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sie nicht, den jungen Heine in Schutz zu nehmen und auf sein hochstrebendes Talent aufmerksam zu machen.

      [Über die „Diskussionen“ mit Hegel vgl. das Gespräch mit Lassalle 1845, Nr. 526. Den „Mittelpunkt der Gesellschaft“ im Salon Varnhagen bildete Heine 1822 noch keineswegs; das ist nur eine stereotype Familientradition.]

      45. Rahel Varnhagen184

      1822

      [Rahel an Friedrich v. Gentz, 9. Okt. 1830:] Heine wurde uns vor mehreren Jahren zugeführt...; da er fein und absonderlich ist, verstand ich ihn oft, und er mich, wo ihn andere nicht vernahmen, das gewann ihn mir; und er nahm mich als Patronin. Ich lobte ihn wie alle, gern; und ließ ihm nichts durch, sah ich’s vor dem Druck: doch das geschah kaum; und ich tadelte dann scharf.

      46. Varnhagen von Ense103. 102

      1822

      Die Wirkung, welche sein berühmt gewordenes Wort „Förster sei jetzt Hofdemagoge“ damals machte, als er es zuerst aussprach – 1820 oder 1821 –, kann man sich jetzt kaum noch vorstellen.

      [Im Widerspruch damit heißt es in Varnhagens „Blättern aus der preußischen Geschichte“ unterm 20. April 1824:]

      Das Witzwort von Heine, der Dr. Förster sei Hofdemagoge geworden, hat solches Glück gemacht, daß man unter den Diplomaten, bei Graf Lottum und selbst bei Hofe viel Scherz und Ernst damit getrieben hat; aber so spät! erst jetzt.

      47. Hermann Schiff47

      Herbst 1822

      Als wir uns 1822 in Berlin trafen, erinnerte ich ihn an die Geseires Hengelpöttche im Vergleich zu der Hep-Hep-Geschichte [zwei Judenverfolgungen in Hamburg, die letztere im Frühjahr 1819 hatte Heine noch miterlebt]. „Auch dergleichen kann nicht wieder Vorkommen,“ meinte er, „denn die Presse ist eine Waffe, und es gibt zwei Juden, welche deutschen Stil haben. Der eine bin ich, der andere Börne.“ Heine hatte also damals schon eine Vorahnung oder vielmehr das Selbstgefühl seiner dereinstigen Bedeutung. Dennoch gab es 1835 wieder eine Judenverfolgung in Hamburg, „den Alsterhallen-Skandal“, welcher jedoch nur in dem halben Stil wie die Hep-Hep-Geschichte ausfiel und bedeutend gelinder war.

      48. Hermann Schiff47

      Herbst 1822

      Gleich am ersten Tage unserer erneuerten Bekanntschaft wurden wir befreundet und vertraut, und Heine lud mich ein, das steife „Sie“ zu lassen und uns „Du“ zu nennen, wie es Vettern zieme. – Schmolliert haben wir nicht, denn ich war krasser Fuchs und Heine durchaus nicht burschikos.

      Wenn Heine zu mir kam, pflegte er sich auf das Sofa zu legen und über Kopfschmerzen zu klagen. Es war einmal seine Art so.

      An einem Abend, den ich nie vergessen werde, sagte er: „Fuchs! Du schreibst! Meinst du, daß ich dir das nicht längst angesehen habe? Sei nicht verschämt, lies mir eins von deinen Jungfernkindern vor.“ Ich tat es. Heine hörte aufmerksam zu, verbesserte manchen Ausdruck, manche Wendung, sagte auch hier und da „Bravo, echter Naturmystizismus!“ Zuletzt rief er mit einer Lebhaftigkeit, zu der er sich nur selten hinreißen ließ: „Gut! sehr gut! das Beste, was in neuester Zeit geschrieben wurde, mit Ausnahme von dem, was ich geschrieben habe!“... Er fragte mich sogar: „Willst du das nicht drucken lassen?“ – Das war noch nicht alles. Er war an diesem Abende ungewöhnlich lebhaft und trug mir von seinen neuen, noch ungedruckten Gedichten einige vor, die ich in gläubiger Verehrung dahin nahm. Es war der erste Abend, wo ich mit einem Poeten, poetisch gestimmt, konversierte. Nachdem dachte ich anders darüber.

      49. Hermann Schiff194

      1822

      Heines Figur war keine imposante. Er war bleich und schwächlich, und sein Blick war matt. Wie ein Kurzsichtiger kniff er gern die Augenlider ein. Alsdann erzeugten sich vermöge der hochstehenden Wangenknochen jene kleinen Fältchen, welche eine polnisch-jüdische Abkunft verraten konnten. Im übrigen sah man ihm den Juden nicht an. Sein glattgestrichenes Haar war von bescheidener Farbe, und seine weißen, zierlichen Hände liebte er zu zeigen. Sein Wesen und Benehmen war ein still vornehmes, gleichsam ein persönliches Inkognito, in welchem er seine Geltung bei andern verhüllte. Selten war er lebhaft. In Damengesellschaften habe ich ihn nie einer Frau oder einem jungen Mädchen Artigkeiten sagen hören. Er sprach mit leiser Stimme, eintönig und langsam, wie um auf jede Silbe Wert zu legen. Wenn er hier und da ein witziges oder geistreiches Wort hinwarf, so bildete sich um seine Lippen ein viereckiges Lächeln, das sich nicht beschreiben läßt.

      50. Hermann Schiff194

      1822/23

      Dr. Philipp Schmidt in Hamburg... welcher damals in Berlin studierte und mit seinem Vetter Schaller aus Danzig zusammenwohnte, war von Hamburg aus mit Heine bekannt, der ihn oftmals besuchte. Schaller, der erst kürzlich die Universität bezogen, wurde von Heine nach Studentenweise nicht anders als „Fuchs“ tituliert. „Fuchs,“ fragte ihn Heine eines Tages, „ist dein Vetter nicht zu Hause?“ Das verdroß den langen Schaller, und er brummte ihm die herkömmliche studentische Beleidigung auf. Schmidt suchte bei seiner Nachhausekunft die Sache beizulegen, er machte seinem Vetter Vorwürfe, aber dieser wollte sich zu keiner Abbitte verstehen. „Ich heiße Schaller und nicht Fuchs,“ sagte er, „und Berlin ist nicht Göttingen. Übrigens möchte ich gern einmal auf der Mensur stehen, damit ich mich dort benehmen lerne, und Heine wird mir nicht allzu gefährlich sein.“ Demnach mußte das Duell vor sich gehen. Rautenberg, nachmals Badearzt in Cuxhaven, war Kartellträger; Schmidt fungierte als Schallers Sekundant. Als angetreten ward, zeigte sich sofort, daß beide Kombattanten ihre Schläger nicht zu handhaben wußten. Sie legten sich in Stichparade aus und wandten sich fast den Rücken zu, als sie aufeinander losgingen. Nicht die Duellanten, wohl aber deren Sekundanten schwebten in Gefahr, und der ungeschickte Zweikampf endete damit, daß Heine sich mit der rechten Lende an der Schlägerspitze seines Gegners aufrannte. „ Stich!“ rief er und sank zu Boden. Ein Stich beim Hiebfechten ist schimpflich, und wer eine solche kommentwidrige Verletzung vor dem Niederfallen mit einem Schrei rügt, hat sich ehrenvolle Genugtuung genommen. Glücklicherweise war die Wunde, trotz starker Blutung, von ungefährlicher Art, und ein achttägiges Auflegen kalter Umschläge genügte, sie zu heilen.

      51. Hermann Schiff194

      Winter 1822/23

      Es war in meinem zweiten Semester, als Heines Gedicht: „Mir träumt’: ich bin der liebe Gott“, im „Westteutschen Musenalmanach für das Jahr 1823“ erschien. Ein Berliner Blatt hatte dasselbe nachgedruckt, und es lag in der Jostyschen Konditorei auf, die besonders von Offizieren frequentiert wurde. Wir „Flotten“ ermangelten nicht, den auf die „Lieutenants und die Fähnderichs“ gemünzten Passus laut zu besprechen. Die anwesenden Offiziere nahmen indes, verständiger als wir, keine Notiz von unsern mutwilligen Bemerkungen. Heine glaubte jedoch, irgendeinen Akt der Rache von ihrer Seite befürchten zu müssen, und wünschte sein Logis zu verändern. Ich bewohnte damals Unter den Linden im Schlesingerschen Hause, unfern dem Palais des Prinzen Wilhelm, eine geräumige Dachstube, hinter der sich ein kleineres, für den Augenblick leerstehendes Zimmer befand. Heine bezog dasselbe, und es war ihm ganz recht, daß jeder, der zu ihm wollte, mein Zimmer passieren mußte, wo ich ihn vor unangenehmen Besuchern verleugnen konnte. Nur die Wanduhr bat er mich gleich zu hemmen; denn er litt an nervösen Kopfschmerzen, und der Pendelschlag war ihm störend. Einige Tage ging alles vortrefflich, und Heine war mit der neuen Wohnung durchaus zufrieden. Nun gab es aber für Studenten, welche einen Streit miteinander abzumachen hatten, nicht leicht ein gelegeneres Lokal, als das meine, welches durch drei ansehnliche Treppen von der Straße getrénnt war. Sollte ein Duell ausgefochten werden, so stellten wir einen Posten aus, der Unter den Linden auf und ab patrouillierte, damit kein Pedell uns in flagranti ertappe. Ehe solch ein unwillkommener Gast bis zu uns hinaufdringen konnte, waren wir längst avertiert, und hatten die scharfen Waffen und Binden bei unserm Mietswirt untergebracht, wo der Pedell –

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