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er zu sagen. „Börne hat einen schlechten Magen und das Podagra, und dabei hat er nicht viel zu verlieren. Bei mir ist das ein anderes.“

      [Im 3. Teil seines Börnebuches sagt Heine, er habe Börne einmal in solch einer Volksversammlung in der Passage du Saumon reden hören. Vgl. auch Nr. 275 vom 22. Dezember 1833.]

      251. Ludwig Börne28

      4. Februar 1832

      Heine wurde neulich von jemand gefragt: worin er sich in seinen politischen Ansichten von mir unterscheide? Er antwortete: ich bin eine gewöhnliche Guillotine, und Börne ist eine Dampfguillotine.

      252. August Lewald1

      Februar/März 1832

      Er floh jede Berührung mit der Gemeinheit... so war ich Zeuge, daß er die Anträge von Buchhändlern zurückwies, deren Gesinnung ihm nicht anständig war. Zu der Zeit, als er die französischen Zustände schrieb, wurde ihm von einem Pariser Buchhändler eine bedeutende Summe dafür geboten. Man machte ihm in meiner Gegenwart Vorwürfe darüber, daß er das Geld nicht abholen lasse, welches für ihn bereitliege; er schlug aber standhaft alle Anträge dieser Art aus. „Man muß sich vor solchen Berührungen hüten,“ sagte er zu mir, „das bringt keine Ehre.“

      253. Ludwig Börne71

      4. März 1832

      [Börne an Jeannette Wohl, 5. März 1832: J – – – [Jansen*] sind hier angekommen und haben mir alles Mitgegebene eingehändigt. Wir haben noch jeden Tag miteinander gegessen im Palais Royal, wo auch Heine und andere hinkommen. Gestern beim Essen haben sie es mit angehört, wie ich dem Heine, was ich oft tue, die Wahrheit gesagt, und das etwas barsch. Gewöhnlich ist seine elende Feigheit der Text, über den ich lese. Aber unter dieser Feigheit versteckt sich noch etwas Schlimmeres, eine niederträchtige Gesinnung... Das jetzige Treiben der Deutschen, die Assoziation, das kömmt ihm alles lächerlich vor, und doch hat er sich unterschrieben! Und das bloß aus Feigheit, wie er selbst eingesteht. Er hat Furcht, von den deutschen Patrioten Prügel zu bekommen...

      [Die „Assoziation“ ist der im Februar 1832 in Paris gegründete „Deutsche Volksverein“, der die Ziele des „Preßvereins“ in Rheinbayern verfolgte: Freiheit der Presse. Außerdem unterstützte er deutsche und polnische Flüchtlinge und alle Bestrebungen, die eine Revolutionierung Deutschlands bezweckten. Über seine unbequeme Stellung unter den „Patrioten“ klagte Heine schon am 1. März 1832 an Cotta; in demselben Brief spricht er auch von der „Assoziation“, die seinen Namen mehr als ihm lieb sei als „Lockvogel“ benutze.]

      254. Anonym172

      März 1832

      ... Man erzählt, Heine selbst habe in Paris kürzlich gesagt, wenn man seinen und Börnes Namen zusammenpacken wolle, möchte man doch ja recht viel Baumwolle dazwischen legen.

      255. August Lewald1

      März 1832

      Seine Liebe für Ruhe und Stille in seiner Umgebung hat mich... oft seinetwegen in Sorgen gesetzt. In Paris wählt er lange, bis er eine Wohnung findet, die ihn in der bezeichneten Hinsicht zufriedenstellt. Die einsamsten, entlegensten Straßen sind ihm die liebsten; und nun wählt er wieder einen einsamen, stillen Hof, oft den zweiten, dritten, wenn es sein kann, weit weg vom Geräusche und Treiben des Lebens; kein Stall, kein Waschhaus, kein Handwerker darf in der Nähe sein. Dann erst fühlt er sich wohl. Nun weiß man aber, daß solche Quartiere eben nicht in Paris zu den sichersten gehören, bei der Unzahl von Verbrechen, die man dort täglich verübt.

      Kurz vorher, ehe ich Paris verließ, bezog Heine eine neue Wohnung in der Rue de l’Echiquier, au second, die er von einer alten Dame gemietet hatte; sie lag im zweiten Hof eines geräumigen Hotels, in welchem Gras wuchs, und eine Totenstille lagerte. Hier installierte sich Heine und machte sich’s im eigentlichen Sinne des Worts bequem; ein häßlicher Mohr brachte ihm das Teewasser und machte sein petit ménage, wie es die Pariser nennen. Er überließ sich vertrauensvoll diesem Bedienten, dessen Vorsätze leicht noch schwärzer sein konnten als sein Gesicht. Hier schrieb er die „französischen Zustände“ für die Allgemeine Zeitung [Januar bis Juli 1832]; hier glaubte er sich von Spionen aller Nationen umgeben, denn auch wegen seiner kühnen Äußerungen über Louis Philipp hielt er sich nicht für sicher. Es war merkwürdig ihn zu beobachten, mit welcher Verachtung der Gefahr er seine Meinung lancierte*.

      256. August Lewald1

      10.–12. April 1832

      Heine ist einer echten Aufopferung für seine Freunde fähig. Während der letzten Tage meines Aufenthaltes in Paris, als die Cholera an allen Enden wütete, ging er – der mehr als andre reizbar und empfänglich war – in die engsten, schmutzigsten Straßen, um ein Geschäft für mich in Ordnung zu bringen, woran mir viel gelegen war. Selbst leidend, kam er mehrmals des Tages zu mir und warf sich ermattet auf einen Sessel, um mir Nachricht zu bringen. Mit gleicher Aufopferung pflegte er einen kranken Vetter zu jener Zeit, und blieb deshalb in Paris zurück, während alle seine Freunde daraus flohen und ihn aufforderten, ihnen zu folgen. Er sagte mir, daß er es als eine heilige Pflicht betrachte, seinem Oheim [Salomon] diesen Sohn [Karl] zu erhalten, da er schon mehrere Kinder zu beweinen habe, die ihm in der Fremde gestorben waren. Und er hielt getreulich bei dem Kranken aus. –

      [Heine selbst schrieb an Varnhagen am 22. Mai 1832: „Es war nicht eigentlicher Mut, daß ich nicht ebenfalls von Paris entfloh... ehrlich gesagt, ich war zu faul.“ Daß er seines kranken Vetters wegen in der Stadt blieb, schreibt er an Cotta am 11. April.]

      257. Karl Gutzkow89

      1832/33

      Heine, jünger, weniger Meister seiner Leidenschaften, viel auf äußern Erfolg im Publikum gebend, mochte vielleicht nicht ganz unbefangen bleiben über das Aufsehen, das die Pariser Briefe machten. Nun kam über die in Paris wohnenden Deutschen außerdem noch das Assoziationsfieber. Die zahlreichen deutschen Handwerker, Kommis, Gelehrte, die in Paris wohnten, wollten durch Adressen und öffentliche Erklärungen die überrheinische Sache unterstützen; man schrieb Versammlungen aus und bezeichnete die, welche von ihnen fortblieben, mit Namen, die vom Verdacht in Zeiten politischer Aufregung bald erfunden sind. Heine, der nur Begriffe von kleinen, literarischen Bundesgenossenschaften hat, erschrak vor diesen massenhaften Verbrüderungen und fühlte sich von allen den demokratischen Zumutungen, die gerade an ihn als einen Freiheitsdichter ergingen, höchst belästigt. Aus früheren Lebensverhältnissen her, als gelernter Kaufmann, war er gewohnt, sich bei Namensunterschriften sehr schwierig finden zu lassen; da sollte nun alle Tage vermittels einer Adresse ein Fürst vom Thron gestoßen werden, oder durch Subskriptionslisten für hunderttausend kleine politische Zwecke gewirkt werden, und immerzu die Feder in der Hand und seinen Namen da hinzuschreiben – das war ihm wirklich sehr unangenehm. Gern hätte er die von den Fäusten der Handwerker ganz schmutzigen Subskriptionsbögen unter seinen glasierten Händen durchschlüpfen lassen, aber einige Terroristen paßten auf und drohten nicht undeutlich mit der Guillotine, die vielleicht über Nacht die Ordnung des Tages werden konnte. Besonders ärgerte es Heinen, daß Börne, der kränkliche Mensch, so einen fanatischen Königsfresser spielte und das ganze Ding mit der Revolution, das sich nur gedruckt, in Vorreden, datiert „Paris am Tage der Bastille“, hübsch machte, so ernst nahm und jede Tollheit, die einer aufs Tapet brachte, mit unterschrieb. Börne und Heine aßen zusammen an einem Orte, wo viele deutsche Handwerker verkehrten. Zwischen der Suppe und dem Rindfleisch kam regelmäßig eine schmutzige Subskriptionsliste den Tisch herunter. Heine war in Verzweiflung. Er wartete die Gelegenheit ab, wo er losbrechen konnte, und ergriff diese endlich, als die Listen sich unter anderm einmal auch gegen den Papst und dessen politisches Verfahren in der Romagna aussprachen. Was sie der Papst anginge erklärte er unwillig und unterschrieb sich nicht mehr. Man kann nicht leugnen, daß Heines Benehmen hier von vielem Verstande zeugte. Nur hätte er sich dann von dem Umgang mit so erhitzten Gemütern ganz zurückziehen und nicht

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