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haftengeblieben – er verzog ihn sehr, sehr häufig zu einem satyrischen, wegwerfenden Lächeln, und wiewohl dieser Ausdruck vortrefflich zu seiner Geistesrichtung paßte, kam mir dieses fast höhnische Herabziehen der Unterlippe etwas gemacht vor – ich glaube, er wußte, wie das aussah, und er gefiel sich darin. Im übrigen kann man in Wesen und Gebärde nicht einfacher, nicht natürlicher sein, als er es war – ein nachlässiges Sichgehenlassen in Gang und Haltung und keine Spur von Prätension!

      Man hat mich oft gefragt, ob Heine im Gespräch sich ebenso geistreich gezeigt, als mit der Feder. Wie sollte das möglich gewesen sein! Als ich ihn eines Tages besuchte, fand ich ihn arbeitend am Schreibtisch und warf einen neugierigen Blick auf den vor ihm liegenden Bogen, der kaum eine Zeile enthielt, die nicht durchgestrichen und durch eine darüberstehende ersetzt gewesen wäre. Er fühlte meine Verwunderung und sagte mit ironischem Ton: „Da sprechen die Leute von Eingebung, von Begeisterung u. dgl. – ich arbeite wie der Goldschmied, wenn er eine Kette anfertigt – ein Ringelchen nach dem andern – eines in das andere.“ Oft rezitierte er mir kleinere Gedichte, die eben entstanden waren – irrte sich dabei aber sehr häufig. „Glauben Sie nicht,“ sagte er einst, „daß mich das Gedächtnis im Stiche läßt, ich wähle aber zwischen so vielen verschiedenen Wendungen, daß ich im gegebenen Augenblick leicht vergesse, welche ich festgestellt.“ Wenn ein Schriftsteller bemüht ist, wie es mit feinsten Weinen geschieht, uns aus einer Auslese von Geistesbeeren einen Trunk zu kredenzen, wird das, was die Kelter aus dem Übrigen preßt, notwendigerweise nicht von gleicher Vortrefflichkeit sein. Jedoch war Heine sehr schlagfertig, und im Gespräch mit geistig Gleichstehenden mag er sich wohl zu sich selbst erhoben haben. Im allgemeinen liebte er aber leichtes Geplauder, bei welchem es an treffenden, wohl auch verwundenden Ausfällen nicht fehlte. Ein Einfall, der schlagend, machte ihm die größte Freude, und ich bin überzeugt, daß er zuweilen eine Reihe von Besuchen machte, nur um ihn zu kolportieren und jedesmal wieder aufs herzlichste darüber zu lachen. Im Verkehr mit seinen näheren Bekannten war er indes, trotz seiner Neigung zu scharfer Kritik, überaus rücksichtsvoll...

      Börne... war Heines Gespenst, seine bête noire. Bereit, das glänzende Talent jenes von Geist sprühenden Publizisten anzuerkennen, war es ihm doch unerträglich, daß man sie stets als Dioskuren zusammen nannte. „Was habe ich mit Börne zu schaffen,“ rief er ebenso häufig als unmutig aus, „ich bin ein Dichter!“ Und es lag hierin ebensoviel Wahrheit als Selbstbewußtsein...

      [Hiller kehrte Ende Oktober 1832 nach Deutschland zurück, vgl. Heines Brief an ihn vom 24. Oktober; erst 1836 kam er wieder nach Paris.]

      242. Ferdinand Hiller193

      1831/32

      [Hiller an Karpeles:] Theoretisch oder gar praktisch verstand Heine gar nichts von Musik – er erzählte mir einstmals lachend, daß er durch lange Jahre geglaubt, der Generalbaß sei der – Kontrebaß – vonwegen seiner stattlichen Größe. Auch schrieb er mir ein Heft Lieder zusammen (mit dem Titel: Närrische Worte von H. H. – noch närrischere Musik von F. H.) – sie waren zum größeren Teil gänzlich unkomponierbar. Und doch hörte er, erriet er mit seinem aus Phantasie und Scharfsinn gekneteten Geiste viel mehr als viele sogenannte musikalische Leute aus der Musik heraus. Es gehört dergleichen, meiner Meinung nach, zu dem vielen Unbegreiflichen, was genialen Naturen eigen ist. Daß er von Musik tief ergriffen gewesen wäre, hatte ich nie zu bemerken Gelegenheit. – Mit seinem „Ergriffensein“ war es überhaupt nicht weit her; in seinen Gesprächen gestalteten sich seine Eindrücke zu geistreichen, meistens satirischen Worten... Aber an Musikern von Talent oder Bedeutung nahm er lebhaftes Interesse. Was er über dieselben geschrieben, ging aber aus sehr verschiedenen Stimmungen und Absichten hervor.

      [Noch in seinen „Besuchen im Jenseits“ („Erinnerungsblätter“ 1884, S. 175) fragt Hiller den Dichter: „Hat denn Musik Sie wirklich je interessiert?“ und läßt Heine antworten: „Nur in ihren Repräsentanten.“]

      243. Ludwig Börne71

      24. Oktober 1831

      [Börne an Jeannette Wohl:] ... Heine war bei mir und hat mir aufgetragen, Sie zu grüßen. Er fragte mich, wie oft ich Ihnen schreibe, und als er hörte, wöchentlich zweimal, war er sehr darüber erstaunt.

      *Sehr liebenswürdig ist er, wenn er sich über Michel Beer lustig macht. Er ist dann ein Springbrunnen von Witz und Laune. Das läßt sich freilich nicht gut nacherzählen. Die Art, wie diese beiden Dichter miteinander umgehen, soll einzig sein; ich selbst habe sie noch selten beisammen gefunden. Heine fragt z. B. den Beer: „Warum schreiben Sie, Sie haben es ja nicht nötig?“, worüber sich B. erschrecklich ärgert. Hinter seinem Rücken sagt H., wenn ich einmal der Familie Beer meine Rechnung mache für alle die Witze, die sie mich schon gekostet haben, oder, wenn ich mich einmal mit den Beers entzweie, werde ich ein reicher Mann. Der Beer fühlt es nun in seinen Nerven, daß der Heine früher oder später einmal öffentlich über ihn herfallen wird, und geht daher bei aller Vertraulichkeit doch so ängstlich mit ihm um, wie das Hündchen mit dem Löwen*. – Höchst bedauernswürdig ist der Heine, aber nicht bloß zu beklagen, sondern auch anzuklagen, wegen seiner Gesundheit, die er durch Ausschweifungen zerrüttet und täglich mehr verdirbt. Er hat sich durch sein liederliches Leben solche Übel zugezogen, welche die Nerven und den Kopf endlich ganz zerstören, so daß dieser so geistreiche Mensch noch einmal dumm, ja wahnsinnig werden kann, wenn er nicht so glücklich ist, früher das Leben zu verlieren. Er ist so erschöpft, und das ist der Ausdruck, womit er gewöhnlich selbst klagt, daß er abends 9 Uhr zu nichts mehr, nicht zur leichtesten Unterhaltung mehr zu brauchen ist und sich zu Bette legen muß. Er leidet beständig am Kopfe. Als er mir heute sein Übel klagte, mochte ich ihm freilich die gefährlichen Folgen desselben, die er nicht kennt, nicht aufdecken, aber ich gab ihm mit dem wärmsten Eifer die besten Verhaltungsmaßregeln, wie er seine Lebensart einzurichten und sich zu heilen habe. Es ist aber nicht daran zu denken, daß er sie befolgt; denn sein Charakter ist zu morsch, er hat nicht die geringste Willenskraft mehr...

      [Nach einem Brief Heines an Hiller vom 23. Oktober trafen sich beide am 24. bei Börne; Dr. Donndorf scheint mit dabeigewesen zu sein.]

      244. Ludwig Börne71

      25. Oktober 1831

      [Börne an Jeannette Wohl, 27. Oktober:] Vorgestern war die Trauung von Dr. S. [Sichel*]. Ich und Heine waren Zeugen und mußten die Protokolle des Zivilstandes und des Kirchenbuches unterschreiben. Als der Sekretär Heine fragte, wie sein Name geschrieben werde, antwortete er: „Mit einem Hache“, statt zu sagen mit einem Asch (H). Darüber wurde er von S. [Sichel] und H. ausgelacht, was ihn in die größte Verlegenheit setzte, denn so gern und oft er spottet, so wenig kann er doch selbst Raillerie ertragen. – Bei dieser Heiratsgelegenheit, wo ich drei Stunden mit Heine beisammen war, konnte ich ihn recht gut beobachten und kennen lernen. Nie ist mir eine feigere Seele vorgekommen, die sich mit solcher Geduld von ihrem Körper tyrannisieren läßt... Sollte einmal in Deutschland eine politische Revolution eintreten, so würde Heine eine zwar kurze, aber für ihn und die Welt höchst verderbliche Rolle spielen. Er wäre, wie alle schwachen Menschen, der blutigsten Grausamkeiten fähig. Er ist von der größten Feigheit, und er hat mir offen gestanden, daß er in Italien mit Florenz seine Reise beschlossen, weil er sich gefürchtet, nach Rom zu gehen; denn er habe Feinde dort, die ihn gewiß hätten ermorden lassen (wahrscheinlich Graf Platen). Christentum, Religion überhaupt, ist ihm nicht bloß ein Greuel, es ist ihm ein Ekel. Und als er unter solchen Gesprächen mich auf der Straße verließ und ich ihm eine Weile nachsah, kam er mir vor wie ein welkes Blatt, das der Wind umhertreibt, bis es endlich, durch den Schmutz der Erde schwer geworden, auf dem Boden liegen bleibt und selbst zu Mist wird.

      [Heines falsche Aussprache des französischen H hält Strodtmann (II 231) für absichtlichen Scherz: avec une ‘hache = mit einem Beil. Dieses Beisammensein mit Börne „bei der Heirat eines gemeinsamen Freundes, der uns beide als Zeugen gewählt“, erwähnt auch Heine im vierten Teil seines Börnebuches.]

      245. Ludwig Börne71

      30. Oktober 1831

      [Börne

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