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ich bin Wundarzt und habe im Leben wohl mehr Blut fließen sehen, als alle diese Herren von der Feder. Daher mag es wohl kommen, daß ich mit diesem „ganz besonderen Safte“ nicht so verschwenderisch bin als die ins Große gehende Antiphlogose dieser Umsturzhelden.

      Freilich zwischen Wort und Tat liegt noch eine bedeutende Kluft. Unser Heine selbst hätte als Mitglied eines Wohlfahrtsausschusses weit lieber mit einer Marquise de l’ancien régime bei Austern und Champagner ein Schäferstündchen gefeiert, als sie, wie ein zweiter metaphysisch grübelnder, alles nivellierender St. Just, aus purer Volksbeglückungssucht zur Guillotine geschickt. Heine mit seinem feinen, blassen Gesicht, seinen zarten Händen, seinen aristokratischen Manieren war von jeher nur in Worten ein Republikaner, im Herzen der exklusivste Aristokrat.

      [Den Deklamator Theodor von Sydow nennt Heine nur einmal, im Brief an Christiani vom 24. Mai 1824. – Seinen „Geständnissen“ zufolge fuhr Heine am 1. Mai 1831 über den Rhein; diese Angabe wird durch die genauen Daten in dem Bericht von Clemens widerlegt. Zu Saphir vgl. Nr. 149.]

      224. Moritz Oppenheim132

      Mai 1831

      Um jene Zeit kam Heinrich Heine nach Frankfurt; er hatte sich bereits durch seine Schriften einen Namen gemacht, vornehmlich durch seine Reisebilder, deren Witze in jüdischen Kreisen den meisten Anklang fanden, weil sie dort am besten verstanden wurden. Ich malte ihn; später [25. Juli 1851] verlangte er von Paris aus sein Porträt von mir für seinen Verleger Campe, dem ich es auch zuschickte. An einem Samstag war Heine zu Mittag mein Gast; ich hatte noch einige seiner Verehrer gebeten und ihm zuliebe echt jüdische Küche bereiten lassen: „Kuchel und Schalet“, die Heine sich auch sehr gut munden ließ. Ich bemerkte scherzend, daß er bei dem Verzehren solcher Gerichte wohl Heimweh empfinden müsse, wie ein Schweizer, der in der Fremde den Kuhreigen hört. Dadurch kam die Rede auf seine Taufe; auf die Frage eines Gastes, was ihn dazu bewogen habe, da er doch in seinen Schriften mit dem Christentum auch nicht gerade glimpflich umgegangen sei, entgegnete Heine ausweichend, „es komme ihm schwerer, sich einen Zahn ausziehen zu lassen, als seine Religion zu wechseln“. In einer seiner späteren Schriften, von seinem Aufenthalt in Frankfurt sprechend, erzählt Heine von dem guten Schabbesessen, das er bei dem nachmaligen Geheimen Rat Stiebel genossen habe. Nun erinnerte er sich aber gewiß genau, daß er solches Schabbesessen nicht bei dem Genannten bekommen hatte, und ohne Zweifel berechnete er mit Malice, daß es den neugetauften Juden ärgern müsse, wenn diesem noch eine alttestamentarische Küche angeheftet werde; ich habe mich überzeugt, als ich einst mit Dr. Stiebel davon sprach, daß Heines Nadelstich seinen Zweck nicht verfehlt hat.

      [Oppenheim irrt sich mindestens im Datum: das Schaletessen bei Dr. Stiebel, wovon Heine im ersten Teil seines Börnebuches erzählt, fand 1827 statt, nicht 1831; Börne hatte ihn zu Stiebel geführt, dessen Namen Heine übrigens nur andeutet. 1831 war Börne längst in Paris. Heines Angabe von 1827 zu bestreiten, liegt kein Anlaß vor, auch wenn es dem getauften Stiebel peinlich war, daß seine Anhänglichkeit an die alttestamentarische Küche zur Sprache kam.]

      225. Johann Baptist Rousseau122

      Mai 1831

      Um Heinen schon in seiner gegenwärtigen Kunstperiode liebzugewinnen, ist es fast nötig, ihn persönlich zu kennen. Freilich ist die liebenswürdige Seite seines Wesens so schalkhaft versteckt, daß es schwer hält, ihrer habhaft zu werden. Ist dies aber einmal der Fall geworden, so genießt man den originellsten Menschen, den ich mir denken kann, einen Menschen, dessen Charakter nicht auf der Oberfläche schwimmt, sondern der studiert sein will, um selbst während der Dauer eines langjährigen Umgangs begriffen zu werden. Eitelkeit und Stolz, die man ihm so oft vorwirft, sind vielleicht zwei Tugenden seines Wesens.

      226. Hermann Franck103

      August 1831

      [Mitteilung Francks an Varnhagen von Ense:] Heine, Franck und Michael Beer reisten zusammen nach Boulogne auf der Diligence; Beer wußte sich was damit, und alle Leute mußten es hören, daß er zum erstenmal auf der Diligence reise; dies gab Heinen Gelegenheit, ihn zum Gelächter zu machen; immerfort erneuerte er die Fragen, die Bemerkungen darüber. Aber auch sonst trieb er seinen Spaß mit ihm; bei der gewöhnlichsten Äußerung, welche Beer machte, fragte Heine stets mit gefälliger Neugier: „Woher haben Sie das?“ Und so vieles andere Neckende übte er beständig aus.

      Heine sagte auch von Michael Beer: „Solange der lebt, wird er unsterblich sein.“

      [Seinen Aufenthalt in Boulogne im Sommer 1831 erwähnt Heine nur in seinem Brief an Cotta vom 25. Januar 1832. Im nächsten Jahr war er in Havre und Dieppe. Da Beer am 22. März 1833 starb, kommt für die obige gemeinsame Fahrt nur der Sommer 1831 in Betracht.]

      227. Hermann Franck109

      August 1831

      [Franck an Sarah Austin in Boulogne, Dresden, 26. Juni 1843:] The place you are in is well known to me. I lived there for several weeks in company of Heine. Il y habitait une chambre tellement étroite que lorsque j’allais la première fois l’y voir, je l’engageais d’en sortir pour que je puisse entrer. – Comme alors je n’avais jamais vu la mer auparavant, Heine me plaignait disant que ce n’est pas à Boulogne qu’on devait être introduced to the sea. Il parlait beaucoup de Helgoland, où la mer était bien autre chose. „Da bekommt man Anschauungen!“ Pendant qu’il disait cela fort sérieusement et longuement, un poète allemand [Randbemerkung Varnhagens: Michael Beer] qui était là, et qui lui enviait évidemment son talent et son succès, s’avise de lui demander: „Ist es sonst auch noch interessant in Helgoland?“ – „O ja,“ sagte Heine, „sehr! Man zeigt Ihnen dort das Haus, wo ich gewohnt habe.“

      228. Hermann Franck109

      August 1831

      [Franck an Gräfin Luise Bülow von Dennewitz, Ilmenau, 3. August 1846:]... In Boulogne hatten sich mehrere Engländerinnen bei schlechtem Wetter in das Lesezimmer gesetzt, weil ihnen der große Saal unheimlich war; Heine, der, während sie laut und lebhaft sprachen, Zeitungen las, stand auf, ging auf sie zu und sagte ganz schüchtern: „I hope ladies conversation will not be troubled by my reading papers.“

      [In S. Hensels „Die Familie Mendelssohn“ erzählt Fanny Mendelssohn diese Anekdote unterm Jahre 1835, aber offenbar als Reminiszenz, und läßt Heine sagen: „Meine Damen, wenn Sie mein Lesen im Sprechen stört, kann ich ja auch wo anders hingehen.“]

      229. August Lewald1

      Herbst 1831

      Seit Heines Abgang von Hamburg war mir der Aufenthalt dort unerträglich geworden. Auch mein Landsmann Maltitz, der drei Jahre lang jeden Abend bei mir zubrachte, reiste fort, und ich war mit einem Male wie verwaist. Dies und die herannahende Cholera brachten mich zu dem Entschluß, Hamburg zu verlassen und meinen lieben Freunden in Paris nachzueilen. –

      Heideloff und Campe, die ich sogleich aufsuchte, wußten mir Heines Wohnung nicht anzugeben; er pflegte aber abends in ihren Laden zu kommen, sagten sie.

      An diesem Abende kam er jedoch nicht zur gewohnten Stunde. Schon wollte ich mißmutig nach Hause gehen, als aus dem Gewühle des Trottoirs sich eine Gestalt im weißen Hute absondert und mit dem Ausrufe: „Er ist’s!“ in den Laden springt. – Er war es! –

      Es fing ihm nachgerade an in Paris zu gefallen; er hatte einige Bekanntschaften gemacht, die ihn interessierten. Ein junger Mensch von bedeutendem Talente hatte sich darübergemacht, unter seinen Augen, die Reisebilder zu übersetzen. Heine freute sich darauf, den Franzosen nun bald bekannt zu werden. Leider war aber der Übersetzer zugleich Nachtwandler, stieg einige Wochen später aufs Dach und stürzte sich zu Tode, ehe er seine Aufgabe beendigt hatte. „Ich habe viel Unglück!“ sagte Heine bei dieser Gelegenheit. –

      230. Ludwig Börne71

      26. September 1831

      [Börne

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