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nun einmal rasend eifersüchtig.«

      »Du machst Spaß«, sagte Daniela. »Hast du mir nicht erzählt, daß dieser Mister Hythe alt und langweilig wäre?«

      »Ist er auch. Für meinen Geschmack jedenfalls. Immerhin sieht er blendend aus.«

      »Hast du keinen Augenblick daran gedacht, daß ich damit gerechnet haben könnte, du würdest zum Essen bleiben?«

      »Ich war überzeugt, ich hätte dir erzählt, daß ich fort muß!«

      »Dann geh einfach hin und sage ihm, daß du eingeladen bist ... daß du vergessen hast, es ihm zu sagen!«

      »Nein, das geht auch nicht. Ich kann ihn doch nicht so enttäuschen.«

      »Aber mich! Bei mir macht es dir gar nichts aus!«

      »Daniela!« Er packte sie bei den Schultern. »Bitte, nun nimm doch mal Vernunft an! Du weißt genau, wie gern ich heute abend bei dir bleiben würde! Ich würde wer weiß was darum geben, wenn es möglich sein würde! Aber es ist ausgeschlossen. Kannst du mir das nicht glauben?«

      »Nein«, sagte sie hartnäckig, »ich sehe das nicht ein. Gerade am Heiligen Abend gehört man zu den Menschen, die man liebt.«

      »Stimmt nicht«, sagte er, »am Heiligen Abend ist man mit den Menschen zusammen, zu denen man offiziell gehört. Das ist ein großer Unterschied. Offiziell gehören wir noch nicht zusammen, mein Liebes, deshalb haben wir kein Recht ...«

      »Das sind doch Haarspaltereien! Oder ... willst du mir etwa sagen, daß der Ring ... daß dein Versprechen nichts zu bedeuten hat? Dann ...« Sie machte eine hastige Bewegung, als wenn sie den Ring abstreifen wollte.

      »Daniela«, sagte er heftig. »Bitte ... ich bitte dich! Natürlich gilt der Ring, und natürlich gilt, was ich dir versprochen habe. Ich liebe dich ... ich liebe dich mehr, als ich je einen Menschen geliebt habe. Wir werden heiraten, sobald es möglich ist ... das ganze Leben liegt vor uns. Gerade deshalb kommt es doch nicht auf den einen Abend an. Ausgerechnet diesen Abend!«

      »Du hast ja recht«, sagte sie zerknirscht. »Es tut mir leid, wenn ich mich albern benommen habe, aber ... ich hatte mich schon so gefreut!«

      Er zog sie in seine Arme. »Jetzt bist du mir böse!«

      »Überhaupt nicht.« Sie schüttelte den Kopf, daß ihr weiches, kastanienbraunes Haar flog.

      »Komm her, Eva!« Daniela wandte sich um. »Gib Onkel Harald die Hand und mach einen schönen Knicks ... bedank dich noch einmal für die herrliche Puppenküche, ja?«

      »Vielen Dank, Onkel Harald!« sagte Eva wohlerzogen, aber ohne Überzeugung.

      »Ich hoffe, du hast Spaß damit, Eva«, sagte er und tätschelte ihre Wange.

      Im Flur half Daniela ihm zärtlich in den schweren Wintermantel, band ihm den maisgelben, grobgestrickten Wollschal — ihr Weihnachtsgeschenk — um den Hals. Sie küßten sich noch einmal mit jäher Leidenschaft.

      Als er gegangen war, stand sie eine Sekunde wie benommen. Dann atmete sie tief, sah in den großen Flurspiegel, nahm einen Lippenstift, zog sich die Konturen ihres Mundes nach. Sie bürstete sich mit raschen Strichen über die braunen Locken, glättete mit einer kleinen Wendung das blaue Kleid und trat ins Zimmer zurück.

      Eva hatte die neue Babypuppe inzwischen vollkommen ausgezogen. »Gut, daß er weg ist«, sagte sie, ohne aufzusehen.

      »Eva! Wie kannst du denn so reden? Du hast keinen Grund, häßlich über Onkel Harald zu sprechen. Sieh dir doch bloß mal die schöne Puppenküche an, die er dir geschenkt hat.«

      »Ich will sie gar nicht haben!«

      »Eva! Du hast sie dir doch immer gewünscht!«

      »Ja, aber vom Christkind!«

      »Nun sei nur nicht albern, du weißt ...« Daniela kam nicht dazu, ihren Satz zu Ende zu sprechen.

      Das Telefon klingelte. —

      Als Daniela Kreuzer eine knappe Stunde später im Krankenhaus eintraf — sie hatte sich in aller Eile umgezogen, Eva, die gewohnt war, allein zu schlafen, ins Bett gebracht und der Nachbarin Bescheid gesagt, war dann mit einem Taxi zum

      Stadtrand gefahren —, erwartete sie eine Überraschung. Im Schwesternzimmer der Privatstation hatte Schwester Berta, die sie heute als Nachtschwester vertrat, ein Tannenbäumchen angezündet. Darunter stapelten sich kleine, hübsch eingepackte Pakete.

      »Für mich?« sagte Daniela überwältigt. »O nein, das hättet ihr aber nicht tun sollen!«

      »Es war nicht meine Idee«, sagte Schwester Berta lächelnd. »Ich habe lediglich den Auftrag bekommen, die Kerzen anzuzünden!«

      »Von wem?«

      »Darf ich nicht verraten!«

      »Bitte, Berta, seien Sie doch nicht so ... sagen Sie mir ...«

      »Nun ja, wenn Sie’s unbedingt wissen wollen ... also, passen Sie auf!« Schwester Berta machte ein geheimnisvolles Gesicht. »Vom Weihnachtsmann!«

      Daniela war aus dem dunkelblauen Schwesternmantel geschlüpft, jetzt steckte sie vor dem Spiegel noch rasch ein paar widerspenstige Löckchen unter die Haube. Wie immer fand sie sich in der Tracht ganz verändert. Sie sah strenger und zugleich auch gütiger aus.

      »Wollen Sie die Päckchen nicht wenigstens öffnen?« fragte Berta.

      Daniela schüttelte lächelnd den Kopf. »Geht nicht. Leider. Ich muß sofort ins Wachzimmer.« Sie warf einen Blick auf ihre Armbanduhr. »Die Operation ist sicher schon beendet.«

      »Dann nehmen Sie Ihre Geschenke mit.« Schwester Bertas Stimme klang bedauernd; sicher hätte sie selbst gerne gewußt, was ihre Kollegin geschenkt bekommen hatte.

      Mit eiligen Schritten ging Schwester Daniela den breiten Gang entlang, an dem links und rechts die Einzel- und Doppelzimmer der Privatstation lagen. Sie wußte, daß nur drei Zimmer belegt waren — in Nummer sieben lag Roy Erichson, der Filmschauspieler, in Neun ein Kind mit einer Blinddarmoperation, in Fünfzehn, auf der anderen Seite, eine alte Dame, deren linke Niere entfernt werden mußte.

      Daniela dachte plötzlich, ob die Patienten sich nicht freuen würden, wenn sie rasch den Kopf hineinstecken und guten Abend sagen würde. Sie hätte gern gewußt, wie diese armen Menschen sich heute, am Heiligen Abend, fern von ihren Angehörigen, im Krankenhaus fühlten.

      Sie verzichtete nicht ohne ein leises Schuldgefühl. Der Fall, dessentwegen sie in die Klinik gerufen worden war, ging vor.

      Das Wachzimmer lag außerhalb der Privatstation, aber nur wenige Schritte entfernt, um eine Ecke herum.

      Als Schwester Daniela nach kurzem Anklopfen eintrat, erhob sich Dr. Schmidt, der am Bett der Patientin gesessen hatte, sofort.

      »Na endlich!« sagte er erleichtert.

      »Ich bin erst vor einer knappen Stunde angerufen worden, Herr Doktor.«

      »Ich weiß, ich weiß, Sie brauchen sich nicht zu entschuldigen, Schwester! Es ist nur ... meine Familie wartet auf mich.« Er warf einen Blick auf die Patientin, die mit geschlossenen Augen dalag, mit offenem Mund schwer atmete. »Sie wissen, was Sie zu tun haben?«

      »Blutdruck, Puls, Atmung und Temperatur kontrollieren«, sagte Schwester Daniela.

      »Sehr richtig. Der Fall ist höchst kritisch. Sobald Sie eine Verschlechterung des Zustandes merken, müssen Sie Doktor Wörgel informieren. Er hat heute Nachtdienst.«

      »Ja, danke ... ich werde daran denken!«

      »In zwei Stunden sollten Sie der Patientin auf alle Fälle noch eine Blutkonserve zuführen ... sie ist sehr geschwächt.«

      »Wenn sie erwacht ...«

      »Wahrscheinlich wird sie sich an nichts erinnern können. Möglicherweise nicht einmal an ihren Namen. Sie müssen sehr behutsam mit ihr umgehen, ja? Aber es ist gut

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