Скачать книгу

sagte er, „muß man nach Möglichkeit vermeiden, es ist kein Metall darin.“ Das höchste Lob, zu welchem er sich verstieg, war: „Dies ist recht gut; aber“, setzte er in der Regel hinzu, „Sie müssen konziser sein.“ – „Sie werden nie durchschlagen mit Ihren Gedichten“, lautete sein Endurteil; „aber es gibt eine gewisse Klasse von Lesern, die sehr groß ist – der werden Sie einen klaren, dauernden Genuß zu bereiten imstande sein. Der Verstand ist bei Ihnen vorherrschend; Sie würden gewiß eine vortreffliche Prosa schreiben. Haben Sie sich nicht in Erzählungen versucht?“ – „Nein, aber im Trauerspiel, und ich gebe die Hoffnung nicht auf, daß mir Charakterschilderungen mit der Zeit immer besser gelingen werden.“ – „Das glaube ich auch,“ sagte Heine, „Sie sind ein guter Beobachter. Ihr Trauerspiel werde ich mir ausbitten, wenn ich mich ganz gesund fühle, um es mit Muße lesen zu können.“

      Als er Heine das nächste Mal wieder traf, sagte ihm Wedekind: „Sie sind ein rechter Mephistopheles; meine Gedichte haben Sie mir ganz verleidet.“ – „Wieso?“ antwortete Heine; „dann haben Sie mich falsch verstanden.“ – „O nein,“ versicherte der enttäuschte Poet, „aber ich habe mich jetzt selbst verstanden.“

      97. Eduard Wedekind149

      1824

      [Strodtmanns Bericht nach Wedekinds Tagebuch:] Über das schwülstige Trauerspiel „Chriemhildens Rache“, das ein Student C. F. Eichhorn 1824 bei dem Buchhändler Rosenbusch zu Göttingen erscheinen ließ, sagte Heine: „Es ist ein Fehler an dem Stück: daß es geschrieben ist. Eichhorn ist nicht allein kein Poet, sondern durchaus antipoetisch.“ Dann fügte er, in seinen gewöhnlichen witzelnden Ton verfallend, hinzu: „Aber Eichhorn ist einer unserer größten Satiriker.“ Als Wedekind bemerkte, er habe dem Nibelungenliede und allen Heldengedichten niemals rechten Geschmack abgewinnen können, selbst der Ilias nicht, rief Heine aus: „Gott rechne Ihnen die Sünde nicht an!“

      98. Eduard Wedekind149

      Sommer 1824

      [Strodtmanns Bericht nach Wedekinds Tagebuch:] Die Gedichte, welche Heine im Sommer 1824 schrieb und seinem Freunde Wedekind vorlas, waren, nach dessen Tagebuchsnotizen, fast alle vortrefflich, aber ganz in seiner sarkastischen Manier: am Ende jedesmal Ironie, die das Vorhergehende wieder aufhebt und zerstört. Er liebt diese Manier mehr als billig und ist wirklich ausgezeichnet darin, aber es wäre mir doch lieber, wenn er eine andere Richtung einschlagen wollte. Neulich sagte er mir: „Ich werde nächstens meine Geliebte besingen, so idealistisch ich nur vermag, werde sie aber immerfort Sie nennen.“ Einige Tage darauf schrieb er das bekannte Gedicht mit dem höhnisch bitteren Schlusse: „Madame, ich liebe Sie!“ – „Von seiner Manier, alles zu parodieren,“ heißt es einen Monat später in Wedekinds Tagebuch, „möchte ich ihn gern abbringen und gebe mir alle erdenkliche Mühe deshalb; weil er aber ganz in die Parodie vernarrt ist, hüte ich mich wohl, ihn geradezu vor den Kopf zu stoßen. Ich lobe die Gedichte, worin er parodiert, lobe diejenigen aber noch mehr, worin er es nicht tut.“

      99. Adolf Peters181

      Sommer 1824

      [Peters an Spitta:] Heine spielt Karten mit seinen tieferen Gefühlen, es ist Münze, die er ausgibt, nichts scheint ihm heilig genug zu sein, um es nicht dem Witzeln und seiner verhaßten Ironie zu opfern; und sein immer wiederkehrendes, gewöhnlich höhnisches Selbstauslachen am Schluß verletzt mich. Ich schaudere, wenn dem Blitz, der das Herz entzündet, sogleich ein kalter, löschender Schlag folgt. Aber man muß ihm auch nicht zu nahe tun; er ist bei all seinem leichtfertigen, boshaften und übermütigen Witz in den letzten Gründen ein sehr tieffühlender, weicher Mensch, den man durch ernste Vorwürfe leicht bis zu Tränen rührt.

      [Adolf Peters studierte Philosophie, Mathematik und Naturwissenschaften; er wurde Lehrer und lebte später in Dresden. 1840 veröffentlichte er „Gesänge der Liebe“. – Philipp Spitta war Theolog; sein geistliches Liederbuch „Psalter und Harfe“ (1833) ist weit verbreitet. Beide studierten mit Heine in Göttingen.]

      100. Adolf Peters181

      Sommer 1824

      [Peters an Spitta, aus undatierten Briefen:] Ich las Heine Deinen „Pferdedieb“ vor, der ihm unbedingt gefiel und außerordentlich ansprach. Er hat sehr viel Achtung und Zuneigung für Dich... Herzliche Grüße von der Tafelrunde, vorzüglich von Heine... Heine hat mir mehrere Male gesagt, daß er Deinen Genius achte und schätze, er grüßt Dich aufs allerherzlichste und verbindlichste... Heine läßt Dich recht sehr und abermals sehr grüßen; er äußert sich sehr häufig mit äußerster Achtung über Dich und Deine Dichtung.

      101. Adolf Peters181

      Sommer 1824

      [Mitteilung von Ludwig Spitta nach Briefen von Peters an Phil. Spitta:] Als Peters Heine dies Lied des Freundes [„Es geht der Teufel wandern“] vorlas, fand dieser es schön, und da er erfuhr, wem es gölte, traten ihm die lichten Tränen in die Augen. „Mein Bild ist getroffen“, sagte er, ward sehr weich und wünschte eine Abschrift, die ihm gegeben ward.

      102. Adolf Peters181

      1824

      [Peters an Spitta, undatiert:] Ich legte ihm einst meine Ansicht über das Strebeziel des wahren Künstlers dar, er aber geriet in eine Art Wahnbegeisterung. Wir standen zufällig mitten im Zimmer. Da trat er vor mich hin und rief in einem fürchterlichen Tone: „Ruhm!“ – als ob er ihn von mir fordere. Ich stand wie erschrocken hintenüber gebogen, er mit aufgehobener Hand vor mir.

      103. Eduard Wedekind149

      Juli/August 1824

      [Strodtmanns Bericht nach Wedekinds Tagebuch:] Mit Wärme erzählte er häufig von seinem jüngeren Bruder Max, welcher noch in Lüneburg das Gymnasium besuche, und gleichfalls poetische Anlagen besitze. In den Hundstagferien kam derselbe zum Besuch nach Göttingen, doch machte er keinen erquicklichen Eindruck auf die Bekannten seines Bruders, der eine Art geistiger Vormundschaft über ihn zu führen schien.

      104. Max Heine70

      August 1824

      Am nächsten Tage meiner Ankunft in Göttingen sagte mein Bruder Heinrich zu mir: Heute sollst du meinen lieben Freund von Grüter kennenlernen. Er nahm mich unter den Arm, führte mich auf einen Platz, wo er vor einem Gebäude stehenblieb und nach einem der vergitterten kleinen Fenster in die Höhe sah. Aus vollen Leibeskräften schrie er: „Grüter! Grüter!“ Alsbald erschien an dem Gitter eines Fensters ein Antlitz und schrie herunter: „Heine, bist du’s? Guten Morgen!“ „ Ja, Grüter, ich habe die Ehre, nach aller Etikette meinen Bruder Max dir vorzustellen!“ so schrie Heinrich hinauf. Die Stimme von oben schrie nun mit Macht zurück: „Freue mich, kennenzulernen, bedaure aber, nicht empfangen zu können.“ – Heinrich sagte hierauf zu mir: „Im Hotel de Brühbach (so heißt bekanntlich der Karzer in Göttingen) wohnt man allzeit allein und sehr bescheiden.“ Dann schrie er wieder hinauf: „Hoffentlich, Grüter, kommst du bald los und machst meinem Bruder Platz.“ – – Auch dies prophetische Wort ging, wie manch anderes, ganz in Erfüllung.

      [Von den „vielen heiteren Stunden“, die er in diesem Sommer mit dem Freunde Grüter (v. Diepenbroick-Grüter) verlebte, spricht Heine im Brief an Christiani vom 4. Sept.]

      105. Max Heine70

      August 1824

      Der Student Heinrich Heine bewohnte in Göttingen bei einem Färber auf der Weender Straße zwei große, hübsche Zimmer, viel besucht von den Mitgliedern der „Westphalia“, derjenigen Landsmannschaft, der Heine angehörte.

      Ihm gerade vis-à-vis auf der Straße wohnte der Studiosus Adolf--- [Peters], der späterhin unter den lyrischen und frommen Dichtern einen berühmten Namen sich erworben hat. Damals

Скачать книгу