher einmal zu Wild Bills Stamm- und Todeskneipe, dem Bell Union Saloon, gehört hatte. Sie war eine sehr hellhäutige und nicht gerade attraktive Squaw, der traditionellen Kleidung nach wohl Schoschone, und schoss dem rotblonden Kerl da an der Theke in den Rücken. Sie tat dies mit einer tödlichen Waffe – mit dem Wort.

      »Gerd Grau?«, rief sie. Für die einheimischen Anwesenden klang das aus ihrem Mund wie »gerret crow«, also so was wie »Mansardenkrähe«. Der Getroffene bäumte sich noch einmal auf und erstarrte. Er drehte sich nicht um.

      »Garret crow!«, sagte die unscheinbare Schoschone erneut und wiegte wie verständnislos verneinend ihren Kopf. Jeder der nun Anwesenden saß atemlos und starr zu ihr oder in sein Glas blickend da, als habe er das größte Reiterstandbild der Welt zum ersten Mal vor Augen, nämlich das von Red Cloud im nahen Tal der steinernen amerikanischen Präsidenten. Sie war eine von den Schoschonen wie der berühmte Häuptling Red Cloud, nur nicht so attraktiv.

      Der erstarrte rotblonde Kerl drückte jetzt sein Whiskey-Glas an sein getroffenes Herz, in jene Gegend jedenfalls, wo bei ihm eine rosa Seidennelke steckte an seiner seltsam büffelgrasfarbenen und gestrichelten Uniformjacke. Jedermann im Lokal wusste, dass er der One-Stroke-no-Stroke-Man war, bloß seine Squaw nicht.

      Aber sie schaffte es, urplötzlich bei ihm zu sein und gleich völlig verborgen auf seinem Schoß zu sitzen. Die beiden gaben keinen Piep mehr von sich und drückten einander nur. Wie sollte ich diesen Klumpen aus Wiedersehensfreude nun mit einer Sendung stören, die ich von Potty zu übergeben hatte? Ich schob das kleine Päckchen so dicht an diesen Glücksklumpen heran, dass er wohl nicht stibitzt werden konnte. Ich sah dem Familienvater drei Sitze weiter noch tief und lange in die Augen. Der Mann erwiderte meinen Blick und ist dabei wohl Sieger geblieben.

      Das war mein traumhaftester Fall. Er löste sich eigentlich von ganz allein. Aber ich war wenigstens dabei gewesen.

      Foggy rief in meinem Motel in Deadwood an und spielte den Ahnungslosen: »Kennst du einen Erbsensuppenhändler namens Potty?«

      »War das nicht der Kumpel vom One-Stroke-no-Stroke-Man?«

      »Kennst du auch den Unternehmer Stuhlmeier aus Palm Springs in Kalifornien?«

      »Nicht persönlich.«

      »Pass auf. In diesem Military Surplus-Laden in Iowa City gibt es auf Lager jetzt schon Tausende NVA-Felddienstjacken mit dem Spitznamen ›One-Stroke-no-Stroke‹. Willst du noch mehr wissen?«

      »Danke, Foggy Gellhorn, ich weiß schon alles. Du bist einfach große Klasse.«

      Ich war damals natürlich noch auf dem Bergfriedhof in Deadwood gewesen und stand an den nicht allzu sehr benachbarten Gräbern von Calamity Jane und Wild Bill Hickock. Ich hab den beiden zwei weiße Kunstblumen aufs Grab gelegt. Ich habe die Wegwerfer von noch viel mehr Kunstblumen vorher gesehen. Es waren zwei. Nämlich ein Herz und eine Seele. Sie hatten insgesamt 400 Kunstblumen von Hohnecker’s Fall Silk Flowers and Arrangements in Dubuque am Mississippi in einen Supermarktcontainer am Rand der Black Hills geworfen. Jetzt lagen dort allerdings nur noch 398 Stück.

      Es war Mitte Oktober 1991. Der Winter fuhr herein auf seiner freien Bahn aus dem hohen Norden. Schon Alberta Clipper kam zu früh nach Iowa herunter, und er wurde fast noch überholt vom Canadian Express. Foggy und ich saßen im Widows Watch auf seinem Haus über Dubuque und konnten sehen, wie alle Schiffe vom Hafen im Kreis herumfuhren, um ihn eisfrei zu halten, selbst die »Casino Belle« und der kleine Raddampfer »Bettendorf«, wo sie deinen Whisky Soda mit zwei kleinen Tankpistolen in deine Gläser aus Plaste zischen. Dann sahen wir selbst noch im Dunkeln, wie der Mississippi allmählich eine hellere, ja grelle Farbe annahm, sich aufhäufte und da und dort mit spitzen Fingern wie die Kirchen Oklahomas auf den Himmel einstach. Der Mississippi begann nun erst recht zu donnern und zu krachen wie eine Schlacht, die sich über Hunderte Meilen nach Süden zu erstrecken begann. Es war die Winterschlacht des mächtigen Flusses, und ich hatte bereits gewonnen und konnte die fünftausend D-Mark von Kukkie behalten. Foggy wollte davon partout nichts.

      Die dreitausend Dollar, die mir aber Gerd Grau noch als Scheck schicken wollte, ließ ich ihn gleich an Foggy Gellhorn überweisen. Dann hab ich mich vier Jahre lang mehr schlecht als recht in Amerika oder in Berlin und sonstwo durchgeschlagen, aber ich hatte in dieser Zeit bereits eine mit Ach und Krach erworbene Detektivlizenz.

      6

      Kamtschatka, 180 km südlich von Charlottenburg

      Go West ist ein gemütlicher Ausflug gegen Stellers Fahrten. Aber durch ihn bin ich wohl endgültig in meinen Beruf geraten, so hatte ich Kandida chida erzählt. Ich hatte mich also für den interessanten Job beworben.

      »Die Große Nordische Expedition« sollte in den Franckeschen Stiftungen in Halle an der Saale ab dem Mai des Jahres 1995 eine unglaublich umfangreiche Ausstellung heißen. Gemeint war die Expedition unter Vitus Bering, dem »Kolumbus des Zaren«, über Monate und sogar viele Jahre hinweg durch das so elend weite Russland von Peter dem Großen, zu dem damals ja auch noch Alaska gehörte.

      Man hatte Alaska schließlich wie Kolumbus die Antillen tatsächlich erreicht, es hatte eben nur zehnmal länger gedauert. Noch zu Schiff auf der Meerenge, die später Beringstraße hieß, hatte Steller als Erster einen amerikanischen Schwarzkopfhäher an Deck begrüßt. Georg Wilhelm Steller war der wissenschaftliche Leiter dieser gigantischen Expedition von 1733 bis 1745 gewesen und hatte als erster Europäer von Osten her amerikanischen Boden betreten, wenn auch nur für zehn Stunden. Er war es auch, der noch die letzten gigantischen Seekühe gesehen und beschrieben hat, die schließlich nach ihm benannt wurden. Diese Ausstellung sollte deshalb in Halle sein, weil Georg Wilhelm Steller dort einmal eine ganze Weile als Lehrer am Waisenhaus der pietistischen, aber zugleich auch global expandierenden und expeditierenden Franckeschen Stiftungen tätig gewesen war.

      Eine

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