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Gespräche mit Heine. Heinrich Hubert Houben
Читать онлайн.Название Gespräche mit Heine
Год выпуска 0
isbn 9788711460887
Автор произведения Heinrich Hubert Houben
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
[Auch hier schreibt die Tochter hauptsächlich die Erinnerungen ihrer Mutter. Das Gedicht „Allnächtlich im Traume seh’ ich dich“ mit den oben erwähnten Schlußzeilen war schon am 9. Oktober 1822 im „Gesellschafter“ erschienen und wurde dann in das „Lyrische Intermezzo“ aufgenommen; Heine hat es also keineswegs unterdrückt.]
41. F. W. Gubitz11
April 1822
Der Friede zwischen Neffen und Oheim hatte sich durch dessen Güte angebahnt, und Heine beabsichtigte Reiseausflüge nach verschiedener Richtung, auch nach Hamburg, was sich etwas verzögerte durch eine Herausforderung. Er kam eines Tages zu mir, mich um Rat ersuchend, nachdem er berichtete: Baron v. Schilling habe sich beleidigt gefunden über eine öffentliche Äußerung, und nun sollten die Waffen zur Ausgleichung dienen... Meinerseits verweigerte ich die Einmischung, nannte aber einen, der zu solchem Zwischengeschäft tauge; nun entstand ein Übereinkommen, und Heine bat dringend um raschen Abdruck folgender Erklärung:
„Mit Bedauern habe ich erfahren, daß zwei Aufsätze von mir, überschrieben ‚Briefe aus Berlin‘ (Nr. 6, 7, 16 des zum ‚Rheinisch-Westphälischen Anzeiger‘ gehörigen ‚Kunst und Wissenschaftsblattes‘) auf eine Art ausgelegt werden, die dem Herrn von Schilling verletzend sein muß. Da es nie meine Absicht war, ihn zu kränken, so erkläre ich hiermit, daß es mir herzlich leid ist, wenn ich zufälligerweise dazu Anlaß gegeben hätte, daß ich alles dahin Gehörige zurücknehme, und daß es bloß der Zufall war, wodurch jetzt einige Worte auf den Herrn Baron von Schilling bezogen werden konnten, die ihn nie hätten treffen können, wenn eine Stelle in jenen Briefen gedruckt worden wäre, die aus Delikatesse unterdrückt werden mußte. Dieses kann der geehrte Redakteur jener Zeitschrift bezeugen, und ich fühle mich verpflichtet, durch dieses freimütige Bekenntnis der Wahrheit allen Stoff zu Mißverständnis und öffentlichem Federkriege fortzuräumen.
Berlin, den 3. Mai 1822.
H. Heine.“
Zugleich brachte er mir das angefügt zu lesende, ihm geweihte Sonett, wünschend, daß es mit jener Beschwichtigung in demselben Blatte erscheinen möge:
„Das Traumbild.
An H. Heine.
Von Morpheus Armen war ich sanft umfangen,
Als Phantasie, in eines Traumes Hülle,
Ein Bild mir wies in seltner Schönheitsfülle:
Bezaubert blieb die Seele daran hangen.
Und als ich mit inbrünstigem Verlangen
Es ganz genießen wollt’ in süßer Stille,
Da weckte mich des Schicksals eh’rner Wille,
Und ach! der Zauber war im Nu vergangen.
Vergebens sucht’ ich nun im bunten Leben,
Was Phantasie genommen, wie gegeben,
Da, junger Sänger, fand ich deine Lieder.
Und jenes Traumbild, das so froh mich machte,
Erkannt’ ich bald in deinen Skizzen wieder,
Viel schöner noch, als ich mir selbst es dachte.
H. Anselmi.“
Nur nach Widerstreben wurde ich von seinen ängstlich dringenden Bitten überwältigt, ordnete beides ein in das, den verschiedenen Ansichten zum Tummelplatz angewiesene Beiblatt („1822. Bemerker“, Nr. 9) und erwähnt ist dies Wenden und Beabsichtigen, um das Wesen Heines durch ihn selber deutlicher erkennbar werden zu lassen.
[H. Anselmi ist Pseudonym für Joseph Lehmann, den späteren Herausgeber des „Magazin für die Literatur des Auslandes“. Den Zwist mit v. Schilling erwähnt Heines Brief an Keller vom 15. Juni 1822.]
42. Joseph Lehmann104. 193
1822
Mir hat Heine, wie ich ihm, die Erinnerungen seiner Berliner Studienzeit, die so manches freundliche Band zwischen uns geknüpft, stets treu bewahrt. War ich es doch, dem er in seiner Kammer in der Mauerstraße seine ersten schönen Lieder mit der ihm eigentümlichen, die Form des Gedichtes gewissermaßen typisch bestimmenden Modulation vortrug; war ich es doch, der diese klassisch gewordenen Lieder, als sie zum erstenmal gedruckt wurden, typographisch korrigierte und auf dessen Bemerkung der Dichter sogar hier und da kleine Änderungen vornahm, und war ich es doch auch, der früher als irgendein Publikum, als irgendein Kritiker, die Schönheiten dieser Lieder erkannt und andern gerühmt hatte.
[Dazu ergänzt Karpeles: Heine... erkannte zwar willig die Vorzüge des Freundes an; er folgte auch seinen kritischen Ratschlägen, wenn sie ihm einleuchtend schienen, vermochte aber doch nie ein Gedicht ganz zu vernichten, wenn dasselbe Lehmann entschieden mißfallen hatte. „Ach, das verstehen Sie nicht, lieber Freund!“ war dann meist seine ärgerliche Antwort, worauf Lehmann ständig bemerkte: „So, wenn Sie meinen!“ und zur Türe hinausschoß.]
43. F. Brunold (Pseud. für Aug. Ferd: Meyer)20
1822
Der weltberühmte Salon der Rahel, der Gattin Varnhagen von Enses in der Maurerstraße... war ein Sammelplatz der vornehmsten Welt des geistreichen Berlin, das Stelldichein der hervorragendsten Männer von fern und nah. – Und während dort Börne zu den Füßen der Frau des Hauses [Herz] saß, drängte hier Heinrich Heine sich schüchtern durch die Zimmer der Rahel... Der damals unbekannte Verfasser der nun im Grunde eigentlich vergessenen und als verfehlt anerkannten Trauerspiele „Almansor“ und „Ratcliff“ soll sich meist schüchtern, schweigsam verhalten haben; und der geistreiche Professor Eduard Gans soll ihn oftmals zur Zielscheibe seines Witzes erkoren haben. Gans hat in Heine, der damals ziemlich linkisch und unbeholfen gewesen sein soll, wenig den nachmaligen Verfasser der „Reisebilder“, den Dichter der „Wallfahrt nach Kevelaer“ geahnt; mit Rahel... ist es nie anders gewesen. Es läßt sich nicht leugnen, daß Heine hier den Grund zu seinem nachmaligen Verhalten im Keim gefunden hat. Ob er daheim in seiner bescheidenen Wohnung, die er dazumal Kanonier- und Behrenstraßenecke Nr. 13 innehatte, redseliger gewesen, als in der Nähe der geistreichen Rahel, ist nicht bekannt. Fama will behaupten, daß er auch hier oft von dem kleinen [G.] A. v. Maltitz überschrien worden sei, der, um besser verstanden zu werden, es nicht verschmäht habe, auf den Tisch zu steigen, von dort ab seine „Pfefferkörner“ auf den sich zusammenziehenden Heine herabsprudelnd, während Grabbe, sich kannibalisch freuend, einen Käse verzehrte, den er leidenschaftlich gern als Zeichen höchster, innerer Freude zu essen pflegte.
[Heine lernte den Juristen Dr. Eduard Gans im Juli 1822 kennen, vgl. seinen Brief an Keller vom 1. Sept. d. J. – Brunold-Meyer, geb. 1811, erzählt nur vom Hörensagen, und Erinnerungen aus den Jahren 1822, 1829 und 1830 laufen ihm bunt durcheinander. Die Gereiztheit zwischen Heine und Gans tritt 1829 hervor; was vom „Pfefferkörner-Maltitz“ gesagt ist, gehört nach Hamburg 1830 und ist offenbar angelesen, vgl. Nr. 2057; Brunold verwechselt ihn mit Apollonius v. Maltitz, der damals als Legationssekretär in Berlin war.]
44. Maria Embden-Heine74
1822
In Berlin fand er freundliche Aufnahme bei Varnhagen von Ense und seiner Frau Rahel, die sich beide in den jungen Dichter verliebten. Seine satirische Art zu plaudern, seine ironischen Bemerkungen machten ihn zum Mittelpunkte der Gesellschaft, die Varnhagens Haus besuchte, denn hier war der Sammelplatz aller berühmten und geistreichen Leute jener Zeit, Künstler und Schriftsteller fanden sich hier ein, Humboldt, Schleiermacher, Chamisso und Hegel waren hier tägliche Gäste. Mit Hegel hatte er oft