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zweite, was Heine mir brachte, war der „Sonettenkranz an A. W. v. Schlegel“.

      36. F. W. Gubitz11

      Herbst 1821

      Im Herbst 1821 ließ er mich bitten, ihn zu besuchen: er sei krank; als ich zu ihm kam, lag er auf dem Sofa und sah sehr angegriffen aus. Er machte mich zum Vertrauten seiner Zustände und Verhältnisse, soweit sie Einnahme und Ausgabe betrafen, wobei sich jene als nirgends zureichend, und infolgedessen eine Schuldenlast erwies. Da er auch – mir gegenüber zum erstenmal – den Millionär Salomon Heine in Hamburg seinen Oheim nannte, fragte ich: weshalb er sich in Geldverlegenheit nicht dorthin wende? Ich erfuhr nun, der Oheim habe schon mehrmals aus seiner Kasse Bedeutendes getan, wolle aber jetzt den Neffen sich selber und seinem Schicksal überlassen. – Ich wußte, daß der Berliner Bankier Leonhard Lipke mit Salomon Heine in lebhafter Geschäftsverbindung war, ging zu jenem, unterrichtete ihn davon, daß ein talentreicher Neffe des geldreichen Oheims in andringendster Bedürftigkeit sei, dieser also, was auch dazwischen läge, gewiß etwas tun würde für den Verwandten. Der von mir zur Vermittlung Angesprochene hegte darüber keinen Zweifel, half auch mit einem Vorschuß, versichernd: „Salomon Heine kommt mir unzweifelhaft dafür auf!“ Zugleich sagte er mir: sein Hamburger Geschäftsfreund habe nächstens in Berlin zu tun, er wolle mir anzeigen, wann er bei ihm anzutreffen wäre und ich mit förderlich werden könne; dies fügte sich aber erst im Frühling 1822. – Salomon Heine hörte meinen Bericht ruhig an, verhehlte jedoch nicht die Unzufriedenheit mit dem Neffen, und seine Gründe waren zureichend genug: schon oft waren gewichtige Unterstützungen nötig gewesen, ohne den erhofften Beweis zu gewinnen, er werde sich einer ernsten Richtung auf der Lebensbahn zuwenden. So erklärte sich der ehrenwerte Handelsherr in schlichter Art ohne Aufwallung und Wortgepränge, mit Bekräftigung durch Tatsachen, wonach der Erfahrungsvolle meinte: es bliebe wohl nur übrig, dem Sprichwort zu folgen: Wer nicht hören will muß fühlen. Ich entgegnete, was sich beihilflich entgegnen ließ: eine dichterische Natur sei oft zuwenig vertraut mit den Bedingungen der Wirklichkeit, bis diese sich doch ihr Recht verschaffe, und schloß mit der Ansicht: ein solcher Oheim dürfe einen solchen Neffen, bei dem der gewöhnliche Maßstab sich verlängern müsse, nicht verlassen. – „Hab’s auch nie gewollt; aber zu lernen hat er doch, daß man nützen soll das Geld, jeder nach seinem Beruf!“ so äußerte sich endlich der Angeregte, und zu Lipke gewendet fügte er hinzu: „Der Herr behauptet, es könne da verfallen ein großes Genie, ich will’s glauben. Zahlen Sie meinem Neffen jetzt zweihundert Taler gleich, dann jährlich fünfhundert Taler auf drei Jahre, und Weiteres mögen wir erleben.“ – Das war meine einzige Zusammenkunft mit Salomon Heine, und ich gedenke seines Behabens noch immer gern, da zumal unser Gespräch der Anlaß wurde zur dauernden Versöhnung des in seiner Weise gediegenen Oheims mit dem fast in jeder Weise flattrigen Neffen.

      Der kranke Heinrich hatte mir auch ein Heft gezeigt, Gedichte enthaltend, „die ich selber scharf gefeilt habe, Sie wissen ja!“ warf er etwas anzüglich betont hin; „ein Bändchen würden sie füllen, ich finde aber keinen Verleger“. Ich vermittelte ihm die Maurersche Buchhandlung, und Ende 1821 (mit der Jahreszahl 1822) wurden „Gedichte von H. Heine“ ausgegeben.

      [Nach Heines Brief an Moser vom 23. August 1823 hatte ihm der Onkel im Oktober 1822 durch Lipke auf zwei Jahre je 400 Taler versprochen; hinterher wollte er aber nur 500 Taler insgesamt zahlen, und eine „dauernde Versöhnung“ zwischen Onkel und Neffe ergab sich erst fünfzehn Jahre später.]

      37. F. W. Gubitz11

      Ende 1821

      Von der Aufnahme seines ersten Liederbändchens, obwohl günstig, war Heine nicht befriedigt: er verlangte rasch zündende Wirkung... Ich hörte von Heine allerlei Ausfälle, die gesteigerte Mißstimmung verrieten hinsichtlich schriftstellerischer Erfolge, wohl auch von Einfluß waren auf mehrere seiner späteren Erzeugnisse. „Zur Anerkennung des neuen Genies und Talents muß man das abgestumpfte deutsche Gemüt foltern“, äußerte er, und nachdem ich einst über eines seiner Lieder, das nach Siegwartschem Anfange mit des Weiberhasses stachlichter Keule dreinschlug, zweideutig lachen mußte, lachte er zwar ebenfalls, bemerkte jedoch: „Bei den Deutschen wird man leichter vergessen als berühmt, jetzt zumal; sie haben in der Gefühlswonne so geschwelgt, daß zu ihrer Aufregung derbe Mittel unerläßlich sind, ganz so, wie Kirmeslust ihnen erst vollständig ist, wenn man sich zum Kehraus noch mit Schemelbeinen traktierte.“

      [Hierhin Nr. 818, s. Nachträge.]

      38. Wilhelm v. Chezy26

      1821/22

      Zu Berlin bewegte sich Elise [v. Hohenhausen geb. v. Ochs] in einem Kreise, welcher die Bewunderung für die schöne Frau bereitwillig genug auf die Erzeugnisse ihrer Muse übertrug, was auch dann geschehen sein würde, wenn diese minderen Wert besessen hätten, als sie wirklich besaßen. Heinrich Heine kam ins Haus, als Dichter der Welt noch unbekannt, aber von einer Anzahl bedeutender Männer schon für eine große Zukunft vorgemerkt. Auch Helmina [v. Chezy, meine Mutter] stimmte diesem Urteil bei, nicht etwa um der Gedichte halber, die Heine bereits geschrieben, sondern weil seine braunen Augen so schwärmerisch in feuchtem Glanze schwammen.

      [Die Schriftstellerin Elise v. Hohenhausen aus Minden i. W. lebte 1820–24 in Berlin und hielt einen „Salon“, in dem Heine verkehrte; ihr Mann war Regierungsrat i. R. und figuriert in Heines Briefen als der „Ochs“, vgl. an Keller 15. Juni 1822.]

      39. Friederike von Hohenhausen51

      1821/22

      Er war klein und schmächtig von Gestalt, blond und blaß, ohne irgendeinen hervorstechenden Zug im Gesicht zu haben, doch von eigentümlichem Gepräge, so daß man gleich aufmerksam auf ihn wurde und ihn nicht leicht wieder vergaß. Sein Wesen war damals noch weich, der Stachel des Sarkasmus noch nicht ausgebildet, der später die Rose seiner Poesie umdornte. Er war selbst mehr empfindlich gegen Spott, als aufgelegt, ihn auszuüben. Die guten Empfindungen, die er später oft verlachte, fanden ein wohlklingendes Echo in seiner Seele.

      [Friederike war die Tochter der Elise von Hohenhausen und 1812 geboren; was sie über jene Zeit erzählt, sind wohl hauptsächlich Erinnerungen ihrer Mutter.]

      40. Friederike von Hohenhausen51

      1822/23

      Jeder Dienstag führte dort [im Hause der Dichterin Elise von Hohenhausen] die genügsamen Berliner bei einer Tasse Tee zusammen. Viele literarische Notabilitäten waren darunter:Varnhagen, mit den feinen, aristokratischen Mienen; Chamisso, dem das lange, graue Lockenhaar phantastisch um das magere, aber edle Gesicht wallte; Eduard Gans, dessen auffallend schöner Kopf mit dem frischen Kolorit, den stolz gewölbten Brauen über den dunklen Augen, an einen geistigen Antinous erinnerte; Bendavid, der liebenswürdige Philosoph und Schüler von Moses Mendelssohn, übersprudelnd von Witz und köstlich erzählten Anekdoten. Dann damals noch junger Nachwuchs, jetzt lauter Männer in grauen Haaren und hohen Würden: der Maler Wilhelm Hensel, jetzt Professor; Leopold von Ledebur, damals ein studierender Leutnant, jetzt ein bekannter Historiograph und Direktor der Kunstkammer im Berliner Museum; der Dichter Apollonius von Maltitz, jetzt russischer Gesandter in Weimar; Graf Georg Blankensee, der ritterliche Sänger und Epigone Byrons, jetzt Mitglied der Ersten Kammer, usw. Unter den Frauen nahm Rahel natürlich den ersten Platz ein; neben ihr blühte damals ihre wunderschöne Schwägerin, Friederike Robert, Heines angebetete Muse... Amalie v. Helwig, geb. v. Imhoff, die Übersetzerin der Frithjofsage; Helmina v. Chezy, die fahrende Meistersängerin jener Zeit, gehörten nebst noch vielen geistreichen Frauen aus der höheren Berliner Gesellschaft, z. B. Frau v. Bardeleben, die Freundin Raumers, Frau v. Waldow, jetzt die Schwiegermutter A. v. Sternbergs, zu diesem Kreise. Heine las dort sein eben erschienenes „Lyrisches Intermezzo“, seinen „Ratcliff“ und „Almansor“ vor. Er mußte sich manche Ausstellung, manchen Tadel gefallen lassen, namentlich erfuhr er häufig einige Persiflage über seine poetische Sentimentalität, die wenige Jahre später ihm so warme Sympathie in den Herzen der Jugend erweckt hat. Ein Gedicht mit dem Schlusse: „Und laut aufweinend stürz’ ich mich zu ihren

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