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Bratenschüssel herumexperimentierte, geschah es, daß ein neben ihm sitzender Student, dem in Erwartung des verzögerten Fleischgenusses der Geduldsfaden riß, mit den Worten: „Ich will Ihnen zeigen, wie man Rindfleisch spießt!“ nicht eben sanft mit der Gabel in die frevelhafte Hand des Feinschmeckers fuhr. So gern Heine andere neckte, so ungern mochte er selbst die Zielscheibe eines maliziösen Witzes abgeben: er forderte seinen Beleidiger zum Duell und ließ seit jenem Tage sich nicht mehr im „Englischen Hofe“ blicken.

      [Heines Nichte Maria Embden-Heine, Fürstin della Rocca, erzählt dasselbe und fügt hinzu, das Duell habe am folgenden Morgen stattgefunden; „sein Gegner, leicht verwundet, mußte acht Tage lang das Zimmer hüten.“]

      82. Eduard Wedekind149

      1824

      [Strodtmanns Bericht nach Wedekinds Tagebuch:] Besonders ungehalten war Heine über einen seines arroganten Wesens halber übel berufenen Privatdozenten, Dr. L. [Lachmann], welcher in einem Saale der Universitätsbibliothek mit dem Ausleihen der Bücher betraut war. „Der Mann schikaniert mich durch seine Launen, sooft ich mir ein Buch holen will,“ sagte Heine, „aber das soll er mir büßen!“ setzte er lebhaft hinzu. „Nächstens gehe ich einmal mit einem ganzen Trupp Studenten auf die Bibliothek und lasse ihn klettern, immer nach den höchsten Bördern; und wenn er dann die Bücher nicht finden kann oder will, so werfe ich ihm seine ganze Ignoranz vor.“ – „Das soll auch wohl Gutmütigkeit sein?“ entgegnete Wedekind mit Anspielung darauf, daß Heine ihn tags zuvor gefragt hatte, ob er ihn in den Liedern des „Lyrischen Intermezzo“ nicht recht gutmütig gefunden habe, was der Gefragte entschieden verneinen mußte. Heine brach in ein mutwilliges Lachen aus.

      83. Eduard Wedekind149

      Sommer 1824

      [Tagebuch:] Neulich war ich mit Grüter bei Heine. Er zeigte uns ein sehr schönes Exemplar von Walter Scotts „Lady of the lake“, das er zum Geschenk bekommen hatte, und da Grüter ihn bat, ihm dasselbe zu leihen, und zugleich mich frug, ob wir das Gedicht miteinander lesen wollten, schlug Heine ein unbändiges Gelächter auf und sagte zu G., daß er ihm das Buch schenken wolle. Wir begriffen den Grund seiner Lustigkeit nicht. Heine aber fuhr fort zu lachen und ihm das Buch anzubieten und setzte endlich, immer lachend, hinzu: das sei gar keine Großmut von ihm, wir würden das Buch doch nur schmutzig machen, deshalb wollte er’s lieber verschenken. Grüter bedankte sich und nahm das Buch mit. Ich hätte das nicht getan.

      84. Eduard Wedekind149

      15. Juni 1824

      [Tagebuch:] Der überspannten Romantik ist Heine früher sehr zugetan gewesen, besonders wegen seines engen Verhältnisses zu Schlegel, als er in Bonn studierte. Jetzt ist er ihr abgeneigt und hält nun auch mehr auf Bouterwek [Professor der Ästhetik in Göttingen]. Nur dem Märchen legt er noch ziemlich viel Wert bei und sagt, was bei ihm damit zusammenhängt, daß man die eigentliche Fabel noch nicht erfunden habe; das Wesen der Tiere, was uns ein Tier eigentlich zu sagen scheine, habe noch niemand richtig erkannt. Am folgenden Tage kamen wir im Spazierengehen bei einfachen blutroten Rosen vorbei. In Beziehung auf seine gestrigen Bemerkungen über die Fabel fragte ich ihn, was ihm diese Klatschrose zu sagen scheine. „Aufgeputzte Armut“, sagte er nach kurzem Besinnen ungemein treffend. Bei einer halberschlossenen Rosenknospe, deren zarte Kelchblätter allerliebst aus der grünen Hülle hervorguckten, fragte er mich, ob die nicht fast naiv aussehe, was ich bejahen mußte. Nachher kamen wir bei ein paar Putern vorbei, die auf das Geländer einer kleinen Brücke geflogen waren und nach der Wasserseite blickten. „Die möchten nun gern wieder herunter,“ sagte Heine, höchlich belustigt, „sind aber zu dumm, sich umzudrehen.“

      85. Eduard Wedekind149

      Sommer 1824

      [Strodtmanns Bericht nach Wedekinds Tagebuch:] Mit der ersten Sammlung seiner Gedichte vom Jahre 1822 war er nicht mehr zufrieden; doch verteidigte er die „Traumbilder“ gegen Wedekinds Angriffe und sprach die Absicht aus, einen neuen Zyklus derselben zu dichten. Kleine Lieder gedenke er fürs erste nicht mehr zu schreiben. Als die Rede auf seine Originalität kam, sagte er: „Anfangs hat sie mir Schaden getan, die Leute wußten nicht, wohin sie mich rangieren sollten – jetzt nützt sie mir schon.“ – Ein Gespräch über das „Lyrische Intermezzo“ führte auf Heines Liebe und Liebesleid. „Das alles beruht bloß in der Idee, wie bei mir“, meinte Wedekind anfangs; aber fünf Wochen nachher schreibt er: „Was seine Liebe betrifft, so ist die keine bloß ideale, sondern Wahrheit“, und eine noch spätere Notiz lautet: „Du bist ein verfluchter Kerl!“ sagte mir Heine, als ich ihm, ohne mit seinen Liebesaffären im geringsten bekannt zu sein, auf Grund seiner Gedichte und des Ratcliff demonstrierte, er sei ohne Zweifel in eine Kusine verliebt gewesen, ein Verhältnis, das – namentlich beim Hamburger Familientone – einen hohen Grad von Annäherung zuläßt, ohne irgendeinen Anspruch auf Liebe zu gestatten.“ – „Wir sprachen heute viel von der Liebe in der Poesie“, heißt es ein andermal. „Heine gibt der sinnlichen vor der platonischen den Vorzug, ich nicht. Wir vereinigten uns aber bald, weil wir eigentlich derselben Meinung waren und nur die Ausdrücke verschiedenartig nahmen. Platonische Liebe hält er für Hypersentimentalität, und die sinnliche Liebe nahm ich für bloßen tierischen Trieb. Wir kamen leicht dahin überein, daß die irdische Liebe in veredelter Gestalt, so daß sie gleich weit von der tierischen wie von der himmlischen entfernt ist, für die Poesie die vorteilhafteste sei. Einer Dame, die, um ihn in Verlegenheit zu setzen, die Frage an Heine richtete: Sie lieben wohl platonisch?‘ gab er die drastische Antwort: ‚Jawohl, gnädige Frau – wie der Kosakenhauptmann Platow. – Da war sie aber balleriert‘, setzte er mit einer unbeschreiblichen Miene hinzu.“

      86. Eduard Wedekind149

      16. Juni 1824

      [Strodtmanns Bericht nach Wedekinds Tagebuch:] Ein Lieblingsthema, auf das er bei jeder Gelegenheit zurückkam, war die Metrik und die Theorie der Dichtkunst, mit welcher er sich schon in Bonn unter Schlegels Anleitung auf das ernsthafteste beschäftigt hatte. „Sonst“, sagte er einmal, „war es mein stehender Witz, wenn jemand etwas Gutes oder Schlechtes geschrieben hatte: Der hat die Metrik los oder nicht los. Fürwahr, die Metrik ist rasend schwer; es gibt vielleicht sechs oder sieben Männer in Deutschland, die ihr Wesen verstehen. Schlegel hat mich hineingeführt – der ist ein Koloß. Er ist durchaus nicht poetisch, aber durch seine Metrik hat er zuweilen etwas hervorgebracht, was an das Poetische reicht. Auch Voß ist sehr gut.“

      „Sie scheinen mir da“, bemerkte Wedekind, „einen weiteren Begriff mit der Metrik zu verbinden, als man gewöhnlich tut. Denn wenn man auch natürlich das Abzählen der Füße und Silben für bloße Nebensache oder für die ersten Elemente hält, so läßt sich doch selbst im übrigen, meiner Meinung nach, der Charakter der meisten poetischen Formen leicht ergründen. Man kann ihn zwar nicht immer in klaren Worten ausdrücken, aber das Gefühl, wenn es einigermaßen gebildet ist, wird einen bald richtig führen. Ich bin überhaupt der Ansicht, daß der Dichter nie die Form suchen muß; er darf sie nicht von dem Kern und Inhalt trennen, sondern ich glaube vielmehr, daß mit dem Gedanken eines Gedichts auch die ihm ganz eigentümliche Form, als eins mit ihm, zugleich entsteht.“

      „In der Regel“, sagte Heine, „ist das wohl so, aber nicht immer; manchmal kann man recht gut vorher über die Form nachdenken, weil sie kein bloßes Vehikel, sondern ihrerseits auch produktiv sein soll. Worin bei den Alten der eigentliche metrische Witz liegt, das habe ich bis jetzt nicht herausbringen können. Die antiken Versmaße sagen mir für die deutsche Sprache gar nicht zu, zum Beispiel die Hexameter. Selbst wenn sie ganz richtig und vortrefflich gebaut sind, so daß nichts daran auszusetzen ist, gefallen sie mir doch nicht; nur einige Ausnahmen gibt es, und das sind gerade nicht die besten, zum Beispiel Goethes römische Elegien. Schlegel sagte mir, Goethe habe ihm seine Manuskripte vorgelesen, und er (Schlegel) habe ihn auf manchen Verstoß in der Versifikation aufmerksam gemacht; aber Goethe habe dann in der Regel gesagt, er sehe wohl, daß das nicht ganz richtig sei, aber er möge es doch nicht ändern, weil es ihm so besser gefalle als das Richtigere. Worin liegt das

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