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Schwester Daniela - Liebesroman. Marie Louise Fischer
Читать онлайн.Название Schwester Daniela - Liebesroman
Год выпуска 0
isbn 9788726444865
Автор произведения Marie Louise Fischer
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
Erst als sie wieder am Bett der Schwerverletzten stand, spürte sie die übermenschliche Anstrengung, die sie die letzten Minuten gekostet hatten.
Ihre Knie zitterten vor Schwäche. Sie mußte sich am Fußende des Bettes festhalten, um nicht zu stürzen.
»Da sind Sie ja«, sagte Dr. Wörgel, der der Kranken die Sauerstoffmaske inzwischen wieder abgenommen und den Apparat ausgeschaltet hatte. »Was war los?«
»Ein ... Angehöriger«, sagte Daniela mit steifen Lippen.
Dr. Wörgel sah sie an, war mit wenigen Schritten bei ihr, packte sie von hinten bei den Schultern. »Schwester ... was haben Sie? Sie wollen doch nicht etwa schlappmachen, wie?«
Schwester Daniela schüttelte den Kopf.
»Na, sehen Sie. Ich hab’s doch gewußt. Übermüdet, wie? Das kommt davon, wenn man Nachtschwestern unausgeschlafen zum Dienst zitiert. Warten Sie mal, ich gebe Ihnen was, das wird Ihnen auf die Beine helfen!« Er holte eine Medizinpackung aus der Tasche seines weißen Kittels und drückte sie Daniela in die Hand. »Ein stärkendes Präparat ... ausgezeichnet ... Sie werden sehen ...«
»Danke«, sagte Schwester Daniela und lächelte mühsam, »vielen Dank, Herr Doktor!«
»Angehörige«, sagte Dr. Wörgel, »das kennen wir. Wahrscheinlich der Gatte, wie? Hat verrückt gespielt, ich kann es mir vorstellen. So sind die Menschen. Solange alles gut geht, fühlen sie sich stark ... sind sie sicher, daß es ihr Verdienst ist. Aber wenn das Schicksal mal zuschlägt... dann geraten sie gleich aus der Fassung. Dann sind sie sicher, daß sie das, gerade das nicht verdient haben!«
Schwester Daniela schwieg. Sie genoß die Fürsorge des Arztes, war dankbar, daß er keine Erklärung oder Entschuldigung von ihr erwartet hatte. Er redete noch eine ganze Weile, und sie begriff, daß er sie ablenken, ihr Zeit geben wollte, sich zu erholen.
»So, jetzt haben Sie wieder Farbe in die Wangen bekommen!« sagte er endlich. »Ich glaube, jetzt kann ich Sie wohl allein lassen, wie? Wenn irgend etwas sein sollte, Sie wissen, ich bin im Haus.«
Als die Glocken des Münsters den ersten Weihnachtsfeiertag einläuteten, als die fahle Dämmerung eines schneeigen Wintertages das kleine Krankenzimmer erfüllte und Schwester Daniela das Licht löschen konnte, spürte sie, daß sie in dieser Nacht um Jahre gealtert, ja, um Jahre gereift war. Selbst ihr Gesicht schien ihr verändert; es hatte die weichen Rundungen verloren, war härter geworden, die Augen schienen größer, wissender.
Als Schwester Lucie, ihre Ablösung, mollig und vergnügt, in Wäsche, die vor Stärke knisterte, ins Zimmer rauschte, hatte Daniela sich wieder ganz gefangen. Sie konnte sachlich den Bericht über die Nacht geben, sie konnte sogar lächeln, fröhliche Weihnachten wünschen.
Dennoch war sie froh, als niemand im Schwesternzimmer war. Mit raschen Händen packte sie die Weihnachtspäckchen in ihre Tasche. Der Weg aus dem Krankenhaus glich fast einer Flucht.
Dann war alles wie immer, nur ein wenig schwieriger. Der Kindergarten fiel aus, und Eva mußte zu Hause spielen. Daniela machte rasch ein weihnachtliches Frühstück für sich und die Kleine, brachte das Schlafzimmer in Ordnung. Dann legte sie sich, in eine weiche wollene Decke gepackt, auf die Couch, sah zu, wie Eva ihrer Babypuppe Fläschchen gab, sie wickelte, ihr Schlaflieder sang.
Die liebevolle Mütterlichkeit des Kindes rührte sie sehr. Zärtlichkeit für dieses kleine Wesen, das ganz und gar und ohne Falsch zu ihr gehörte, löste den Krampf des Herzens.
Sie weinte.
Sie bemühte sich lange, die Tränen zurückzuhalten, ihr Schluchzen zu dämpfen, um das Kind nicht zu beunruhigen. Aber Eva warf ihr nur einen Blick zu, fragend und wissend zugleich, wandte sich dann wieder ihrem Spiel zu.
Daniela schluchzte hemmungslos, und mit jeder Träne wurde ihr Herz leichter.
»Willst du, bitte, ein Taschentuch?« fragte Eva und stand plötzlich neben ihr. Daniela nickte, schluckte, rieb sich mit der Hand über die Augen.
Eva kam mit einer Puppenwindel an. »Da, nimm!«
Daniela schneuzte sich und wischte sich das Gesicht ab. »Es tut mir so leid, Liebling«, sagte sie.
»Warum?«
»Am ersten Weihnachtsfeiertag sollte man nicht weinen.«
»Och, ich habe gedacht, es ist dir was kaputtgegangen. Oder hat der Onkel Doktor mit dir geschimpft?«
»Ja, so ähnlich!«
»Und jetzt ist alles wieder gut, nicht wahr?«
Sie zog das Kind in ihre Arme. »Richtig, Liebling. Woher weißt du das?«
»Wenn man erst tüchtig geweint hat, ist nachher immer alles gut, das weiß ich doch schon.«
»Mein kluger Schatz. Ich habe dich sehr, sehr lieb, weißt du das?«
»Lieber als Onkel Harald?«
»Viel, viel lieber.«
»Das ist gut«, sagte Eva unbekümmert. »Ich habe dich auch viel lieber... noch lieber als meine neue Puppe!«
»Das ist wunderbar von dir. Hör mal, Eva ... meinst du, daß du jetzt mal eine Zeitlang ganz still spielen kannst? Ich will nämlich versuchen, ein bißchen zu schlafen. Wenn die beiden Uhrzeiger dann auf zwölf stehen, dann weckst du mich, ja?«
»Ich weiß schon Bescheid, Mutti!«
Daniela drehte sich zur Wand hin. Sie versuchte an alles andere zu denken, nur nicht an Harald. Sie bemühte sich, ihre Gedanken auf Eva zu konzentrieren, auf den Augenblick, wo sie zum erstenmal in ihrem Arm gelegen hatte. Sie erinnerte sich, wie sie später, erst wenige Monate alt, ihren ersten Schnupfen gehabt hatte. Kindliche, spaßhafte Bemerkungen fielen ihr ein, alles, was mit Eva zusammenhing. Wie immer hatten diese Erinnerungen ihre tröstlichen Wirkungen. Sie schlief ein.
Schon bei ihrem Eintritt hatte Schwester Daniela einen scheuen Blick zum Krankenbett hingeworfen. Die Schwerverletzte lag, wie sie sie heute morgen verlassen hatte, mit geschlossenen Augen und offenem Mund.
»Schläft sie?« fragte sie wider ihr besseres Wissen.
»Nein. Sie ist noch immer ohne Bewußtsein. Wir haben ihr vor zwei Stunden eine Infusion gegeben. Doktor Wörgel hat übrigens versprochen, einmal hereinzuschauen. Stellen Sie sich vor, er hat sich den Dienst für die ganzen Feiertage andrehen lassen! Manchmal ist es doch ein Glück, daß es Junggesellen gibt.«
Daniela mußte fast lächeln. Jeder im Krankenhaus wußte, wie gern Schwester Lucie die Schwesterntracht mit dem Ehering vertauscht hätte. Sie pflegte jedem Junggesellen, der ihr über den Weg lief, schöne Augen zu machen und begriff nicht, warum man sie nicht ernst nahm.
Der Zustand der Patientin besserte sich nicht. Stunde um Stunde verging. Selbst wenn Daniela die Augen schloß, sah sie das blasse, zerquälte Gesicht der Kranken vor sich. Der geöffnete Mund schien eine Anklage auszustoßen, die doch nur in Danielas Herzen hörbar wurde.
Kurz vor Mitternacht kam Dr. Wörgel, besuchte die Patientin, gab ihr eine Spritze mit einem herzstärkenden Mittel.
»Bitte, Herr Doktor«, sagte Daniela, als er aufstand, »sagen Sie mir ganz ehrlich ... was denken Sie?«
»Ist schwer zu sagen!«
»War die Hirnhaut verletzt?«
»Nein, das nicht. Nur eingedrückt. Auch kein Hämatom. Professor Kortner ist nicht Gehirnchirurg im eigentlichen Sinne, aber er war drei Jahre Assistent an einer neurochirurgischen Klinik, und er hat Gehirnoperationen selbständig durchgeführt. Mit Erfolg. Gerade weil er kein Routinier ist, ist er besonders gewissenhaft.«
»Ja ... aber dann ...«
»Nach