ТОП просматриваемых книг сайта:
.
Читать онлайн.Um Hitlers Frauen-Aversion deutlich zu machen, hält Hanisch eine Episode fest, die ihm Hitler erzählt hatte: Um zehn-jährig war Hitler auf seinem Weg zur Schule von einem Bauernmädchen angemacht worden, in Panik geraten und weggelaufen und hatte dabei die Milchkanne des Mädchens umgestoßen. (Hanisch 39, S. 297)
Die Episode trieft vor Symbolik: Hitler befindet sich am Ende seiner dörflichen Schulzeit in Leonding und am Anfang seiner Pubertät. Jeden irgendwie am Weiblichen interessierten Jungen hätten die Avancen des Milchmädchens hoch erfreut. Nicht so den heterosexuell blockierten Adolf Hitler. Er kann nicht einmal ruhig weitergehen und das herausfordernde Mädchen stehen lassen. Er muss fliehen. Das ihm gezeigte Interesse einer Weiblichkeit schlägt ihn in die Flucht. Bei seinem Abgang ist er derart konfus, dass er die säulenhafte Milchkanne des Mädchens umstößt.
Eine noch so versprengte positive Bemerkung Hanischs zum erwachsenen »Hitler und die Frauen« (Ullrich) taucht nicht auf. Jetzt zwischen Februar und August 1910 ist Hitler bereits 20/21 Jahre alt.
Wenn ein naher Freund und enger Mitarbeiter Hitlers, dessen Bilder Hanisch verkaufte, nichts Bejahendes zum Thema Hitlers Heterosexualität beisteuert, dann muss er als 8. Zeuge inmitten der Nein-Fraktion zu Hitler und die Frauen gezählt werden. Die Liste der Neins bekommt mit Kubizek und Hanisch allmählich die Oberhand gegenüber den bisherigen fünf Jas. Damit ist fürs Erste das Zeugen-Patt überwunden.
Dem späteren Regierungs-Hitler muss im Umgang mit seinen Adjutanten, Dienern und Sekretärinnen zu Bewusstsein gekommen sein: So ganz ohne Jugendliebe steht er vor allen »Normalos« etwas blöd da. Flugs schüttelte er vor seiner Sekretärin Christa Schroeder zwischen einem Diktat seine Wiener »erste Geliebte Emilie« aus dem Ärmel. (Schroeder 85, S. 152)
Wieder sprang die Hitler-Wien-Spezialistin Brigitte Hamann bei und enthüllte Hitlers »erste Geliebte« als Emilie Häusler, die zwei Jahre jüngere Schwester von Rudolf Häusler, Hitlers Zimmer- und Wohngenossen, mit dem er im Mai 1913 von Wien nach München floh und dort monatelang zusammenlebte.
Hitler hatte Rudolf Häusler – geboren im Dezember 1893 – erst mit 18/19 Jahren kennengelernt. Die zwei Jahre jüngere Häusler-Schwester Emilie war zur Zeit von Hitlers angeblich »erster Liebe« mit ihr 16/17, keine Kellnerin, sondern ein viel zu behütetes Bürgermädchen, als dass ihre Eltern sie für ein paar Monate mal schnell Hitlers »erste Geliebte« hätten werden lassen. (Hamann 96, S. 517 ff.) Außerdem bereitete Hitler sich im Frühjahr 1913 auf seine Flucht nach München vor und hatte andere Sachen in der Mache, als ein Verhältnis mit einer Wiener Jugendlichen zu beginnen, was 1913 unweigerlich in Heiratspflichten, zumindest in Querelen mit den »Geliebten«-Eltern gemündet hätte. Also alles wieder reine heterosexuelle Virtualität wie bei der Linzerin Stefanie Isak.
Emilie Häusler kommt in keinem der Hanisch-Statements über Hitlers Wien vor. Wenn von Hanisch Namen genannt werden, dann nur die von Hitler-nahen Männern in dieser Zeit, darunter sogar von mehreren engen jüdischen Freunden Hitlers, erwähnt in Hanischs Heiden-Interview für die New Republic, (Hanisch 39, S. 272, 297) weggelassen in Hanischs Hauptarchiv-geordertem Notat.
Hitler-Forscherin Brigitte Hamanns Fiktionalitäts-Outing mit Hitlers »erster Geliebter« passt zu Hitlers Hetero-Phobie in Reinhold Hanischs Berichten, denen kein sonst noch existierendes Zeugnis über Hitlers dreijährige Wiener Männerheim-Zeit irgendetwas Kontradiktisches im Sinne von pro-heterosexuell entgegengestellt hat. (Hamann 96, a. a. O.)
»Damenbesuch hat er nie empfangen«
9. Zeuge – die Gemeinschaft von Freunden in Hitlers Münchener Zeit 1913/14
Szenenwechsel: Hitlers Flucht mit seinem Wiener Männerheim-Freund Rudolf Häusler von Wien nach München am 24./25. Mai 1913.
Zwei Zeugnisse darüber liegen vor: die amtliche Abmeldung in Wien am 24. Mai 1913, (Bleibtreu, Bl. 86) und die amtliche Anmeldung in München am 26. Mai 1913. (Orr, Nr. 45 [1952], S. 38) Dortige Lebenszeit von eineinviertel Jahren in einem Zimmer als Untermieter in der Schleißheimer Straße 34, dritter Stock – bis zu Hitlers Sonder-Einstieg in das bayerische Heer am 16. August 1914 zur Mitwirkung am Ersten Weltkrieg als Soldat von deutscher Seite aus. In München amtlich »abgemeldet am 21. 8. 14 – wohin? – Feld«! (a. a. O.)
Zuerst Hitlers Teilen desselben Zimmers mit Häusler in der Schleiß-heimer Straße 34, danach erhalten gebliebene Wohngemeinschaft und später Freundschaft mit Häusler noch bis zu Häuslers Abreise nach Österreich wegen dessen Einberufung zu den Waffen nach Ausbruch des Ersten Weltkregs.
Kein Raum für »Hitler und die Frauen«. Er ist inzwischen 24/25 und befindet sich immer noch in der sexuell heißesten Zeit eines jungen Mannes, doch weiterhin ohne Spuren hin zu Frauen.
»Ein akademischer Mitarbeiter des ehemaligen Hauptarchivs der NSDAP publizierte 1952 unter dem Pseudonym Thomas Orr« (Maser 01, S. 552, Anm. 12) die erste biografische Dokumentation über Adolf Hitler – neben den ebenfalls 1952 erschienenen Biografien von Alan Bullock (Bullock 52) und der Gemeinschaftsarbeit von Walter Görlitz und Herbert A. Quint. (Görlitz/Quint)
Orr hatte die Wohn- und Lebensbedingungen des österreichischen Emigranten Adolf Hitler in München untersucht, einige von Hitlers ehemaligen Münchener Freunden interviewt und darüber Ausführliches berichtet. (Orr) Zuvor hatte Orr die gesamte Gegend um Hitlers Münchener frühes Domizil 1913/14 in der Schleißheimer Straße nach Bekannten Hitlers abgegrast.
Aus Orrs Zeugen-Befragungen treten fünf Personen einprägsam hervor – das Vermieter-Ehepaar Anna und Joseph Popp und drei Hitler-Freunde, der damalige Gerichtsassessor Ernst Hepp, der Bäckermeister Franz Heilmann und der Chemiker Dr. Josef Schnell. Die Beziehungen zwischen Hitler und den Genannten waren so nah, dass Hepp und Schnell dem Kunstmaler Bilder abkauften, die Orr in den Wohnungen der Interviewten noch anschauen konnte. Auch haben die Befragten Hitler einige Male zum Essen eingeladen. Der gut situierte Jurist Hepp schenkte Hitler dazu auch noch Opern-Karten. (Orr, Nr. 46 [1952], S. 38 f.) Über Schnells Besitz von Hitler-Bildern existiert ein Brief im Hauptarchiv der NSDAP (BAB, NS/26, 19–33, Folio 33, Bl. 1)
Aus dem Fünfer-Reigen der Münchener Hitler-Spiegelnden von 1913/14 kommt unisono das Gleiche heraus wie von den Hitler-Jugend-Begleitenden bis zu Reinhold Hanisch: Viel Rühriges am jungen Hitler, das ihn liebenswert macht. Doch wieder tritt keine heterosexuelle Stichhaltigkeit zu Tage. Das Thema Frauen wird abermals direkt angesprochen: »›Damenbesuch hat er nie empfangen‹, versichern alle, die ihn aus dieser Münchener Zeit her kennen.« (Orr) Die Orr-Übermittlung ist so deutlich, dass Hitlers Münchener Bekannten-Kollektiv aus den Jahren 1913/14 zusammen in Gemeinschaft als 9. Zeuge gegen jegliche Hetero-Plausibilität Adolf Hitlers verbucht werden muss. Somit erbringen die fünf Zeugen Orrs einen weiteren Beleg für Hitler als heterosexuelles Niemandsland.
Zu den Orr-Eindrücken passt, was 1933/34 Hitlers Münchener Vermieterin Anna Popp für die englische Publikation Germnay’s Hitler zu Protokoll gegeben hatte: Hitler = ein (heterosexueller) Eremit. (Popp, S. 51)
Dass dieser »mönchische Asket« (Kubizek) nicht heimlich hinter dem Rücken seiner Münchener Freunde in Bordelle oder auf den Münchener Straßen-Strich gegangen ist, braucht nicht extra noch vermutet oder gar geprüft zu werden. Hitler litt unter einer Phobie gegenüber dem weiblichen Körper, wie sein weltbekanntester Biograf Ian Kershaw das Ergebnis seiner Untersuchungen zu Hitlers Sexualität zusammenfasst. (Kershaw 98, S. 44 ff.) Hitler hinterließ mehrere Anti-Prostitutions-Voten – schon in seinen Monologen gegenüber seinem Jugendfreund Kubizek: Die »Flamme des Lebens« dürfe nicht im »Pfuhl der Laster« ausgeblasen werden. Zu mehr Berührung mit dem Rotlicht-Milieu, als einmal gemeinsam mit dem Freund durch die damalige Wiener Schaufenster-Huren-Straße, die Spittelberggasse, Szene-beobachtend zu schleichen, ist es bei Adolf Hitler nicht gekommen. (Kubizek 95, S. 234 f.) An dieser Reserviertheit