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sich allerdings schlimm genug ausnehmen. Aber zuvörderst werden Sie sehr begreiflich finden, daß sich alle mephitischen Dünste, die in dem Kreise vorhanden waren, vorzugsweise im Verhältnisse zu einer Natur wie Grabbe und in einem Billettverkehr mit diesem entladen mußten... doch ist namentlich niemals – so oft ich die Zusammenkünfte geteilt habe – ein Frauenzimmer dabei zugegen gewesen. Wir versammelten uns abends bei dem einen oder andern um einige sich von aller Schwelgerei sehr fernhaltende Portionen Berliner Chambregarnitee, und Köchy oder ich lasen irgend etwas Neuerschienenes von Tieck, Immermann usw. oder auch das Werk eines älteren Dichters vor; auch wurde wohl Shakespeare mit verteilten Rollen gelesen. Im Sommer fanden gemeinschaftliche Spaziergänge und Versammlungen an irgendeinem öffentlichen Orte unter nicht weniger bescheidenen und harmlosen Genüssen statt... Von zu häufigen Schwelgereien hielt uns schon die... sehr beschränkte Kasse ab... Auch Heine, der damals fast beständig leidend war und gewöhnlich bei unsern Versammlungen über Kopfschmerzen klagend in einer Sofaecke saß, wird... als Teilnehmer an den dem Kreise vorgeworfenen Ausschweifungen ganz mit Unrecht genannt; was aber den armen Ludwig Robert betrifft... Die Wahrheit ist, daß es sich hier um einen ganz anderen Robert handelt, der weder den Vornamen Ludwig führte, noch jemals daran gedacht hat, als Schriftsteller aufzutreten.

      [Heines Brief an C. Borch, Berlin, den 19. (das weitere Datum fehlt, vgl. Hirth Nr. 28), bestätigt, daß der ganze Verkehr Heines mit dem Grabbeschen Freundeskreis sehr kühl war; in einem Brief an Sethe vom 21. Januar 1823 nennt er ihn „ein Strudel Schurken“, und von „Ausschweifungen“ spricht sogar Grabbe, wie die folgenden Mitteilungen zeigen, Heine frei. Er lebte in diesem Winter „krank, isoliert, angefeindet und unfähig, das Leben zu genießen“. In den „Briefen aus Berlin“ bedenkt er zwar Köchy und Uechtritz mit einigem Lob, in den Privatbriefen aber klingt’s bald ganz anders. Die ausgelassenen Symposien Heines mit Grabbe und den übrigen Genossen bestehen nur in der Phantasie einiger Heinebiographen. Heine trank wenig und rauchte nie.]

      55. Christian Dietrich Grabbe175

      Herbst 1822

      [Brief an Immermann, 8. Januar 1835:] Was der Tieck ... sich an den Shakespeare kettet, von dem er nichts hat als romantische Staffage, doch ohne Charaktere, in seinen früheren Novellen (die ich und Heine in Berlin noch immer für die besten hielten, und wenn in den späteren Stellen kamen, wo so etwas sentimental-romantischer Duft atmete, rief er: doch der alte Tieck), und in seinen späteren...

      56. Karl Köchy175

      Ende Dezember 1822

      [Mitteilung an Eduard Grisebach:] Gubitz hatte ... Heinen, als dieser ihn eines Tags besuchte, die Handschrift des „Gothland“ gezeigt und ihn aufgefordert, sich das „verrückte Geschreibsel“ anzusehen. Heine blätterte in dem dicken Manuskript und sagte dann: „Sie irren sich, lieber Gubitz, der Mensch ist nicht verrückt, sondern ein Genie.“

      [Heines eigene Erzählung in seinen „Memoiren“ ist offenbar richtiger. Vergleicht man seine Angaben mit denen von Gubitz und mit Heines Korrespondenz, so war der Sachverhalt jedenfalls der: Grabbe lernte Gubitz, den Herausgeber des „Gesellschafter“, durch Heine und Köchy kennen. Ihm zuerst brachte Grabbe das Manuskript seiner Tragödie „Herzog von Gothland“; Gubitz wußte damit nichts anzufangen und verwies ihn an Heine. Grabbe gab nun die Handschrift an Heine. Dieser las das Werk und sandte es am 30. Dezember an Varnhagen. Vermutlich fragte ihn Gubitz bei einer späteren Begegnung, was er von dem Drama halte; dabei mag der obige Ausspruch Heines gefallen sein. Bestätigt scheint er durch Grabbes Brief an Kettembeil vom 25. Juni 1827, worin es heißt: „der Gothland wühlt sich durch, sagte Heine“.]

      57. A. J. Becher176

      Anfang 1823

      [Mitteilung Bechers an Nikolaus Lenau:] Immermann, Heine und Grabbe waren in Berlin zusammen. Die letzteren beiden rieben sich häufig aneinander. Grabbe behielt aber an Witz und Derbheit immer die Oberhand. Eines Abends hatte Grabbe Heinen besonders glücklich niedergekämpft, so daß dieser keinen anderen Ausweg mehr fand als die Drohung, er werde sich mit der Feder rächen. Da packte der kräftige Grabbe das Männchen, drückte es an die Wand, hielt ihm sein blankes Messer vor die Augen und schrie: „Wenn du es wagst, je ein Wort des Schimpfes über mich drucken zu lassen, so komme ich dir nach, wo du auch seist, und fasse dich, wie ich dich jetzt habe, und schlachte dich ab wie ein Huhn!“

      [Dieser Drohung schrieb Lenau, der die Anekdote seinem Freunde Max Löwenthal am 31. März 1841 aus dem Munde des Londoner Musikprofessors Becher erzählte, es zu, daß Heine zwar über alle deutschen Schriftsteller, mit Ausnahme seines Freundes Immermann, schimpfe, aber Grabbe nirgends erwähne. Immermann kann der obigen Szene nicht beigewohnt haben, er war in Münster, und Heine lernte ihn erst April 1824 in Magdeburg kennen, erwartete ihn allerdings Ende 1822 in Berlin (vgl. seinen Brief an Immermann vom 24. Dezember 1822) und pries ihn allenthalben. Den Dichter des „Gothland“ hat Heine tatsächlich nur in den „Elementargeistern“ (1835/37) als „genialen Schriftsteller“ und, schon zurückhaltender, in „Shakespeares Mädchen und Frauen“ (1839) als „höchst begabten“ Autor zweimal flüchtig erwähnt; eine Charakteristik Grabbes plante er 1837 (Brief an Lewald vom 10. April), gab sie aber wieder auf. Sonst nennt er ihn nur in den „Memoiren“, auch in Briefen und Gesprächen stets mit großer Achtung (vgl. das Register), und später (Brief an Campe vom 31. März 1852) bereute er sehr, daß er nie über „die vier großen dramatischen Dichter“ Grabbe, Immermann, Kleist und Oehlenschläger ausführlicher gesprochen habe. – Auf einen Zusammenstoß mit Heine macht Grabbe in spätern Briefen mehrere Anspielungen; am 18. Februar 1835 an Immermann: „... Sie meinen es gut mit mir ... aber gegen einen solchen Juden [wie den Dr. Martin Runkel] könnt’ ich wieder der alte Adam mit der Erbsünde werden, wie einmal gegen Heine“, und im August 1835 an Schreiner: „Daß man von dem Heine schwätzt, dem Fetzen von Byron, und den ich über die Treppe schmiß. Der Kerl ist zu dünn, zu mager und zu häßlich. Daher seine Sentimentalität, mit der er kein Mädchen berühren darf, sondern nur Satiren drechselt.“ Dies Zeugnis der Enthaltsamkeit, daß er „nie Weiber genossen“ habe, stellt Grabbe auch an anderer Stelle Heinen aus. – Aus dem Kreise Lenaus mag dann Heinrich Laube, als er im Sommer 1833 in Wien war, das gehört haben, was er in seinen „Neuen Reisenovellen“ (1837. Band I, S. 356ff.) andeutet: daß Heine einmal in dem Café Stehely in Berlin „von der rohen Lebensart Grabbes mißhandelt“ worden sei.]

      58. J. L. Braunhardt180

      Februar 1823

      Im Frühling 1823 traf ich am Vormittage bei ihm Doktor Eduard Gans, dem er die frohe Mitteilung machte, daß seine Schwester Lottchen in Hamburg mit Herrn Embden verlobt sei. Dieses Familienereignis brachte mir ein Achtgroschenstück ein, das mir der glückliche Bruder in die Hand steckte, um mir dafür gütlich zu tun. Gleichzeitig händigte er mir sein Miniaturbildnis auf Steindruck zum Andenken ein... Sein intimster Freund schien Dr. Gans zu sein, denn mit ihm harmonierte er am meisten.

      [Charlotte Heine verlobte sich im Januar 1823 mit Moritz Embden.]

      59. Ludwig Gustorf9

      April 1823

      [Gustorf an Grabbe, Berlin, 27. April:] Lange lag Heine in seinen erfindungsreichen Betten, die Tage zählend, und wieder zählend, schmachtend gleichsam nach dem Augenblick, da seine Tragödien bei Dümmler zum Fenster herausgucken. Endlich gucken sie, und zwar wie wir vermuteten, nicht um Gottes willen, und da sah man nun am Tage dieser Offenbarung Heinrichs ungefällige Gestalt selbstgefällig unter den Linden, mit Armensünderwängelein, über welche indische Glut sich ergoß, sobald er vor dem Duodezbrockhaus vorbei pathetisierte...

      [In seinem Brief an Moser vom 27./30. September (Hirth Nr. 55) nennt Heine den Dr. Gustorf einen Schuft, und von Köchy hält er nicht viel mehr. Die „Tragödien nebst einem lyrischen Intermezzo“ erschienen April 1823 in Berlin bei Ferdinand Dümmler. „William Ratcliff“ war 1822 in Berlin entstanden.]

      60. Michael Beer85

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