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sagte sie, »Harald Spielmann ... nicht wahr, er ist Ihr Mann. Ich habe ihn diesen Sommer kennengelernt. Im August. Aber ich schwöre Ihnen ... ich wußte nicht, daß er verheiratet ist. Ich wußte es nicht!«

      Die Patientin öffnete die Lippen. Gespannt starrte Schwester Daniela sie an.

      Ein schweres Keuchen entrang sich Irene Spielmanns Brust. Dann stieß sie mit heiserer, fast krächzender Stimme hervor: »Sie lügen!«

      Die Anklage traf Daniela wie ein Peitschenhieb.

      Die Patientin drückte wild auf die Klingel.

      »Gehen Sie! Gehen Sie!« schrie sie. »Hinaus mit Ihnen ... oder ich schreie um Hilfe!«

      »Bitte, Frau Spielmann, bitte, glauben Sie mir doch ...«

      »Nein! Mir können Sie nichts vormachen! Sie sind schuld. Sie allein! Sie ... Flittchen!«

      Ganz überraschend sprang die Kranke mit beiden Beinen aus dem Bett, stürzte, die mageren Hände zu Krallen erhoben, auf Daniela zu.

      Die Schwester reagierte blitzschnell. Mit einem Jiu-Jitsu-Griff zwang sie die Kranke zu Boden, unentwegt beruhigend auf sie einsprechend. Aber sie erreichte nichts damit. Zwar war die Rasende in ihrer Gewalt, sie konnte ihr jetzt nicht gefährlich werden, aber sie hörte nicht auf, sich zu wehren, versuchte zu beißen, stieß wild mit den Beinen in die Luft, schrie gellend.

      Daniela war verzweifelt vor Entsetzen und Ratlosigkeit. Dann fiel ihr die Spritze ein — die Spritze, die sie schon für Frau Höger mit Morphium aufgezogen und in die Tasche gesteckt hatte.

      Nach vielen vergeblichen Versuchen gelang es ihr, die Kranke mit der linken Hand zu bändigen, mit der rechten stieß sie blitzschnell die Spritze in den nackten Oberarm.

      Zehn Minuten dauerte es, bis das Morphium zu wirken begann — zehn Minuten, die für Schwester Daniela zu einer Ewigkeit wurden. Die Kranke ließ nicht davon ab, sich gegen sie zu sträuben, stieß wüste Beschimpfungen aus.

      Dann allmählich ging es vorbei. Die Stimme der Schwerkranken wurde leiser, immer häufiger fielen ihr die Augen zu, die Befreiungsversuche wurden schwächer. Aber Daniela wagte nicht sie loszulassen, bevor sie ganz eingeschlafen war.

      Als sie dann endlich den schlaff gewordenen Körper der Patientin wieder betten konnte, atmete sie auf. Kalter Schweiß stand ihr auf der Stirn. Sie war seelisch und körperlich am Ende ihrer Kräfte.

      Es dauerte eine ganze Weile, bis sie die Tragweite des Geschehens begriff. Sie hatte sich nicht geirrt, Irene Spielmann hatte von Haralds Liebe zu ihr erfahren. Deshalb war sie wie eine Wahnsinnige mit dem Auto durch die abendlichen Straßen gebraust. Vielleicht hatte sie sogar bewußt den Tod gesucht. Und sie — Daniela — war schuld.

      Ohne ganz zu wissen, was sie tat, verließ Schwester Daniela das Krankenzimmer. Sie bewegte sich auf eine seltsam gleitende, automatische Art wie eine Nachtwandlerin. Im Schwesternzimmer brach sie zusammen.

      Kurz vor Mitternacht kam Dr. Wörgel. Er sah blaß und übernächtig aus. »Ich wäre schon eher gekommen«, sagte er fast entschuldigend, »aber es war allerhand los heute nacht!«

      »Darf ich Ihnen eine Tasse Kaffee machen?« fragte Daniela.

      Er sah sie überrascht an. »Wahrhaftig? Das ist aber mal nett von Ihnen!«

      Daniela zögerte einen Augenblick, dann sagte sie: »Ich brauche Ihren Rat, Herr Doktor!«

      »Können Sie haben. Um was geht es?«

      »Es ist... ziemlich schlimm.« Daniela wußte nicht, wie sie anfangen sollte.

      »Hängt es mit Irene Spielmann zusammen?«

      »Ja!« sagte Daniela erstaunt. »Woher wissen Sie?«

      »Ich habe so meine kleinen Beobachtungen gemacht. Natürlich ist es auch durchaus möglich, daß ich mich getäuscht habe. Sie kennen diese Frau also doch?«

      »Nein, Herr Doktor. Ich habe Sie nicht belogen. Ich habe Frau Spielmann das erstemal gesehen, als sie schon im Wachzimmer lag. Aber ... ich kenne ihren Mann.« Sie schwieg.

      Dr. Wörgel zündete sich, ohne sie anzusehen, eine Zigarette an. »Reden Sie weiter«, sagte er mit einer Gelassenheit, die erzwungen klang.

      »Ich habe nicht gewußt, daß er verheiratet ist«, sagte Daniela. »Sie müssen mir glauben, daß ich es nicht gewußt habe!«

      »Was weiter?« fragte er kühl.

      »Nun jetzt... begreifen Sie denn nicht, daß ich in einen entsetzlichen Konflikt geraten bin?« sagte sie verzweifelt.

      »Wollen Sie sagen, daß Sie sich nicht imstande fühlen, ihre Rivalin zu pflegen?«

      »Herr Doktor!« Warmes Rot schoß Schwester Daniela in die Wangen.

      »Tut mir leid, wenn ich Sie verletzt habe.«

      Schwester Daniela holte tief Luft, zwang sich zur Ruhe. »Schon gut«, sagte sie mit einem gequälten Lächeln, »schweigen wir darüber.«

      Sie trat zu dem elektrischen Kocher, nahm den Deckel vom Topf. »Das Wasser kocht gleich, in ein paar Minuten haben Sie Ihren Kaffee!«

      »War das alles, was Sie mir sagen wollten?«

      Daniela sah ihn mit einem großen Blick ihrer sehr dunkelblauen Augen an. »Nein, ich fürchte, es ist sinnlos!«

      »Warum?«

      »Sie wissen es. Warum fragen Sie also. Ich ... sehen Sie, Herr Doktor, ich stehe ganz allein auf der Welt. Außer meiner kleinen Tochter habe ich niemanden, und Eva ist jetzt erst fünf Jahre alt. Ich sage Ihnen das, damit Sie mir verzeihen, daß ich Sie mit meinen Sorgen belästigen wollte.«

      »Sie glauben, daß ich Sie nicht verstehen kann, nicht wahr? Aber Sie irren sich, Schwester Daniela ... ich kann alles nur zu gut verstehen. Aber ... Sie müssen sich auch in meine Lage versetzen. Ich hätte niemals geglaubt, daß ausgerechnet Sie ...«

      »Ich habe Harald Spielmann geliebt«, sagte Schwester Daniela mit fester Stimme.

      »Verzeihen Sie!« Dr. Wörgel strich sich nervös mit der Hand über die Stirn. »Ich weiß, ich bin ungerecht... wahrscheinlich kommt es nur daher, daß ich mich erschöpft fühle. Dies scheint mir wirklich keine günstige Stunde für ein ernsthaftes Gespräch zu sein.«

      »Aber Sie müssen es wissen!« sagte Daniela mit plötzlichem Entschluß. »Es geht Sie an. Nicht nur als Mensch, sondern als Arzt! Die Patientin hat mich erkannt!«

      »Was?«

      »Ja. Sie weiß, wer ich bin!«

      »Daniela!« Tiefe Enttäuschung klang aus Dr. Wörgels Stimme. »Sie haben doch eben behauptet, Sie hätten gar nicht gewußt...«

      »Das stimmt auch. Ich hatte keine Ahnung, daß er verheiratet war. Begreifen Sie doch ...«

      »Nein, das kann ich nicht. Was Sie mir da erzählen, klingt absolut konfus und unglaublich! Woher soll die Patientin denn wissen, daß Sie ... nein, Daniela, bei allem Verständnis, das kann ich Ihnen nicht glauben.«

      »Ich habe es ihr gesagt!«

      Dr. Wörgel sah Schwester Daniela mit einem seltsamen Blick an.

      Es schien, als wenn er etwas sagen wollte, dann aber biß er sich nur auf die Lippen.

      Sie wandte sich von ihm ab, um ihm Gelegenheit zu geben, mit ihrer Mitteilung fertig zu werden.

      Das Wasser kochte, sie spülte die Kanne heiß aus, tat ein paar Löffel Kaffeepulver hinein, schüttete Wasser auf. Sie stellte eine Tasse für Dr. Wörgel und eine für sich selber auf den Schreibtisch, eine Schale Zucker und ein Döschen Kondensmilch dazu.

      »Wollen wir uns nicht setzen?« fragte sie und zog sich einen Stuhl heran. »Trinken Sie, bitte, Herr Doktor.«

      Er trat näher, blieb aber dann, anstatt sich zu setzen, nahe bei ihr stehen, starrte sie an. Die Hände

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