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solch unpassenden Scherz ausüben konnte, ohne daß Sie es bemerkten, denn Sie sind doch gewiß die Aufmerksamkeit selbst während der Lehrstunde.“

      Heinrich stand ängstlich horchend in einer Ecke, denn er fürchtete die wohlverdiente Strafe seiner Tat, doch als er den Vater so sprechen hörte, näherte er sich und sagte vorlaut: „Papa, er schläft während der ganzen Stunde und träumt laut von seinen Schulden.“

      [Heine besuchte seit 1. August 1804 die Normalschule im Franziskanerkloster zu Düsseldorf, Herbst 1811 bis Ostern 1814 das dortige Lyzeum oder Gymnasium; ein Musterschüler war er aber keineswegs.]

      7. Betty Heine74

      1807?

      [Mitteilung ihrer Enkelin Maria:] Nun sollte Heine Musik studieren, und er wählte die Violine. Ein berühmter Lehrer wurde engagiert, und die Stunden nahmen ihren Anfang. Nach drei Monaten ging meine Großmutter an der Stube vorbei, wo Heinrich mit seinem Lehrer studierte, und angenehm überrascht blieb sie an der Tür stehen, den lieblichen Tönen lauschend, die ihr entgegenhallten.

      Mein Sohn ist ein Wunderkind, dachte die Mutter und wollte dem Lehrer ihre Zufriedenheit beweisen. Sie trat ins Zimmer – das Wort erstarb ihr auf den Lippen, wie angewurzelt blieb sie auf der Schwelle stehen! Heinrich lag lang ausgestreckt auf dem Sofa, der Lehrer ging in der Stube auf und nieder und geigte seine schönsten Kompositionen.

      Heinrich war so in Gedanken vertieft, daß er das Kommen seiner Mutter überhört hatte, und bemerkte ihre Gegenwart erst dann, als sie ihn unsanft aus seinen Träumen aufrüttelte. „Schade, daß du mich störst, die Töne der Musik kamen meiner Idee zu Hilfe, und ich war eben im Begriff, ein schönes Lied zu dichten.“

      8. Charlotte Embden-Heine74

      1809?

      [Mitteilung ihrer Tochter Maria:] Im zwölften Jahre schrieb er sein erstes Gedicht. Während des Tages war seine Zeit so in Anspruch genommen, daß er nicht genug studieren konnte, also nahm er die Nacht zu Hilfe. Seine Stube war sehr kalt und nicht genug erwärmt, wodurch er sich eine schwere Krankheit zuzog. Später wußte er sich eine wollene Mütze zu verschaffen und einen großen Pelz, um sich gegen die Kälte zu schützen.

      Eine alte Köchin versah ihn mit Wachskerzen, und als sie sie ihm verweigerte, legte er sich aufs Bitten und Schmeicheln. Als auch dies nicht half, wurde er böse, geriet in Zorn und sagte ihr derbe Grobheiten. Sie beklagte sich bei seinem Vater und nannte ihn einen bösen Buben, der alles sage, was ihm in den Kopf käme.

      9. Charlotte Embden-Heine74

      1810?

      [Mitteilung ihrer Tochter Maria:] Meine Mutter wurde in einem Kloster erzogen, d. h. sie ging dort in die Schule, die zwar von Nonnen geleitet wurde, welche jedoch aufgeklärt genug waren, den besten Professoren der Stadt den Unterricht für Geschichte, Geographie und Literatur anzuvertrauen.

      Professor B. erzählte seinen Schülerinnen eine Geschichte, die sie zu Hause niederschreiben mußten. Nach den Schulstunden setzte meine Mutter sich an die Arbeit, doch soviel sie auch nachdenken mochte, sie konnte sich des Inhalts der Erzählung nicht mehr entsinnen. Mit den Armen auf dem Tische, untätig ins Weite starrend, rollten große Tränentropfen über ihre Wangen, und so fand Heinrich sein Schwesterchen.

      „Was gibt’s?“ fragte er.

      „Die Geschichte, die ich niederschreiben soll, ist mir entfallen – was soll aus mir werden, wie kann ich morgen vor dem Professor erscheinen – –“ und heftiges Schluchzen verhinderte sie weiterzusprechen.

      „Beruhige dich, liebes Lottchen,“ begütigte sie der Bruder, „suche nur dich zu erinnern, von welchem Gegenstande der Lehrer sprach, gib mir eine Andeutung, den geringsten Anhalt, und ich schreibe dir eine prächtige Geschichte.“

      Nach einer Stunde brachte er seiner Schwester das Heft; glücklich und vergnügt, von dieser unangenehmen Arbeit befreit zu sein, legte sie es in ihre Schulmappe, ohne auch nur einen Blick hineinzuwerfen.

      Den folgenden Tag legte sie ihr Heft zu den andern, und nachdem der Lehrer sie alle beisammen hatte, nahm er sie mit nach Hause, korrigierte sie und gab, je nachdem man es verdiente, gute oder schlechte Punkte. Meine Mutter trug das Köpfchen hoch und erwartete gelobt zu werden; doch zu ihrem größten Erstaunen behielt der Lehrer ihr Heft zurück. War die Geschichte zu lang – hatte er sie nicht gelesen?

      Nach Beendigung der Lehrstunde ließ der Professor sie rufen. „Wer hat dies geschrieben?“ auf das Heft zeigend.

      Ohne Zögern antwortete sie: „Ich!“

      „Ich werde weder schelten noch dir Vorwürfe machen,“ sagte er, sie ermutigend, „nur sage mir: Wer hat dies geschrieben?“

      Beschämt, eine Unwahrheit gesagt zu haben, nannte sie den wahren Verfasser.

      „Dies ist ein Meisterwerk“, rief er aus.

      Zwei andere Professoren hatten diesem kleinen Verhör beigewohnt und Professor B. las ihnen den Aufsatz vor. Es war eine grausige Gespenstergeschichte und mit so lebhaften Farben geschildert, daß das kleine Mädchen laut aufschrie...

      Professor B. besuchte meine Großmutter und beglückwünschte sie, einen so geistreichen Sohn zu haben, der mit solcher Leichtigkeit ein solches Meisterwerk zustande bringen konnte. Der Knabe wurde gerufen, blieb jedoch kalt bei allen Lobeserhebungen, denn er glaubte nicht etwas Besonderes geschaffen zu haben. Der Lehrer wollte durchaus das Manuskript behalten, allein er bekam nur eine Abschrift.

      [Gefunden hat sich dieses jugendliche „Meisterwerk“ bisher nicht.]

      10. Max Heine70

      1810?

      Unsere Mutter, die überhaupt für eine ziemlich strenge Erziehung war, hatte von unserer ersten Jugend an uns daran gewöhnt, wenn wir irgendwo zu Gast waren, nicht alles, was auf unseren Tellern lag, aufzuessen. Das was übrigbleiben mußte, wurde der „Respekt“ genannt. Auch erlaubte sie nie, wenn wir zum Kaffee eingeladen waren, in den Zucker so einzugreifen, daß nicht wenigstens ein ansehnliches Stück Zurückbleiben mußte.

      Einstmals hatten wir, meine Mutter und ihre sämtlichen Kinder, an einem schönen Sommertage außerhalb der Stadt Kaffee getrunken. Als wir den Garten verließen, sah ich, daß ein großes Stück Zucker in der Dose zurückgeblieben war. Ich war ein Knabe von sieben Jahren, glaubte mich unbemerkt und nahm hastig das Stück Zucker aus der Dose. Mein Bruder Heinrich hatte das bemerkt, lief erschrocken zur Mutter und sagte ganz eiligst: „Mama, denke dir, Max hatte den Respekt aufgegessen!“

      11. Betty Heine74

      1810?

      [Mitteilung ihrer Enkelin Maria:] Es war Jahrmarkt; die Dienstboten erhielten die Erlaubnis, ein Tanzlokal zu besuchen, die Mutter und die Kinder mit einer alten tauben Magd blieben zu Hause. Die Kinder saßen bei der Mutter und hörten ihren Erzählungen zu, als plötzlich ein heller Lichtstrahl ins Zimmer drang und die Flammen aus dem Nachbarhause prasselnd emporschlugen.

      Das Haus gehörte einem Bierbrauer, dessen ganze Malzvorräte sich entzündet hatten. Schleunige Hilfe tat not, und man eilte zum Nachbar, der noch nichts bemerkt hatte. Das Feuer wurde gelöscht, ohne viel Unheil angerichtet zu haben. Dankbar geleitete der Brauer meine Großmutter, von den Kindern gefolgt, bis an die Tür ihrer Wohnung.

      Doch welche unangenehme Überraschung, die Haustür war ins Schloß gefallen, unmöglich, sie von außen zu öffnen. Man schellte und schellte, aber vergebens. Die alte Magd nähte in einer Hinterstube, ihre Taubheit verhinderte sie, uns zu hören.

      „Mutter,“ sagte Heinrich, „sieh, die Tür des Wagenschauers ist unverschlossen; von hier aus können wir ins Haus gelangen.“

      Eine große Reisekutsche stand hier, mit grauem Leinen behangen. Im Vorbeigehen bemerkte Heinrich, daß ein Mann unter den Wagen huschte. Weder mit einer

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