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Bücher verderben den Geschmack, ich werde dir ein anderes Buch schenken, damit magst du dich in deinen Freistunden beschäftigen. Es ist auch ein Theaterstück.“ Bei diesen Worten nahm er von seinem Tisch ein kleines, in schwarze Pappe eingebundenes Büchlein und sagte: „Dies schenke ich dir.“ Ich schlug des Büchleins Decke auf und las zum erstenmal den Titel: „Faust, von Goethe. Der Tragödie erster Teil.“

      Ich blickte in die ersten Blätter hinein, die den wunderschönen Prolog enthalten, dann, nach echter Knabenart, schlug ich die letzte Seite auf, wo die Worte: „Heinrich, her zu mir,“ – „Sie ist gerettet“, mir so rätselhaft klangen. Ich sah meinen Bruder ganz erstarrt an, als wie einer, der da sagen wollte: „Die Komödie begreife ich nicht.“ Er nahm darauf das Buch zur Hand, griff rasch zur Feder und schrieb folgendes auf die innere Seite des Deckels:

      „Dieses Buch sei dir empfohlen,

      Lese nur, wenn du auch irrst:

      Doch wenn du’s verstehen wirst,

      Wird dich auch der Teufel holen.“

      [Die Schlußworte des „Faust“ sind falsch zitiert; Max Heine tut’s nun mal nie anders.]

      31. Johann Baptist Rousseau174

      1820

      Mit besonderer Liebe studierte er Byrons Schriften, und nicht zu leugnen ist es, daß sich zwischen beiden eine geistige Wahlverwandtschaft findet. Das fühlte er damals auch selbst, und erkannte es, sich zu Freunden äußernd, oftmals an.

      [Heine übersetzte damals Stücke aus Byrons „Manfred“ und „Childe Harold“; sie erschienen in seinen „Gedichten“ 1822.]

      32. Johann Baptist Rousseau174

      Herbst 1820

      Den Herbst 1820 brachte Heine in Beuel zu, dem freundlichen, Bonn gegenüber liegenden Dörflein, und begann dort in tiefster Zurückgezogenheit seine Tragödie „Almansor“... Er las es mir Szene vor Szene, wie es ihm eben aus der Feder geflossen war, vor, und gab mir zugleich manche gute, ihm durch die Praxis klar gewordene Lehre über die mögliche Formausbildung des fünffüßigen Jambus.

      [Ende Oktober 1820 ging Heine nach Göttingen.]

      33. von Schreeb140

      Januar 1821

      [Mündliche Mitteilung an Heinrich Bender:] Heine wurde aus der Göttinger Burschenschaft wegen Vergehens gegen die Keuschheit, begangen in der „Knallhütte“ zu Bowenden, ausgestoßen, und, da er trotzdem, als ob nichts vorgefallen wäre, am folgenden Tage auf dem Burschenhause erschien, aus diesem mit Gewalt hinausgeworfen.

      [Am 21. Februar 1821 wurde Heine wegen Übertretung der Duellgesetze auf ein halbes Jahr relegiert. Er kehrte zunächst nach Hamburg zurück und blieb den Sommer über bei seinen Eltern, die damals in Oldesloe im südlichen Holstein lebten.]

      34. O. L. B. Wolff29

      März 1821

      Vor vierzehn Jahren hatte ich Heine in Hamburg kennenlernen. Beide kaum von der Universität kommend, waren wir eben in das Leben getreten, mit gigantischen Hoffnungen und Plänen und einem gemeinschaftlichen großartigen Schmerz über Freunde wie Feinde, den jeder Eingeweihte leicht erraten wird; die übrigen geht er nichts an. Heines Tragödien nebst einem lyrischen Intermezzo waren soeben erschienen; die Leute starrten im allgemeinen das Buch an, nur wenige ahnten die Tiefe, die in demselben lag, den gepreßten Stolz, der sich großartig Luft machte, das beseligende Gefühl geistiger Herrschaft. Man wußte nur von dem Dichter, daß er sehr witzig und malitiös sei; was sollte man auch in dem guten Hamburg und vorzüglich in dem Kreise, in welchem Heine sich, durch Verhältnisse gebunden, bewegen mußte, und in dem ich mich, durch ähnliche Verhältnisse gefesselt, gleichfalls* befand, mehr von ihm wissen? In seinem Wesen lag etwas Zugvogelartiges, das die guten Hamburger, obwohl eine Nation, welche Welthandel treibt, nicht eben sehr lieben; sie können nicht begreifen, daß man in Hamburg ißt, trinkt und schläft und eigentlich am Ganges zu Hause ist, und die Sehnsucht nach der wirklichen Heimat nie zu beschwichtigen vermag...

      Aber ich wollte von Heine reden. Ich kann nicht sagen, daß er damals noch im Werden gewesen sei, im Gegenteil, er war zu jener Zeit ebenso abgeschlossen wie jetzt [1835]: seine vorzüglichste Eigentümlichkeit besteht darin, von Anfang an genau gewußt zu haben, was er will, und dies mit eiserner Konsequenz zu verfolgen; denn, und das ist wahrlich viel gesagt, keiner seiner Freunde und Bekannten ist imstande, ihn auch nur der mindesten Inkonsequenz zu zeihen.

      [Hierhin Nr. 817, s. Nachträge.]

      35. F. W. Gubitz11

      April/Mai 1821

      An einem Tage des zweiten Vierteljahrs 1821 stand ein junger Mann vor mir, fragend: ob ich Gedichte von ihm aufnehmen wolle, und ich empfing schön geschriebene „Poetische Ausstellungen“.

      Da ich ehemals die mir oft und wahrscheinlich gebührend als Vernachlässigung angerechnete Gewohnheit hatte, Fremde, die ihren Namen im Gespräch nicht voranschickten, danach ungefragt zu lassen, sah ich nach der Unterschrift und las: „H. Heine“.

      Auf meinen Wink hatte er sich gesetzt, und da er das Wenden seiner Handschrift bemerkte, sagte er: „Ich bin Ihnen völlig unbekannt, will aber durch Sie bekannt werden.“ Ich lachte, erwiderte: „Wenn’s geht, recht gern!“ und las dann lautlos etliche Verse. Heine selbst brachte mir mehrmals diese erste wortkarge Zusammenkunft in Erinnerung, und wie ich endlich nur noch geäußert hätte: „Kommen Sie gefälligst nächsten Sonntag wieder!“ – Begreiflich konnte ich nur wenige Verse gelesen haben, es waren folgende, das Gedicht: „Der Kirchhof“ beginnend:

      „Ich kam von meiner Herrin Haus

      Und wandelt’ in Wahnsinn und Mitternachtsgraus.

      Und wie ich am Kirchhof vorübergehn will,

      Da winken die Gräber ernst und still.

      Da winkt’s von des Spielmanns Leichenstein;

      Das war der flimmernde Mondenschein.

      Da lispelt’s: Lieb’ Bruder, ich komme gleich!

      Da steigt’s aus dem Grabe nebelbleich.“

      In dem Dichter denke man sich eine von schlottriger Kleidung umhüllte, krankhaft schlanke Gestalt mit blassem, abgemagertem Antlitz, dem Spuren zu frühzeitiger Genüsse nicht mangelten, und man wird es natürlich finden, daß jene Verse und der Eindruck des Persönlichen dem mir Fremden etwas Unheimliches anwehten. Unverkennbar ward mir aber, nachdem ich weiterlas, sein Dichtervermögen, und als Heine wiederkam, erklärte ich mich bedingungsweise zur Aufnahme des Beitrags bereit. In seinen ersten handschriftlichen Gedichten hatte er eine solche Menge von Häkchen an den selbst- und mitlautenden Buchstaben der Worte, und gebrauchte falsche Reime so allbequem, daß ich meinte: er könne die mir gegebenen fünf Gedichte in dieser Beziehung wohl nochmals prüfen. Er entgegnete: das sei alles dem Volkston gemäß, was ich nicht bestritt, aber noch bemerkte: daß ich nur hinweise auf übertriebene Anwendung solcher Herkömmlichkeiten, wenn sie dem Geläufigen eher hinderlich statt fördernd wären. Außerdem verhehlte ich ihm nicht: er sei in dem Gedicht: „Die Brautnacht“ so zügellos mit der Sitte umgegangen, daß manche Zensurlücke unvermeidlich, ich aber den Abdruck verweigern würde, wenn er nicht ein paar Stellen reinigen wolle. Zu nochmaligem Prüfen war er bereit, ich bin überzeugt, nicht mit dem freiesten Entschluß, doch änderte er sehr gewandt. Die ersten fünf [sic!] Gedichte (I. Der Kirchhof. II. Die Minnesänger. III. Gespräche auf der Paderborner Heide. IV. Zwei Sonette an einen Freund) erschienen im Mai 1821. „Die Brautnacht“ folgte erst einen Monat später, weil ich das Veröffentlichen wiederholt verweigern mußte, ehe Heine meine Ansicht befriedigte. Dergleichen hat sich später nur noch ein paarmal zwischen uns ereignet, und ich erzählte dies voraus, weil es den, von Heine erfundenen... Ausdruck „Gubitzen“ erklärt. Mir blieb indes die Genugtuung, daß

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