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einen Hinweis, der in der Hitler-Forschung ganz untergegangen ist. Was sollte diese damit auch anfangen?! Sie ist schließlich keine Peepshow-Veranstalterin für das Panoptikum extrem ausgefallener männlicher Mitte-Leibes-Glieder. Jetzt aber, bei der Eruierung von Hitlers heterosexuellen Konditionen, spielt die Aussage von Hitlers zweitem chirurgischem Begleitarzt Hans Karl von Hasselbach eine Rolle: »Hitler hatte eine ausgesprochene Scheu, seinen Körper zu zeigen. Auch ich habe ihn daher nie ganz entkleidet gesehen und untersucht. Ob er eine körperliche Missbildung an seinen Geschlechtsteilen hatte, darüber könnte wahrscheinlich sein früherer Fahrer und Diener Maurice etwas wissen, dessen Adresse ich angegeben habe und der mir in der Gefangenschaft Andeutungen machte.« (Hasselbach 52, S. 2)

      In Hasselbachs Aussage ist zweierlei enthalten:

      Erstens: Hitler war extrem scheu mit dem Sehenlassen seines nackten Körpers. Sogar Hitlers fünf Jahre tätiger und während dieser Zeit ununterbrochen in seiner Nähe befindlicher chirurgischer Begleitarzt hat ihn nie unbekleidet gesehen.

      Zweitens: Hasselbachs Hinweis auf Emil Maurice. Maurice ist der Einzige von den überlebenden Hitler-Nahen, der Hitler nackt gesehen haben könnte. Beide duzten sich und haben vorübergehend auch zusammen gewohnt.

      Dem späteren Leibdiener Heinz Linge ist das Sehen des nackten Hitlers von Biograf Maser nur untergejubelt worden, es basiert auf keiner Realität. Linges sogenannte Aussage ist gefälscht worden. (Linge 80/82, AMORO)

      Emil Maurice und auch der aus der 1914–1918-Kriegskameraden-Zeit »grenzenlos« nahe Ernst Schmidt sind auf die Ausstattung von Hitlers Geschlechtsteil nie angesprochen worden. In den Verhören von Hitler-Nahen ist eine gewisse Peinlichkeit zu bemerken, wenn sich die Fragen diesem Komplex zu nähern beginnen.

      Was Anna Maria Sigmund über das Interesse der amerikanischen Besatzungsmacht an Hitlers geschlechtlichen Verhaltensweisen schreibt, stimmt nur theoretisch: »Im Mai 1945 erstellte der amerikanische Geheimdienst Richtlinien für die Einvernahme [offizielle Verhöre] hoher nationalsozialistischer Funktionäre. Die Frage nach Hitlers Sexualleben erhielt Priorität. Die Antworten der NS-Bonzen entpuppten sich allerdings als wenig ergiebig. Man erzählte bereitwillig von der Bewunderung des ›Führers‹ für schöne Frauen, von näheren Verhältnissen wussten sie – abgesehen von Eva Braun – nichts zu berichten.« (Sigmund 08 I, S. 53)

      Werden Verhöre von Nazi-Mittätern und -Gehilfen im Fluss gelesen, entsteht der Eindruck der Feigenblatt-Fragen. Auch unter Männern, gerade unter ihnen, wird nicht aufs Eigentliche von Hitlers Sexualität gezielt, herrscht eine Umwölkung, die bei der Lektüre immer wieder Unmut erzeugt. Es kommen Momente, die das Interesse an Hitlers Sexualität pur umgehen, ja dieses Thema buchstäblich im Stich lassen: An eben dieser Stelle hätte jetzt ein Einstieg in genaues Sexuelles erfolgen, nachgehakt werden und jegliches Feigenblatt runtergerissen werden müssen.

      Es geschieht nur einmal bei Robert Kempner. Aber auch da geht es alsbald nicht weiter, führt nicht tiefer (15. Nein-Sager Julius Schaub).

      Dem Zeitalter fehlen bis heute die kategorialen Werkzeuge, um ins Sexuelle sprachlich wirklich einzudringen. Die Gespräche mit Nazi-Tätern über Hitlers Sexualität blieben demnach alle schamhaft. Die amerikanische Priorität gegenüber diesem Thema bestand nur auf dem Papier, konnte in der Praxis jedoch nichts Erhellendes ausrichten. Das sexuelle Aufklärungs-Blocken geschah schon, bevor die Befragungen losgingen.

      Wie es sich gezeigt hat, haben die Amerikaner auf Hasselbachs Hinweis, Maurice nach dem nackten Hitler zu befragen, nicht reagiert. Hasselbach und Maurice hatten genug Zeit gemeinsam in einer Zelle verbracht, auf dass Hasselbachs Hinweis hätte ernst genommen werden müssen.

      Die Deutschen drehten sich später ebenfalls von dem Thema weg. In den überlieferten Maurice-Interviews kommt der »sehr gering entwickelte Geschlechtsteil« Hitlers nicht vor. Den Zusammenhang zwischen anomalia sexualis und destructiva masculinis wollten Vertreter des Abendlandes bisher nicht so genau kennenlernen.

      Deshalb muss immer wieder auf die vorbildliche Vorgehensweise der sowjetischen Interrogateure für das Buch Hitler hingewiesen werden, die den ehemaligen Leibdiener Heinz Linge zu den Kern-Aussagen über Hitlers »eindeutig unnormales« Verhältnis gegenüber Eva Braun bewogen. (Eberle/Uhl, 6. Nein-Sager und 2. Ja-Sager, der »Widerrufs-Linge«, AMORO)

      Doch dieser Klarheit von 1945/46 wirkten deutsche und Anglo-Interviewer zehn Jahre später, 1955/56, definitiv entgegen, sodass über die ganze Welt hinweg das Gegenteil verbreitet und 25 Jahre später, 1980/82, in einer der verborgensten Fälschungen durch einen Hitler-Biografen bis heute fixiert wurde. (Linge 80/82, »Widerrufs-Linge«, AMORO)

      Was bei den widersprüchlich erscheinenden Hanfstaengl-Berichten erst einmal festgehalten werden muss: Mit Hitlers Heterosexualität stimmte etwas nicht. Dieser Eindruck bleibt auch bei Hanfstaengls Relativierungen von »Nie« in »Sehr selten«. Gerade solch ein Schwanken, eine derartige Unsicherheit zwischen absolutem und relativem Nein, machte es für Hitler 1 und Hitler 2 nötig, Dutzende Zeuginnen und Zeugen zu hören. Auch einigen anderen Umfeldern werden hier und da Unsicherheiten angekreidet werden müssen. Deswegen führt es zu gar nichts, nur mit zwei Görtemaker’schen Wackel-Neins zu kommen.

      Wenige der späteren Zeugen haben mit Hitler dieselbe Wohnung geteilt wie sein früher Freund und Fahrer Maurice und wie seine Diener Krause und Linge oder sein längstamtierender Adjutant Schaub oder für einige Zeit mit ihm unter einem Dach gelebt wie seine Sekretärinnen Junge und Schroeder, seine Vermieterin Reichert und seine Haushälterin Winter. Ganz anders sind deshalb die Aussagen des Jugend-Umfeldes, das meist auf den Erfahrungen eines Zusammenlebens aufbaut.

      Über Hitlers sexuelle Bedingungen Klarheit zu gewinnen erfordert Breitwand-Darstellungen eines neuen Zweitausender-Epos, das nicht nur in der Länge mit Tolstois Krieg und Frieden vergleichbar ist, sondern in dem es auch inhaltlich um Krieg oder Frieden geht.

      Ein sexueller Frieden mit Eva Braun, den die Biografen Görtemaker und Ullrich mit den englischen Fassungen ihrer Werke bis zur Stunde der ganzen Welt einreden, hätte solch eine bisher nie gekannte Kriegstreiberei, ja einen Kriegstrieb des Staatsterroristen Adolf Hitler provoziert? Sexfrieden hätte mit Kriegstrieb Seit an Seit kooperiert? 50–70 Millionen tot – auf der Basis des Bettes mit Eva Braun?

      Diesen Gartenzwergin- und Waisenknaben-Fantasien der Braun- und Hitler-Biografen muss mit den entschiedensten und ausführlichsten sexologischen Erwachsenheiten entgegengetreten werden.

      Vier ihrer Ja-Sager werden dabei Görtemaker entrissen – Hoffmann, Kempka, Schaub und Speer. Die drei ersten wandern gleich zur Nein-Seite (1., 23. und 15.), Speer fällt bei der Prüfung des Zehnten Ja-Sagers hintenrunter. (HETERO)

      Übrig bleiben Görtemakers drei Ja-Zeuginnen Winter, Schirach und Ostermayr-Schneider (5., 4. und 3.). Und die Abschrift von Brauns Tagebuch-Fragment setzt sich ebenfalls auf der Ja-Seite fest (6. Ja-Sagerin, ORALO).

       Das Landsberger Zeugnis zu Hitlers Ein-Hoden-Syndrom

      70 Jahre strauchelte die Hitler-Biografik wegen der sexuellen Frage auch in Anbetracht der physischen Beschaffenheit von Hitlers Genitalien und ließ sich von Werner Maser ab 1971 täuschen, Hitlers Geschlechtsteile seien »ganz normal« gewesen, denn Hitlers Leibarzt Theodor Morell hätte sie mehrmals untersucht und darüber Berichte hinterlassen. (Maser 71/01, S. 319 f./323 f., 480, Anm. 70 f.)

      Die Hitler-Biografik wusste nicht ein noch aus, wie sie es halten sollte. Denn im sowjetischen Obduktionsbericht stand, Hitler hätte der linke Hoden gefehlt. (Bezymenski 68)

      Volker Ullrich bevorzugte es, Maser blind zu folgen: »Nach allem, was wir aber aus den Berichten seines Leibarztes Theodor Morell wissen, der Hitler auch im Intimbereich untersuchte, waren die Geschlechtsorgane seines Patienten normal entwickelt. Alle Vermutungen, er sei unfähig gewesen, Frauen körperlich zu lieben, treffen demnach nicht zu.« (Ullrich, S. 300, 911)

      Da geschah 2010 ein »Finde-Wunder« in der Hitler-Forschung:

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