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du redest!«

      »Doch, Daniela. Doch. Ich weiß es ganz genau. Du mußt es tun, hörst du! Du mußt!«

      »Harald!« Sie wich entsetzt einen Schritt vor ihm zurück.

      »Wem tust du denn unrecht, wenn du Irene von ihrem Leiden erlöst? Niemandem! Du hilfst ihr ja nur. Glaubst du, daß sie selbst das Leben einer ... einer Blöden führen möchte? Du tust es ja nur für Irene ... und für uns beide. Ich bitte dich, ich flehe dich an!«

      »Verlaß sofort dieses Zimmer!«

      »Ich soll gehen, ja? Aus deinem Leben verschwinden. Das ist es doch, was du dir wünschst? Aber so einfach geht das nicht, meine Liebe. Hast du vergessen, wie oft du mir geschworen hast, daß du mich liebst? Jetzt auf einmal soll das alles nicht mehr gelten, nur weil ich ein Opfer ... ein kleines Opfer von dir fordere?«

      »Was du verlangst, ist... Mord!«

      Sein Gesicht verfärbte sich. Sie spürte, daß sie ihn mit diesem Wort getroffen hatte.

      Aber schneller, als sie gedacht hatte, faßte er sich wieder. »Nenn es, wie du willst. Es ist die einzig mögliche Lösung.«

      Daniela zwang sich zur Ruhe. »Du bist jetzt verstört, Harald. Du bist außer dir, sonst könntest du nicht so reden. Du solltest mich gut genug kennen, um zu wissen, daß ich es nie tun würde! Nie und unter keinen Umständen!«

      »Wirklich nicht?« Ein verzweifeltes Lächeln verzerrte seine Züge. »Das wollen wir sehen.« Er wandte sich zur Tür.

      Sie wußte, er erwartete jetzt, daß sie ihn zurückrufen würde. Aber seine Drohung schreckte sie nicht.

      Sie hatte nur den einen Wunsch, endlich von ihm allein gelassen zu werden.

      Aber er ging noch nicht. Zwei Schritte, bevor er die Tür erreicht hätte, drehte er sich um. »Du vergißt, daß du es bist, die an allem schuld ist«, sagte er.

      Sie schwieg, sah ihn nur an.

      »Wenn du nicht in mein Leben getreten wärst, wenn du es nicht von Anfang an darauf angelegt hättest, mich einzufangen ... all das wäre nie passiert. Ich hätte niemals daran gedacht, Irene zu verlassen. Sie wäre gesund und ich ... ein glücklicher Mensch!«

      Als Daniela an diesem Abend das Bruder-Klaus-Krankenhaus betrat, rief der Pförtner hinter ihr her: »Hallo, Schwester ...«

      Sie drehte sich um, kam die wenigen Schritte zurück. »Ja?«

      »Ich soll Ihnen was ausrichten, Schwester! Vom Herrn Professor. Er bittet Sie, heute nacht Dienst auf seiner Station zu machen ... das Wachzimmer ist nämlich schon leer.«

      »Leer?« Daniela erschrak.

      »Ja, die Patientin ist jetzt auf Privatstation.«

      »Ach so. Vielen Dank, Herr Siegel!« Daniela nickte dem Pförtner zu, dann schritt sie weiter den langen, glänzend gebohnerten Gang entlang, fuhr mit dem Lift nach oben.

      Schwester Berta empfing sie im Schwesternzimmer. »Ich habe gerade die Medikamente für die Nacht verteilt«, sagte sie, »es sind noch die alten Fälle, nur eine Niere ist dazugekommen, eine Frau Höger. Sie hat Schmerzen. Wenn es ihr in der Nacht sehr schlecht gehen sollte, können Sie ihr noch einmal Morphium geben. Dann haben wir natürlich den Schädelbruch, aber den kennen Sie ja schon aus dem Wachzimmer!«

      »Wie geht es Frau Spielmann?« fragte Daniela.

      »Die Oberschenkelfraktur verheilt gut, und überhaupt, das Allgemeinbefinden hat sich sehr gebessert, nur, sprechen tut sie noch immer nicht.«

      »Ob sie versteht?«

      »Ich weiß nicht. Ich sage immer, wenn erst mal der Schädel kaputt gewesen ist, bleibt immer was übrig.«

      Schwester Daniela hatte den Mantel ausgezogen und über einen Bügel gehängt.

      »Einer wird sich ja heute freuen, daß Sie wieder da sind«, sagte Schwester Berta augenzwinkernd.

      »So?« Daniela steckte eine widerspenstige Locke unter das weiße Häubchen.

      »Sie wissen schon, wen ich meine.«

      »Ich gebe mir Mühe, mit allen Patienten einen guten Kontakt zu bekommen«, sagte Daniela.

      »Gut gesagt.« Berta lachte. »Aber mit manchen geht’s eben doch besser und mit manchen weniger. In Roy Erichson haben Sie jedenfalls einen heißen Verehrer gefunden!«

      »Unsinn!« sagte Schwester Daniela schärfer, als sie beabsichtigt hatte, und fügte entschuldigend hinzu: »Sie wissen, ich kann diese Art Witze schlecht vertragen.«

      »Es ist gar kein Witz. Mindestens fünfmal hat er mich inzwischen gelöchert, wo Sie stecken und warum Sie nicht wieder auf die Privatstation kommen.«

      »Und was haben Sie ihm gesagt?«

      »Daß Sie die Weihnachtsfeiertage beurlaubt waren. Wissen Sie, ich hielt es nicht für richtig, ihm die Sache mit der Schädeloperation auf die Nase zu binden. Manche Patienten erschreckt so etwas!«

      Während Schwester Berta sich hinsetzte und ihren Bericht zu Ende schrieb, ging Schwester Daniela von Zimmer zu Zimmer, um guten Abend zu sagen.

      Als erstes schaute sie zu dem kleinen Mädchen hinein, das zwei Tage vor dem Heiligen Abend am Blinddarm hatte operiert werden müssen. »Guten Abend, Ulli«, sagte sie freundlich. »Gut siehst du aus! Ich könnte mir denken, daß du bald wieder nach Hause darfst.«

      »Warum waren Sie gestern nicht da, Schwester? Sie hatten doch versprochen, mir eine schöne Geschichte zu erzählen.«

      »Sei mir nicht böse, heute holen wir’s nach, ja? Sobald ich Zeit habe, komme ich zu dir!«

      »Au fein! Wissen Sie nämlich, Schwester ... gerade an Weihnachten krank zu sein, das ist gar nicht lustig.«

      Schwester Daniela trat ins Nebenzimmer, wo die nierenkranke Patientin lag. »Guten Abend, Frau Höger«, sagte Daniela, »ich bin die Nachtschwester. Wenn Sie einen Wunsch haben ... Sie dürfen jederzeit klingeln.«

      »Mir geht es ganz gut«, sagte die Patientin. Ihr Blick war ein wenig verschwommen. Es war noch nicht lange her, seit sie ihre letzte Spritze bekommen hatte.

      »Das freut mich. Ich schaue auf alle Fälle nachher noch einmal bei Ihnen herein!«

      Mit freundlichem Nicken verließ Daniela das Zimmer. Vor der Tür des Filmschauspielers blieb sie zögernd stehen. Dann ging sie vorbei. Es hatte sie Kraft genug gekostet, für die Sorgen der Kranken aufnahmefähig zu sein, während es ihr so schwer ums Herz war. Den Späßen und den Komplimenten Roy Erichsons fühlte sie sich beim besten Willen nicht gewachsen.

      Ganz zuletzt trat sie in das Zimmer Irene Spielmanns. Mit einem Blick stellte sie fest, daß die Schwerkranke sich gut erholt hatte. Ihre Züge wirkten entspannt, fast ein wenig voller, die Farbe war besser geworden. Aber auf ihre deutliche und freundliche Begrüßung erhielt sie keine Antwort.

      Schwester Daniela studierte das Krankenblatt, stellte fest, daß Puls, Atmung und Blutdruck sich fast normalisiert hatten. »Es freut mich wirklich, daß es Ihnen soviel besser geht, Frau Spielmann«, sagte sie. »Es ist ja fast ein Wunder, wie schnell Sie sich erholt haben.« Sie ließ während dieser Worte die Kranke keine Sekunde aus den Augen. Frau Spielmann sah sie nur an, ohne irgendeine Reaktion zu zeigen.

      »Wenn Sie Schmerzen haben oder irgendeinen Wunsch ...« Daniela trat näher an das Bett, »sehen Sie, hier ist die Klingel. Sie brauchen nur darauf zu drücken, ein paar Sekunden später bin ich bei Ihnen!«

      Immer noch sprach Frau Spielmann kein Wort, zuckte mit keiner Wimper. Dennoch hatte Daniela plötzlich das Gefühl, daß sie sehr wohl verstand, was man zu ihr sagte. War es möglich, daß sie nicht reagieren wollte?

      »Hat Ihr Mann Sie schon besuchen dürfen?« fragte Daniela.

      Ihr schien es, als wenn bei dieser Frage die Pupillen der Patientin zuckten. Aber nur den Bruchteil einer Sekunde

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