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gerade noch erwischen können ... zwischen Tür und Angel. Er war nicht sehr begeistert.«

      »Kann ich mir vorstellen!« Professor Kortner befühlte mit seinen langen, geschickten Fingern den Kopf der Patientin. »Gefällt mir nicht«, sagte er, »gefällt mir ganz und gar nicht. Ein Glück, daß wenigstens Schmidt hier ist. Ohne Anästhesisten wäre die Sache nicht zu machen.« Er wandte sich an Schwester Notburga: »Sie muß sofort nach oben. Alles zur Operation vorbereiten!«

      Dr. Gotthold Schmidt, einen Zettel in der Hand, auf den er die Bestimmung der Blutgruppe geschrieben hatte, kam ins Zimmer. Ohne aufzusehen sagte er: »Das hätten wir. Kann ich jetzt endlich ...«

      Professor Kortner unterbrach ihn: »Gut, daß du da bist, alter Junge! Ich nehme an, du hast Gerinnungszeit und so weiter auch schon festgestellt, wie?«

      »Wollt ihr operieren?«

      »Was denn sonst? Du kannst die Patientin gleich in den Anästhesieraum begleiten. Je eher wir eingreifen können, desto besser.«

      Dr. Schmidt machte ein unglückliches Gesicht. »Ich habe so was schon auf mich zukommen sehen«, sagte er, »und dabei habe ich Gisela fest versprochen, heute abend pünktlich zur Bescherung zu Hause zu sein. Die Kinder ...«

      »Evelyn wird mir auch was erzählen, da kannst du dich drauf verlassen!« sagte der Professor ungerührt. »Aber da gibt es nur eines ... nicht hinhören!«

      Bernhard Kortner und Gotthold Schmidt waren Kommilitonen gewesen, und sie hatten sich diese Jugendfreundschaft über die Jahre hinweg bewahrt, wenn auch ihre Frauen, die sehr verwöhnte und schwierige Evelyn und die hausbackene, ein wenig unordentliche Gisela Schmidt, niemals einen wirklichen Kontakt zueinander hatten finden können.

      Zwei Sanitäter hoben die Trage mit der Schwerverletzten vorsichtig auf und balancierten sie behutsam aus dem Zimmer. Die Oberschwester und der Anästhesist folgten.

      Professor Kortner zündete sich eine Zigarette an. »Außer der Schädelfraktur?« fragte er.

      »Oberschenkelbruch«, berichtete Dr. Wörgel, »scheint auch nicht ganz einfach zu sein. Dazu verschiedene Abschürfungen und Prellungen, die sofort versorgt worden sind.«

      »Schlimm«, sagte der Professor, »sehr schlimm. Hat sie Angehörige?«

      »Verheiratet. Die Polizei wird ihren Mann benachrichtigen.«

      »Schöne Weihnachtsbescherung. Na ja, wir werden sehen, was wir machen können.« Professor Kortner drückte, wie es seine Angewohnheit war, die halb aufgerauchte Zigarette aus, und sagte: »Wenn alles gut geht, brauchen wir eine Dauerwache! Schwester Daniela ...«

      »... ist für heute nacht beurlaubt, Herr Professor!«

      Professor Kortner hob die dunklen Augenbrauen. »So? Ach, ich weiß schon. War da nicht irgend etwas mit einem Kind?«

      »Ja, Schwester Daniela wollte an diesem Abend mit ihrer kleinen Tochter zusammen sein!«

      »Sehr verständlich. Nur zu verständlich. Trotzdem ... tut mir leid. Sie muß her!«

      Als sein Assistent schwieg, fragte er ungeduldig: »Na, was ist? Paßt Ihnen das etwa nicht?«

      »Könnte man nicht ...«, sagte Dr. Wörgel unsicher, »ich meine, besteht nicht die Möglichkeit ...«

      »Sie wissen sehr gut, daß wir die Zahl der diensthabenden Schwestern heute auf ein Minimum beschränkt haben. Es bleibt uns nichts anderes übrig, als eine zu holen. Warum also nicht Schwester Daniela? Ich weiß, daß sie absolut zuverlässig ist.«

      »Ich hätte ihr das gern erspart.«

      »Ich mir auch und Ihnen ... und dem guten Gotthold Schmidt. Aber was kann man da machen? Es ist unser Beruf, und wir haben ihn freiwillig gewählt. Denken Sie an Ihren Kant!« Mit halber Ironie zitierte der Professor: »Wir sind nicht auf der Welt, um glücklich zu sein, sondern um unsere Pflicht zu tun!« —

      »Ich hätte nie gedacht, daß das Leben noch einmal so schön sein könnte!« sagte Daniela Kreuzer aus vollem Herzen.

      Goldgelbe Kerzen brannten in den grünen Zweigen des Weihnachtsbaumes. Im Zimmer roch es nach Honig, Tannen und Backwerk. Auf dem Teppich kniete die kleine Eva und spielte mit ihrer neuen Babypuppe. Neben Daniela auf der Couch saß Harald Spielmann, der Mann, den sie liebte.

      Vor einer halben Stunde hatte er ihr den Verlobungsring übergestreift — einen schmalen Ring aus Platin mit einem schimmernden kleinen Diamanten.

      »Wenn wir erst in Kanada sind«, sagte er jetzt, »du wirst sehen ... es wird noch viel schöner!«

      »Warst du schon einmal drüben?« fragte sie arglos.

      Er wurde rot, und sie begriff sofort, daß sie einen Fehler gemacht hatte.

      »Harald!« Sie strich ihm mit der Hand durch das blonde, widerspenstige Haar. »Du weißt, daß ich dich liebe. Ich meine es ja auch nur gut mit dir! Als ich dich kennenlernte ... wann war das überhaupt? Im August, nicht wahr? Es ist nun also doch noch kein halbes Jahr her ... da wolltest du nach Afrika. Du hast mir immerzu erzählt, daß Afrika das Land der Zukunft wäre! Und ich habe dir geglaubt, wie ich alles glaube, was du mir sagst. Dann war Afrika von einem Tag auf den anderen vergessen. Kanada war das gelobte Land. Was soll ich davon denken?«

      »Daß ich ’raus will us Europa, ganz gleich wohin!«

      Ohne daß sie es bemerkt hatten, war die kleine Eva aufgestanden und legte ihre Babypuppe auf Danielas Schoß. »Mutti«, sagte sie, »Onkel Harald ... warum sprecht ihr nicht mit mir?«

      Harald Spielmann beugte sich vor, faßte die Kleine unter das Kinn. »Über was denn? Was sollen wir mit dir reden, Eva?«

      »Über meine Puppen natürlich.«

      Daniela lachte. »Eva hat ganz recht, Harald. Auswanderung und das alles sind keine Gespräche für den Heiligen Abend. Warum mußt du immer alles so ... so belasten? Warum kannst du nicht einfach glücklich sein wie ich?«

      Er stand auf. »Weil ich ein Mann bin, Daniela! Männer haben das so an sich, vorauszuschauen, sich zu sorgen. Ich denke ja immer nur an euch ... an Eva und dich. Ich möchte einfach, daß ihr beide ein glückliches und sorgloses Leben führt.«

      »Aber das tun wir doch!«

      Sie stellte sich auf die Zehenspitzen und gab ihm einen zärtlichen kleinen Kuß auf die Nase. »Aber jetzt unterhalte dich lieber mal ein bißchen mit Eva. Ich muß in die Küche und nachschauen ...«

      »Du hast doch nicht extra etwas gekocht, Daniela?«

      »Bisher nur das Wasser. Es soll Karpfen blau geben mit Meerrettichsahne, wie es sich für einen richtigen Heiligen Abend gehört.«

      »Tut mir leid, Daniela«, sagte er betroffen, »tut mir entsetzlich leid.«

      Ihre blauen Augen wurden fast dunkel vor Enttäuschung. »Mußt du fort?«

      »Ja, ich war sicher, ich hätte es dir erzählt.«

      »Kein Wort!«

      »Dann muß ich es einfach vergessen haben. Weißt du, ich habe mir angewöhnt, mich dauernd in Gedanken mit dir zu unterhalten ... deshalb kann ich gar nicht mehr genau feststellen ...«

      »Weshalb mußt du fort?«

      »Mister Hythe ...«

      »Ich weiß schon. Der Freund deines Geschäftsfreundes aus Toronto! Ich dachte, der wäre schon vorgestern nach München gefahren!«

      »Wollte er auch. Aber dann ist ihm eingefallen, daß er in München erst nach den Feiertagen arbeiten kann. Deshalb ... es ist mir sowieso schon unangenehm, aber ich bin einfach verpflichtet, mich ein bißchen um ihn zu kümmern.«

      »Ja ... aber warum hast du ihn dann nicht mitgebracht?«

      »Hierher?«

      »Warum nicht? Ich könnte mir vorstellen, daß er ganz gern ein deutsches Weihnachten

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